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Erster Reutlinger Vogelgrippe-Fall: Experte klärt auf

Im Landkreis Reutlingen ist der erste Fall von Vogelgrippe bestätigt worden. Ein Kranich, der in der Nähe von Pfullingen gefunden wurde, war mit dem Virus infiziert. Kreisveterinäramtsleiter Dr. Buckenmaier klärt auf, was bekannt und was zu erwarten ist.

Zahlreiche Kraniche fallen der Geflügelpest zum Opfer - wie hier in Brandenburg. Nun sorgte ein gefundener Kranich für den erste
Zahlreiche Kraniche fallen der Geflügelpest zum Opfer - wie hier in Brandenburg. Nun sorgte ein gefundener Kranich für den ersten nachweislichen Vogelgrippe-Fall im Landkreis Reutlingen. Foto: Christophe Gateau/dpa
Zahlreiche Kraniche fallen der Geflügelpest zum Opfer - wie hier in Brandenburg. Nun sorgte ein gefundener Kranich für den ersten nachweislichen Vogelgrippe-Fall im Landkreis Reutlingen.
Foto: Christophe Gateau/dpa

REUTLINGEN. Das Landratsamt hat am Donnerstag den ersten und bislang einzigen bekannten Fall von Vogelgrippe im Kreis Reutlingen bestätigt. Es handelt sich um einen Kranich, der in der Nähe von Pfullingen gefunden wurde. Was das für die Menschen und Tiere in der Region bedeutet, erklärt Kreisveterinäramtsleiter Dr. Thomas Buckenmaier im Pressegespräch.

Was ist über den Kranich bekannt?

Bei dem infizierten Tier handelt es sich um einen Kranich, der in der Nähe von Pfullingen in schwachem Zustand gefunden wurde. Bei dem Tier wurde das gefährliche Aviäre Influenzavirus (auch Geflügelpest oder Vogelgrippe genannt) vom Subtyp H5N1 nachgewiesen. Kraniche sind nicht im Landkreis Reutlingen heimisch. Es ist davon auszugehen, dass der gefundene Wildvogel den Landkreis lediglich auf seinem Weg nach Süden überflogen hat. Kraniche sind Zugvögel, die sich im Herbst auf den Weg in ihre Überwinterungsgebiete im Süden machen. Diese liegen in Frankreich, Spanien und mitunter in Nordafrika.

Wann und wo wurde der Kranich gefunden, und von wem?

Das Tier wurde am vergangenen Freitag auf einer Wiese in der Nähe des Pfullinger Waldcafés gefunden. Gemeldet wurde der Fund von mehreren Passanten, die sowohl das Veterinäramt als auch die Polizei verständigten.

Sind Kraniche alleine unterwegs oder im Verbund? Ist mit weiteren infizierten Zugvögeln zu rechnen?

Kraniche fliegen in der Regel in Gruppen gen Süden. Bei dem gefundenen Vogel handele es sich aber um einen besonderen Einzelfall. Durch seine Erkrankung ist er wohl von der eigentlichen Route abgekommen. Deshalb schätzt Buckenmaier die Wahrscheinlichkeit, weitere infizierte Zugvögel im Zusammenhang mit diesem Einzelfund zu entdecken, gegen Null ein.

Wie hoch ist das Risiko, dass sich andere Wildvögel oder-tiere angesteckt haben?

Auch dieses Risiko wird als sehr gering eingeschätzt. Buckenmaier ist überzeugt, dass der Kranich erst seit sehr kurzer Zeit am Fundort lag.

Dr. Thomas Buckenmaier, Leiter des Veterinäramts im Kreis Reutlingen, beantwortete die Fragen rund um den infizierten Kranich.
Dr. Thomas Buckenmaier, Leiter des Veterinäramts im Kreis Reutlingen, beantwortete die Fragen rund um den infizierten Kranich. Foto: Küster
Dr. Thomas Buckenmaier, Leiter des Veterinäramts im Kreis Reutlingen, beantwortete die Fragen rund um den infizierten Kranich.
Foto: Küster

Wie groß ist das Risiko einer Ausbreitung der Vogelgrippe in der Region? Werden weitere Fälle erwartet?

Das Geschehen ist in der aktuellen Vogelgrippesaison bundesweit sehr dynamisch und das Friedrich-Loeffler-Institut schätzt das Risiko einer Ausbreitung der Geflügelpest insgesamt als sehr hoch ein. Das Landratsamt Reutlingen hat in Abstimmung mit dem Landwirtschaftsministerium die Lage bewertet und ist zu der Einschätzung gekommen, dass sich das Infektionsrisiko durch den Fund des infizierten Kranichs vor Ort nicht erhöht hat. Das Tier ist vermutlich geschwächt durch das Virus im Landkreis gelandet. In der Umgebung des Fundorts befinden sich keine Geflügelbetriebe, für die eine unmittelbare Ansteckungsgefahr bestehen könnte.

