Logo
Aktuell Nachruf

Ehemaliger Ärztlicher Direktor der Reutlinger Klinik: Heinrich Geisbe gestorben

Professor Dr. Heinrich Geisbe war zehn Jahre Ärztlicher Direktor und 23 Jahre Leiter der Chirurgie am Kreiskrankenhaus Reutlingen. Nun ist er mit 89 Jahren gestorben.

Das Klinikum am Steinenberg Reutlingen
Das Klinikum am Steinenberg. Foto: KLINIKEN
Das Klinikum am Steinenberg.
Foto: KLINIKEN

REUTLINGEN. Der Name Heinrich Geisbe ruft nur positivste Erinnerungen hervor. Bei ehemaligen Chefarzt-Kollegen wie bei Ärzten, die ihn als Chef erlebten. Umso trauriger sind nun neben den Angehörigen die beruflichen Weggefährten und viele weitere Menschen, dass der langjährige Medizinische Leiter und Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Reutlinger Kreisklinikums - wie erst jetzt bekannt wurde - am 17. September im Alter von 89 Jahren gestorben ist.

Am 21. Februar 1935 im thüringischen Eisleben geboren, hatte Geisbe 1958 das medizinische Staatsexamen mit Promotion abgelegt. Noch vor dem Mauerbau verließ er die damalige DDR: Die fachchirurgische Ausbildung folgte 1960 und 1961 im westfälischen Wattenscheid. Dann führte sein Lebensweg ins Schwäbische: Am 1. Juli 1961 begann Geisbe an der Chirurgischen Universitätsklinik Tübingen, wo er bei Hofrat Walter Dick sein chirurgisches Handwerk perfektionierte und 1967 mit einer experimentellen, klinischen Studie über die Ursachen und Entstehungsbedingungen der sogenannten Trichterbrust habilitierte. 1972 stieg er zum leitenden Oberarzt auf und wurde 1973 zum Professor für Chirurgie ernannt.

Chefarzt der Chirurgie in Reutlingen von 1977 bis 2000

Zum 1. April 1977 wechselte der verheiratete Vater zweier Töchter mit 42 Jahren an den Reutlinger Steinenberg. Am Kreiskrankenhaus Reutlingen trat er als Chefarzt der Allgemeinchirurgie die Nachfolge von Dr. Siegwald Christner an. Dr. Wilhelm Dürr aus Sickenhausen arbeitete insgesamt 40 Jahre in der Chirurgie und leitete unter Geisbe die Reutlinger Unfallchirurgie. Der 92-Jährige sagt, er habe in seinem ganzen Leben keinen besseren Chirurgen kennengelernt. Nicht nur weil der als »Urvater der Reutlinger Urologie« geltende Mediziner fachlich hervorragend war und vielen Menschen das Leben gerettet hat. Sondern weil er »auch in menschlicher Hinsicht eine äußerst beeindruckende und prägende Persönlichkeit« gewesen ist, erklärt die Gynäkologin Dr. Marlene Kaiser, die Ende der 1970er fünf Jahre als Assistenzärztin mit Geisbe zusammengearbeitet hat: ein »sehr großes Vorbild«. Auch als Chefarzt habe er sich »gerne auf Augenhöhe der Patienten begeben«.

Heinrich Geisbe war ein durch und durch internistisch denkender Chirurg - und Glücksfall für die Reutlinger Kreiskliniken. FOTO: USCHI PACHER/ARCHIV

1984 hat Internist Professor Bernd Braun Professor Dr. Heinrich Geisbe kennengelernt. »Es ist selten, dass solch ein exzellenter Operateur kein chirurgisches Gehabe kennt, sondern die internistische Denkweise schätzt«, sagt er. Die Innere Medizin und die Chirurgie näherten sich unter der Ägide des begeisterten Seglers an. Jener sei in jeder Hinsicht ein Glücksfall für Reutlingen gewesen: Er habe dem Klinikum und der Umgebung »wahnsinnig gutgetan« mit seiner komplikationsarmen und zügigen Art zu operieren.

Aufopferungsvoller Arzt, Wissenschaftler und Ehemann

Am Ende seiner Amtszeit litt er allerdings unter der um die Jahrtausendwende eingeführten Ökonomisierung der Medizin, die »oft nicht mehr ethisch vertretbar war«. Das war Geisbe »ein Dorn im Auge«, erzählt Braun. So organisierte er im April 2000 zum Renteneintritt mit 65 Jahren statt eines Festakts ein Symposium - und kam nach seinem letzten Arbeitstag wegen unerwarteter Blutungen nach der Entfernung eines Magenkarzinoms nachts selbstredend nochmal an den Ort seines 23-jährigen Wirkens, um die Komplikation selbst zu bereinigen. »So diszipliniert bis zu seiner letzten Stunde« - dafür zollt ihm Braun höchsten Respekt.

Zudem sei Geisbe ein »ganz besonnener Mensch« gewesen, klug und gebildet. Als Rentner zog er von der Reutlinger Achalm nach Tübingen, wo er sich rührend um seine bald schon schwer erkrankte Frau gekümmert hat. 2001 würdigte ihn die Bezirksärztekammer Südwürttemberg als herausragenden Arzt, Wissenschaftler und Staatsbürger und zeichnete ihn für »seinen aufopferungsvollen und unermüdlichen Einsatz« mit der Wilhelm-Griesinger-Medaille aus. (GEA)