REUTLINGEN. Mit dem Segen des Gemeinderates ist die Verwandlung der Christuskirche einen wesentlichen Schritt weiter. Einstimmig hat das Stadtparlament am Donnerstagabend den Bebauungsplan gebilligt. Auf dieser Grundlage wollen die Evangelische Gesamtkirchengemeinde, der Diakonieverband und die BruderhausDiakonie aus dem Gotteshaus in der Tübinger Vorstadt ein Diakonisches Zentrum mit Beratungsangeboten, Büros, Wohnungen und Begegnungsstätten machen. Zur Umsetzung des Vorhabens haben viele Menschen in öffentlichen Bürgerwerkstätten miteinander gearbeitet. Mehrere Gemeinderäte lobten die Kirche für ihr umfassendes Bemühen um Beteiligung. Allgemein herrscht Erleichterung darüber, dass der Christuskirche das Schicksal eines anderen ehemaligen Gotteshauses erspart bleibt.
Kirche mit Vergangenheit und Zukunft
Die evangelische Christuskirche ist in der Tübinger Vorstadt, aber auch für die ganze Stadt, ein wichtiges und wegweisendes Gebäude. Im Dritten Reich bewusst als »Christuskirche« gebaut und 1936 fertiggestellt, ist sie ein Monument des Glaubens und des Widerspruchs gegen jede Form von Rassismus und totalitärer Herrschaft. Als Kirche war sie von Anfang an ein Ort der Begegnung und des Miteinanders, ein Ort der Musik und Kunst. Und das soll auch im 21. Jahrhundert so bleiben und weiter ausgebaut werden. Und zwar so, dass aus der Christuskirche das »Diakonische Zentrum Christuskirche« wird. Geplant sind ein Umbau der Christuskirche und der Neubau zweier Gebäude auf dem Gelände. Viele Pläne und Hintergründe stellt die Kirche ausführlich im Netz vor. (pr)
www.diakonisches-zentrum-christuskirche.de
Stadtplaner Stefan Dvorak spricht vielen im Ratssaal aus der Seele, als er bei der Vorstellung des »Bebauungsplanes Benzstraße/Lohmühlenstraße/Gminderstraße« sagt, die Christuskirche werde »definitiv keine Leonhardskirche«. Denn während dieses Holzgebäude seit Jahren nutzlos verfällt, wird in der Tübinger Vorstadt ein Stück Zukunft der Kirche umgesetzt. Genau das hat Dekan Marcus Keinath immer wieder klar gesagt: Für eine geschrumpfte Gemeinde ist die Christuskirche überdimensioniert. Um sie als Kulturdenkmal zu sichern, soll sie sich nützlich machen. Keinath hat auf Kritik stets konstruktiv reagiert - aber niemals den Eindruck vermittelt, alles könne so bleiben, wie es ist. Jetzt sitzt er auf der Zuschauertribüne, während Dvorak städtebauliche Details ausbreitet.
Auf der Leinwand erscheinen Teile der Entwürfe der a + r Architekten (Ackermann und Raff) aus Tübingen, die damit einen Architektenwettbewerb gewonnen haben, weil sie diverse Zielkonflikte lösen. So wird neben der Anmutung der Christuskirche auch der kleine Park davor erhalten bleiben. Trotzdem ermöglichen innere Umbauten sowie drei Neubauten völlig neue und wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsgelegenheiten. Anfang 2025 soll mit dem Bau begonnen werden. Die Eröffnung ist für 2026 vorgesehen.
Zur Erinnerung: Beratungs- und Gruppenräume werden im hinteren Bereich der Kirche eingebaut. Die Seitenschiffe beherbergen ein Café und Angebote der Diakonie. Das Mittelschiff und der Altarraum bleiben für Gottesdienste, Konzerte und Veranstaltungen erhalten. Im Osten der Kirche entstehen drei Quadrat-Häuser, die sich um einen Kirchhof gruppieren. Hier ist Platz für 18 Wohnungen, die entweder von der BruderhausDiakonie genutzt werden, oder an Menschen mit wenig Geld und Chancen auf dem Wohnungsmarkt vermietet werden sollen. Gegen die Pläne für das Diakonische Zentrum hat es einige Widerstände gegeben, von denen Dvorak nur noch Sorgen um die Verkehrslage in der Tübinger Vorstadt erwähnt. »Die Stadtverwaltung wird im Rahmen eines Mobilitätskonzeptes Lösungen entwickeln«, verspricht der Stadtplaner. Die Fraktionen des Gemeinderates ziehen nacheinander eine zufriedenstellende Bilanz des über drei Jahre währenden Planungsprozesses.
»Es war gut, dass es die Bürgerbeteiligung gab«
»Es war gut, dass es die Bürgerbeteiligung gab«, sagt Ramazan Selçuk (SPD), »Hauptthema war ja der Park vor der Christuskirche«. Während die Leonhardskirche »ein Trauerspiel« sei, sieht der Sozialdemokrat durch das Diakonische Zentrum »eine deutliche Aufwertung des Stadtteils«. Auch Gabriele Janz (Grüne) lobt den »beispielhaften Beteiligungsprozess«. Besonders ist nach ihren Worten der Erhalt eines Kulturdenkmals mit neuer Nutzung. »Wir bedanken uns für das hohe Maß an Sensibilität, mit der das Projekt durchgeführt wurde«, meint Gabriele Vohrer (FDP). Christdemokratin Elisabeth Hillebrand spricht von »einer Gewinnsituation für alle Beteiligten«.
»Toll«, bringt Erich Fritz (FWV) das Fazit seiner Fraktion in einem Wort unter. »Die Sache lief ja etwas holprig an«, ergänzt Fritz, »aber dann ist die Kirche massiv in die Bürgerbeteiligung eingestiegen«. Professor Jürgen Straub (WiR) schließt sich seinen Vorrednern an, betont allerdings die Bedeutung des ausstehenden Mobilitätskonzeptes, dessen Kosten AfD-Stadtrat Hansjörg Schrade abfragt. 40.000 Euro schätzt Stadtplaner Dvorak - für die gesamte Tübinger Vorstadt. Die vorletzten lobenden Worte findet der Linke Rüdiger Weckmann. Schließlich freut sich Oberbürgermeister Thomas Keck über die einstimmige Zustimmung zum Bebauungsplan: »Wird eine schöne Sache.« (GEA)
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