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Freude bei den Reutlinger Freunden

REUTLINGEN. »Gott sei dank!« Günter Jung atmet hörbar auf. Er ist erleichtert. Und glücklich. Dazu hat er allen Grund: Sein iranischer Freund Bijan Khajehpour, den er seit seinem Studium in Reutlingen kennt, ist nach über drei Monaten Haft im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis freigelassen worden. Das grenzt an ein kleines Wunder. Warum die Machthaber den Wirtschaftswissenschaftler und Geschäftsmann auf freien Fuß gesetzt haben, ist so unklar wie der Grund seiner Verhaftung (der GEA berichtete).

Am 27. Juni war der 42-Jährige bei seiner Rückkehr von einer Geschäftsreise auf dem Flughafen in Teheran festgenommen worden. Für seine Familie blieb Bijan, Vater zweier kleiner Töchter, sechs Wochen lang verschwunden: Sie wusste nicht, in welchem Gefängnis er saß, konnte ihn nicht besuchen. Und wie der große, in der ganzen Welt verstreute Freundeskreis konnte sie sich nicht erklären, warum er festgenommen wurde.

Nie politisch aktiv

Denn er war nicht wie viele seiner Mitgefangenen an den Protesten beteiligt, die nach der Wahl des heutigen Präsidenten Ahmadinedschad einsetzten. Schon deshalb nicht, weil er zu dieser Zeit gar nicht im Iran war. Aber auch, so Günter Jung, »weil er zwar hochpolitisch ist, aber nie politisch aktiv war«.

Bijan wurde dennoch der Unterstützung der Revolution beschuldigt. Der Freundeskreis mutmaßt, dass er dem auf antiwestliche Konfrontation ausgerichteten Regime wegen seiner guten internationalen Beziehungen suspekt war. Bei den Schauprozessen, die weltweit übertragen wurden, saß er jedenfalls als einer von Vielen auf der Anklagebank.

Wegen seines ungewissen Schicksals litt die Familie des 42-Jährigen Höllenqualen. Auch Günter Jung, Aktivist im Reutlinger Asylcafé und in der Friedensbewegung. Mit Bijan ist er befreundet, seit der 1988 an der Reutlinger European School of Business (ESB) sein Studium aufnahm. Auch nach seiner Rückkehr in den Iran besuchte Bijan ihn immer wieder in Reutlingen. Ex-Sozialrichter Jung beschreibt den Iraner als liberalen Freigeist und als Patriot, der sein Land niemals verlassen hätte. Im Gegenteil: Er wollte es voranbringen.

Die Nachricht von Bijans Inhaftierung traf Jung völlig unvermittelt. Er setzte mit den anderen alle Hebel in Bewegung, um seine Freilassung zu erreichen. Amnesty International wurde eingeschaltet, auch das Auswärtige Amt. Doch es passierte nichts. Seine Frau durfte ihn erst nach Wochen im Evin-Gefängnis besuchen. Anwälte hatten wie bei den anderen politischen Gefangenen keinen Zugang.

Was letztlich die Machthaber zur Freilassung Bijans bewegte, darüber kann Günter Jung nur spekulieren. Er weiß, dass sein Freund eine sehr hohe Kaution hinterlegen musste. Ob er sich frei bewegen kann, ins Ausland reisen darf all das ist ihm nicht bekannt. In einer Mail schreibt Bijan, er sei korrekt behandelt worden, psychisch und physisch gehe es ihm gut. Am stärksten habe ihn die Unklarheit, wie lange er im Gefängnis bleiben muss, belastet und die Sorge um seine Familie. Aus der Haft sei er gestärkt hervorgegangen. Er wolle sich künftig selbst um zu Unrecht inhaftierte Menschen kümmern.

Schweigen als Bedingung

Günter Jung mutmaßt, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. Denn über die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen dringt generell nur wenig an die Öffentlichkeit: Die Freilassung der Inhaftierten ist an die Bedingung geknüpft, dass sie darüber schweigen müssen.

Doch das ist Günter Jung und den anderen Bekannten jetzt nicht so wichtig: Sie freuen sich, ihren Freund in Freiheit zu wissen. Und das soll demnächst groß gefeiert werden. (GEA)