Logo
Aktuell Bundestag

Fünf-Prozent-Hürde: Reutlinger FDP-Kandidat zuversichtlich

Schafft es die FDP in den Bundestag? Der Reutlinger Kandidat Pascal Kober verbreitet Zuversicht.

Jan Vetter (links) und Martin Holder (rechts) bauen auf  Pascal Kober und die FDP.
Jan Vetter (links) und Martin Holder (rechts) bauen auf Pascal Kober und die FDP. Foto: STEFFEN SCHANZ
Jan Vetter (links) und Martin Holder (rechts) bauen auf Pascal Kober und die FDP.
Foto: STEFFEN SCHANZ

REUTLINGEN. Der Kandidat kommt im weißen Golf. Stellt das Auto an der Parkuhr ab. Der Wahlkampftermin, den Pascal Kober und sein Team für die Pressebegleitung ausgesucht haben, ist ein Heimspiel für den liberalen Reutlinger Bundestagskandidaten: Im Verbandshaus von Südwestmetall in der Reutlinger Schulstraße empfangen ihn der Vorstandsvorsitzende der Bezirksgruppe Reutlingen Martin Holder und Geschäftsführer Dr. Jan Vetter, die ihn am Schluss verabschieden werden mit: »Wir bauen auf Sie.«

Pose Gesprächssituation: Fürs Pressefoto folgt Pascal Kober perfekt den Anweisungen des GEA-Fotografen, rückt die Krawatte zurecht. Der Landesvize (seit 2015) und Bundestagsabgeordnete (2009 bis 2013 und seit 2017) ist Profi.

Im Gesprächsraum stehen dann drei Stücke Kuchen für fünf Personen – die Anzahl der Gäste scheint nicht hinreichend kommuniziert worden zu sein. Kober merkt dies sofort. Schiebt den Teller ganz unprätentiös gen Pressevertreterin. »Ich teile meinen Kuchen mit Ihnen.«

»Wir wollen die CDU ja nicht allein mit der SPD lassen«

Nach dem Ampelbruch müssten die Parteien nun einen schnellen Wahlkampf führen, auf den man sich nicht wie gewohnt habe vorbereiten können, erzählt der 53-Jährige. Gleichwohl wirkt er entspannt und nimmt sich Zeit für das Gespräch mit den Gastgebern Holder und Vetter. Die haben naturgemäß vor allem ein Thema, das in der aktuell auf die Migration fokussierten Debatte in den Hintergrund gerückt ist: »Die Wirtschaftspolitik muss wieder in den Mittelpunkt gebracht werden«, fordert Vetter. Die Reutlinger Bezirksgruppe von Südwestmetall vertritt über 200 Unternehmen im Bereich Reutlingen, Tübingen, Zollernalbkreis und Nordschwarzwald. Die Anzahl von Beratungen habe massiv zugenommen. Kurzarbeit, Personalabbau, Verlagerungen »in einem neuen Ausmaß. Die Politik muss wahrnehmen, was da draußen los ist«, klagt Holder. Die Rahmenbedingungen stimmten nicht: zu viel Bürokratie, zu hohe Energiepreise, zu hohe Sozialversicherungskosten, fehlende politische Verlässlichkeit schwächten die Wettbewerbsfähigkeit. »Es ist fünf nach zwölf, die Unternehmen stehen mit dem Rücken zur Wand«, sagt Holder.

Pascal Kober hört zu. Erklärt, spricht ruhig und verbindlich. Pariert freundlich die sehr freundlich verpackte Kritik. »Wir haben was gemacht«, versichert er. Im Bürokratieentlastungsgesetz etwa stammten 90 Prozent der Vorschläge von der FDP. Der Kandidat beklagt die sich widersprechenden Wirtschaftstheorien von Grünen und FDP. »Wollen Sie Förderprogramme oder bessere Rahmenbedingungen für freie Entscheidungen?«, fragt er die Unternehmensvertreter rhetorisch. Die Ampel nennt er »drei Partner, die nicht zusammenpassen«. Deshalb habe sich die Wirksamkeit der Liberalen nicht recht entfalten können. Er verspricht steuerliche Entlastung, Entbürokratisierung.