Wie kann man der Ausbreitung der Krankheit vorbeugen?

Zum jetzigen Zeitpunkt wird von Präventionsmaßnahmen abgesehen. Alle Geflügelhalterinnen und -halter werden aufgerufen, die in Baden-Württemberg geltenden Biosicherheitsmaßnahmen zu Verhinderung eines Geflügelpesteintrags weiter strikt einzuhalten. Das Kreisveterinäramt wird die Entwicklung genau beobachten und bei Bedarf Maßnahmen ergreifen.

Wie sehen diese Sicherheitsmaßnahmen aus?

Da die Gefahr von den Wildvögeln ausgeht, sind die Landwirte in Eigenverantwortung dazu angehalten, den Kontakt ihrer Nutztiere mit Wildvögeln möglichst zu verhindern. Auch der Personenverkehr sollte reduziert werden. Hier besteht die Gefahr einer Einschleppung des Virus über die Schuhe oder andere Kleidungsstücke. Außerdem gibt es weitere Hygienemaßnahmen, die unabhängig von der Vogelgrippe eingehalten werden müssen.

Übersicht über Ausbrüche der Vogelgrippe

Eine aktuelle Übersicht über die Ausbrüche der Vogelgrippe bei Wildvögeln und gehaltenen Vögeln finden sich beim Friedrich-Loeffler-Institut im TSIS-TierSeuchenInformationsSystem unter https://tsis.fli.de/cadenza/. (GEA)

Es gibt Landwirte, die eine Stallpflicht fordern, die Behörden haben sich aber bislang dagegen entschieden. Wäre das nicht sinnvoll, um Ansteckungen zu vermeiden?

Auf diese Maßnahme wird verzichtet, weil sich das Risiko für die Landwirte durch den Zufallsfund nicht erhöht hat. Man müsse bei solchen Verordnungen auch immer die Verhältnismäßigkeit berücksichtigen, sagt Buckenmaier. Eine Stallpflicht könne Landwirte nämlich auch einschränken und vor große Probleme stellen, besonders hinsichtlich Tierwohl und Tierschutz. Da man diese Maßnahme voraussichtlich auch sehr lange aufrecht erhalten müsste - wohl bis in den Frühling hinein - sei es geboten, diese Entscheidung gut abwägen.

Was würde passieren, wenn die Vogelgrippe bei Nutztieren im Landkreis festgestellt würde?

In diesem Fall müsste der infizierte Tierbestand gekeult werden. Anschließend würden Restriktionsgebiete rund um den betroffenen Hof festgelegt. Wie groß diese Sperrbezirke sind und wie genau die weiteren Maßnahmen aussehen, hängt jedoch stark vom Einzelfall ab. Es wird aber alles getan, um eine weitere Verbreitung des Virus zu verhindern.

Wie hoch ist das Risiko der Ansteckung für Menschen?

Für die allgemeine Bevölkerung schätzt das Friedrich-Loeffler-Institut das Risiko einer Ansteckung als sehr gering ein. In Deutschland ist bislang kein Fall einer Infektion beim Menschen bekannt geworden. Bürger sollten Wildvögel, die schwach, teilnahmslos oder auf andere Weise krank erscheinen, nicht anfassen oder mitnehmen. Wenn es sich dabei um einen wildlebenden Wasservogel, Greifvogel oder Rabenvogel handelt, ist das Tier unter Angabe des Fundorts dem Veterinäramt zu melden. Im Landkreis Reutlingen sind Meldungen per E-Mail an vetamt@kreis-reutlingen.de möglich. Bei Auftreten des Vogelgrippevirus in Nutzgeflügelbeständen besteht ein moderates Ansteckungsrisiko vor allem für Personen mit engem Tierkontakt - etwa Beschäftigte in den betroffenen Betrieben oder Tierärzte. Diese sind durch entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen zu schützen.

Wie ist die Situation in Deutschland und Baden-Württemberg?

In Deutschland kam es in den zurückliegenden Wochen sprunghaft zu vermehrten Vogelgrippe-Ausbrüchen bei gehaltenem Geflügel und Wildvögeln. Insbesondere melden derzeit mehrere ostdeutsche Bundesländer eine erhöhte Sterblichkeit von Kranichen. Andere wildlebende Wasservogelarten - beispielsweise Enten und Gänse - zeigen unter Umständen geringere Krankheitssymptome einer Vogelgrippe-Infektion, da sie bereits eine Teilimmunität entwickelt haben könnten. In Baden-Württemberg wurde am 23. Oktober im Alb-Donau-Kreis in einem größeren Geflügelbetrieb in Öllingen das hochpathogene aviäre Influenzavirus vom Subtyp H5N1 nachgewiesen. (GEA)