REUTLINGEN. Es beginnt und endet mit »Zeig mir den Himmel«. Aber wer fordert das und wie sieht dieser Himmel aus? Das ändert sich im Musical »Sister Act« im Verlauf von drei Stunden. Auf höchst unterhaltsame Weise, mit Disco und Soul, Gags und Ideen. Und das bei jedem Wetter. Das hat die teilweise verregnete Wiederaufnahme des Hits von 2023 am Samstag im Naturtheater Reutlingen (NTR) gezeigt.

Zu Beginn steht Nachtclubsängerin Deloris van Cartier im roten Paillettenfummel mit Afro-Mähne im Scheinwerferlicht zwischen den schönen hohen Buchen im Wasenwald. Flankiert wird die lebenslustig-freche Soulröhre von zwei so stimmkräftigen wie lasziven Backgroundsängerinnen, als sie ihrem Lover, Nachtclubchef Curtis LaRocca, die Idee fürs neue Programm vorstellt. Links von ihr liegt die Welt dieses brutalen Gangsters, der sie kleinhalten will und schließlich von seinen treu-doofen Vasallen jagen lässt; rechts das Reich von Deloris' Bewunderer aus Jugendtagen, Polizeichef Eddie Fritzinger, der sie schützen möchte - und dazwischen die Möchtegern-Donna-Summer selbst. Bis sie sich als Zeugin eines Mordes verstecken muss. Im Kloster. Da werden Bühnenmitte und Emporen zum Kirchenraum und Refektorium mit Beichtstuhl und Kreuzgang darüber. Wie im gleichnamigen Kinofilm von 1992 mit Whoopi Goldberg, mischt auch die Reutlinger Deloris im Schwesterngewand dieses Refugium der Enthaltsamkeit und Ehrfurcht bald mächtig auf.
Das Stück um schönen Schein versus Schwesternschaft strotzt vor spritziger Sprach- und Situationskomik. Die Songs des oscargekrönten Alan Menken (»Arielle«, »Aladdin«, »Pocahontas«) reißen mit. Auch wenn die Musik vom Band zum Teil so laut war, dass die Solo-Stimmen untergingen - Gesang, Tanz und Mimik von Claudia Schickler als Deloris sind großartig. Neben Désirée Giarrizzo als zweifelnder Novizin stechen Julia Kars und Carolin Lamparter als stimmgewaltige Glitzer-Tussis ebenso wie als schräge Klosterschwestern in Alexander Reuters Inszenierung hervor. NTR-Vize-Vorsitzende Susanne Hammann zeigt eine facettenreiche Mutter Oberin und Roger Gaag verleiht dem anfangs verlachten Cop »Schwitzefritze« überraschende Verve. Holger Schlosser füllt den fiesen Curtis perfekt aus. Seine »Jungs«, allen voran Vincent Knupfer mit Vokuhila und tätowierten Muckis, bieten umjubelte Slapstickeinlagen.
Die nächsten Termine
»Sister Act« zeigt das Naturtheater Reutlingen wieder am Samstag, 15., 22. und 29., sowie Freitag, 28. Juni, jeweils 20 Uhr. Karten im Vorverkauf gibt es unter anderem in der NTR-Geschäftsstelle (Carlo-Schmid-Straße 50) und im GEA-Service-Center (Burgstraße 1-7), online unter karten@naturtheater-reutlingen.de, und an der Theaterkasse jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn.
Als Kinderstück hat am Freitag, 21. Juni, 20 Uhr »Hurra, die Olchis kommen!« Premiere. (GEA)
Ein tolles Team, das schon vorab Lob von höchster städtischer Stelle erfuhr: OB Thomas Keck hob zur Eröffnung der Wasenwald-Festspiele 2024 »Talent, Kreativität, Ausdauer und Disziplin« der rund 150 Ehrenamtlichen hervor. Und während »Sister Act« mit dem Segen von höchster kirchlicher Seite endet - selbst der Papst groovt mit beim Konzert des Nonnenchors -, zeigt das Reutlinger Premierenpublikum seine Begeisterung mit Ovationen im Stehen. Dazwischen vereinen sich zeitweise Realität und Fiktion, wenn der Monsignore (ebenfalls überzeugend: Ingo Raiser) seine »wenigen, aber wackeren Schäfchen« zum Spendensammeln aufruft. Das Naturtheater hat zwar treue Fans, bittet aber ebenfalls um Unterstützung. Zur Finanzierung des neuen Betriebsgebäudes. (GEA)