Der Schwerpunkt liege auf der Radverkehrsförderung. Sie werde aber in die gesamtheitliche Betrachtung des Verkehrssystems integriert. »Wir möchten Mobilität verändern«, präzisierte Ralf Kaulen. Hiesige Experten, etwa vom ADFC, sollen in einem Arbeitskreis zum Gelingen beitragen.
Erste Beobachtungen des Gutachters ließen aufhorchen: 418 Radunfälle in den letzten drei Jahren seien »relativ viel«. Und das seien nur die von der Polizei aufgenommenen. Einsamer Spitzenreiter übrigens die Alteburgstraße mit 25 Unfällen. Drei tödlich verunfallte Radfahrer sind in diesem Zeitraum zu beklagen. Ebenfalls »unüblich« für eine Stadt dieser Größe, so Kaulen. Auffallend hoch sei mit 87 auch die Zahl der Verunglückten, die ohne wahrnehmbare Fremdeinwirkung stürzten. Die Stadt habe wohl ein »Verkehrssicherheitsproblem«, resümierte der Experte als Erstdiagnose. Er lobte aber auch »viele gute Elemente«, wie die markierten Schutzstreifen, die in letzter Zeit verstärkt auf die Straßen gemalt werden, zahreiche Tempo-30-Zonen, für gegenläufigen Radverkehr geöffnete Einbahnstraßen und gute Abstellanlagen. Auch die Wegweisung sei auf einem guten Weg.
»Diese Stadt hat ein Verkehrssicherheits-problem«Die guten Einzel-Elemente zeigten aber nur wenig Wirkung. Im ADFC-Klimatest bekommt die Stadt regelmäßig schlechte Noten.
Die Zukunft heiße: mehr Markierungslösungen auf der Straße. Schutzstreifen oder Radfahrstreifen seien auch für Reutlingen »ein guter Weg«. Das Radwegenetz soll hierarchisch strukturiert, Radschnellwege sollen integriert werden.
Jenseits der rechtlichen Vorgaben müssten Standards diskutiert werden. Etwa die Breiten der Wege. Sie sollten nach Kaulens Auffassung nicht zu schmal dimensioniert werden, um auch größere Mengen von Radfahrern zu bewältigen inclusive Anhänger. »Außerdem wollen Sie doch E-Bike-City werden.«
Susanne Müller (Grüne und Unabhängige) war begeistert von den Ausführungen insbesondere auch im Hinblick auf die Sicherheitslage: »Was ich seit Jahren versuche zu erklären, haben Sie in weniger Worten gesagt.« Sie forderte, für die Probleme keine Luxuslösungen zu erarbeiten, sondern Machbarkeit in den Vordergrund zu stellen. Ihr Fraktionskollege Holger Bergmann verlieh der Hoffnung Ausdruck, bald »außer Plänen auch Tatsachen sehen zu können«.
Gabriele Gaiser (CDU) begrüßte das Vorhaben »außerordentlich. Das ist die Zukunft unserer Stadt«. Vor allem junge Leute nutzten das Rad, das kostengünstiges, effizientes Fortkommen gewährleiste. Die SPD reklamierte für sich, das im Ausschuss Vorgestellte »seit 20 Jahren gebetsmühlenartig gefordert« zu haben. Das Ansinnen sei aber, so Edeltraut Stiedl, in der »autolastigen Stadt« an der Mehrheit des Gemeinderats gescheitert.
Regine Vohrer forderte, die Anbindung an die Bezirksgemeinden gebührend zu berücksichtigen. Die Liberale riet, bei der neuen Infrastruktur nicht zu sparen, sondern es gleich »richtig« zu machen. (GEA)