Man ist sich einig in fast allem. Etwa, dass die Energie- und Mobilitätswende kommen muss, aber eben nicht um jeden Preis in einem Tempo, das als wirtschaftsunverträglich empfunden wird. »Wir müssen in Deutschland wieder erfolgreicher werden«, sagt Holder. »Dann werden sich viele Diskussionen erübrigen.« Und auch die Emotionalität der Debatten gerate wieder ins Maß. Und: »Wir müssen zusammenrücken.« Kober gibt sich zuversichtlich in Sachen Deutschland: »Wir haben Substanz und Ideen.«

»Es ist entscheidend, dass wir wieder lernen, den anderen verstehen zu wollen «

Als die Unternehmervertreter aus dem Raum sind, nimmt sich Kober noch ausgiebig Zeit für GEA-Fragen, die im Gespräch nicht tangiert wurden. Etwa die Frage, was der studierte Theologe nach dem 23. Februar macht, wenn seine Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht packt. »Das klappt«: Kober strahlt professionelle Zuversicht aus, baut auf die »Fehlertoleranz der Umfragen«.

Schwarz-gelb ist für ihn »wahrscheinlich« oder zumindest eine »theoretische Möglichkeit«. Und wenn es nur für schwarz/rot/gelb reicht? Sind die Liberalen bereit für ein weiteres lähmendes Dreigespann? »Ja«, sagt der gebürtige Sindelfinger. »Wir wollen die CDU ja nicht allein mit der SPD lassen.«

Dass die FDP zuletzt selbst ein wenig an ihren Prozenten gekratzt hat, Stichwort »D-Day«-Papier, mag Kober nicht stehen lassen. Das Ampelausstiegsszenario (»Ich habe das vorher nicht gekannt«) – hat für große Aufregung gesorgt. Kober sieht aber keine negativen Folgen. »Das Papier spielt keine Rolle im Wahlkampf.«

Den liberalen Spitzenkandidaten Christian Lindner findet Pascal Kober »sehr beeindruckend«. Dass der ehemalige Ampel-Finanzminister schon mal den argentinischen Staatspräsidenten Javier Milei und Donald Trumps Regierungsberater für Ausgabenkürzungen Elon Musk als Vorbilder zitiert, verteidigt Pascal Kober ausführlich. So habe Lindner in der Talkshow bei Caren Miosga im Wortlaut gesagt: »Wir sollten in Deutschland vielleicht – bei aller Schwierigkeit des Vergleichs – ein klein bisschen mehr Milei oder Musk wagen, sprich ein bisschen ambitionierter sein.« Es ginge also keineswegs darum, dass die FDP auf einen libertären Kurs einschwenke, beteuert Kober.

Und dann teilt der freundliche Liberale doch ein bisschen aus. Die Nennung der Namen werden von den Medien aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Die Namen Milei und Musk stünden, bei allen negativen Aspekten, für »durchgreifende Veränderungen«. Und diese brauche auch Deutschland. »Wir müssen große Schritte wagen.«

»Das D-Day-Papier spielt keine Rolle im Wahlkampf«

Wie direkt war der Weg vom evangelischen Pfarrer in die FDP-Politik? Nicht ganz direkt, räumt der gebürtige Sindelfinger ein. Er komme aus einem sozialdemokratischen Haus, habe früher selbst SPD gewählt. Doch der Ansatz der Sozialdemokraten, Probleme »lindern statt lösen« war auf Dauer nichts für den Theologen, der seit 26 Jahren Mitglied der Liberalen ist. Arbeits- und Sozialpolitik sind Schwerpunkte seiner politischen Arbeit.

Einblicke in ganz andere Realitäten hat der Oberstleutnant der Reserve als Militärseelsorger bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr, etwa in Mali, bekommen. Als (jetzt ehemaliger) Opferbeauftragten der Bundesregierung hat er sich um die Anliegen von Betroffenen von terroristischen und extremistischen Anschlägen im Inland gekümmert – zuletzt in Solingen und Magdeburg. Er half mit seinem Team mit, dass sie ihre rechtlichen Ansprüche geltend machen können, stand nach der Akutphase auch als Ansprechpartner zur Verfügung.

Kein Strafzettel. Die Parkzeit ist lange abgelaufen. Kober hat sich viel Zeit genommen. Und: Am Tag danach schiebt der Reutlinger Kandidat »zur besseren Erläuterung seiner Aussagen« zu einigen Themen noch eine ausführliche Mail hinterher. Darin erneut Medienschelte in Sachen Milei/Musk: »Wer bewusst Aussagen in ihrer Aussageintention verdreht, zerstört die kommunikative Basis der Demokratie. Es ist entscheidend, dass wir wieder lernen, den anderen verstehen zu wollen.«

Pascal Kober verweist sodann auf eine Analyse der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), die 5.000 Artikel deutscher Leitmedien auf die Berichterstattung über verschiedene Spitzenpolitiker unter die Lupe genommen habe, mit dem Ergebnis: Nur über Alice Weidel werde negativer berichtet als über Christian Lindner. Beim »Spiegel« belege Lindner sogar den Spitzenplatz. (GEA)