REUTLINGEN. »Wir stehen vor zwei großen Herausforderungen«, erklärte Reutlingens Sozialamtsleiter Joachim Haas den Mitgliedern des Verwaltungs-, Kultur- und Sozialausschusses, »dem Fachkräftemangel und der Haushaltskonsolidierung«. Der Fachkräftemangel belastet viele Kindertageseinrichtungen und ebenso die betroffenen Familien. Bereits in der Januarsitzung hatte Haas von der aktuellen Lage berichtet: Rund 15 Prozent der Stellen sind vakant, 29 Prozent der Einrichtungen mussten im vergangenen Jahr die Öffnungszeiten reduzieren, weitere 37 Prozent waren von einer Schließung oder Teilschließung betroffen, zudem gibt es Aufnahmestopps in 17 Einrichtungen. Das heißt, theoretisch vorhandene Plätze können nicht belegt werden, weil das ausgebildete Fachpersonal fehlt. In Summe betraf dies im vergangenen Jahr 302 Plätze.
Aufnahmestopps und Schließungen verhindern
Das heißt, es besteht weiterhin ein großer Druck, zu handeln, um aus den Aufnahmestopps und Teilschließungen herauszukommen. Ein Weg, um die Situation zu verbessern, wäre, dass Nicht-Fachkräfte nicht nur eingesetzt, sondern dass sie nach dem Kindertagesbetreuungsgesetz auch angerechnet werden. Bereits jetzt sind solche Zusatzkräfte erfolgreich im Einsatz, »sie entlasten die Teams«, berichtet Haas. Allerdings können sie bislang nicht auf den Mindestpersonalschlüssel angerechnet werden - was mitunter zu der absurden Situation führe, dass man genügend Platz und Köpfe habe, aber dennoch Kinder abweisen muss.
Durch neue Rahmenbedingungen ist es nun aber möglich, Nichtfachkräfte längerfristig als Fachkräfte anzurechnen. Wichtig ist dem Sozialamtsleiter dabei, »dass die notwendigen Qualitätsansprüche nicht aus der Not über Bord geworfen werden«. Zudem wolle man »blinden Aktionismus« vermeiden. Man habe den Eltern gegenüber eine doppelte Verpflichtung: den Betrieb zu gewährleisten, aber auch die Qualität zu erhalten.
Die Zahl der Nicht-Fachkräfte soll daher auf maximal zehn Prozent gedeckelt werden, zudem werden sie nicht in Randzeiten eingesetzt, in denen sie eventuell alleine wären, sondern immer als Teil eines Teams mit gelernten Fachkräften. Die Genehmigung läuft für drei Jahre und kann auf bis zu fünf Jahre verlängert werden. Umgesetzt wird dieses Modell zunächst nur von den städtischen Einrichtungen, die privaten Träger könnten folgen - so das Kalkül der Verwaltung.
Vollzeit-Betreuung erhalten
Bewerber für diese Stellen gebe es genügend, sagt Joachim Haas, meist sind es Menschen, die sich in einen pädagogischen Beruf umorientieren wollen. Einige haben bereits Erfahrung, beispielsweise aus dem Bereich der Tagespflege, andere sind komplette Neueinsteiger. Wichtig sei, dass sie mit Kindern umgehen können und ins Team passen - »die persönliche Qualifikation ist entscheidend«, so Haas. Für fachliche Qualifikationen sorgt der Arbeitgeber, in diesem Fall die Stadt, mit Weiterbildungen.
Ein Anliegen war dem Träger, dass im Stadtgebiet weiterhin die 50-Stunden-Woche angeboten wird. Um eventuell Personal zu sparen, habe man sich dafür schwach nachgefragte Öffnungszeiten angeschaut, in denen frei werdende Stellen dann nicht nachbesetzt werden. Kurios ist, dass die sogenannten »geregelten Öffnungszeiten« weitergeführt werden, obwohl sie, wie Haas einräumt, »ein Unding für alle sind«. Seit Jahren müht sich die Stadt, dieses Modell abzuschaffen. Es bietet morgens vier Stunden Betreuung, dann sind zwei Stunden Pause, in denen die Kinder nach Hause gehen und mittags dürfen sie nochmals zwei Stunden kommen. Also ein Modell, wie man es aus dem vergangenen Jahrhundert kennt, das aber nicht den Bedürfnissen einer modernen Arbeitswelt entspricht. Aufrechterhalten wird es lediglich, da hier der geforderte Personalschlüssel besser ist.
Der Haushalt 2026/27 wirft seine Schatten voraus
Den städtischen Haushalt wird das Modell mit den Nichtfachkräften mittelfristig ein wenig entlasten - wobei Haas betont, dass dies keine Sparmaßnahme sei. Dennoch wird es helfen, den kommenden Doppelhaushalt 2026/27 zu konsolidieren, der »bereits seine Schatten vorauswirft«, wie Bürgermeister Robert Hahn betonte.
Von den Einrichtungen und den Fachkräften seien wenig Vorbehalte gegen diese Überlegungen gekommen, berichtet Haas. »Ich hätte mit mehr Widerstand gerechnet.« Allerdings wüssten die Kitaleitungen zwischenzeitlich auch, was realistisch ist und viele merken, dass engagierte Mitarbeiter, auch wenn sie den Beruf nicht gelernt haben, eine Entlastung für das Team bedeuten. Aus dem Gremium gab es Lob für die guten Ideen, um der Personalnot zu begegnen, und dafür, dass die Vollzeitbetreuung erhalten bleibt, was gerade für Alleinerziehende oder wenn beide Eltern arbeiten, notwendig ist.
Ebenfalls Geld sparen wird die Abschaffung von Doppelstrukturen in der Sprachförderung. Ein Vorhaben, das Haas zum Schluss erwähnte: Hier will die Stadt künftig mehr auf das Programm des Landes setzen, das von diesem auch finanziert wird. Das städtische Programm bleibt nur dort erhalten, wo es das andere nicht gibt. (GEA)

