REUTLINGEN-OFERDINGEN. So viel Blaulicht im Blut ist außergewöhnlich. Ganz gleich, wen man in den Familien Linhart oder Pregizer fragt – alle machen ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr Oferdingen mit. Die ganz Kleinen sind gänzlich begeistert in der Kinderfeuerwehr, ältere Geschwister bereichern die Jugendwehr, junge Erwachsene und natürlich auch Väter und Mütter dienen der Allgemeinheit in der Einsatzabteilung. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Notfall im Flecken irgendeiner von diesen Feuerwehr-Familien mit vor Ort ist, scheint so sicher wie das Amen in der Kirche.
Dienstältester ist mit 45 Jahren im Blaurock Edgar Pregizer, dessen Karriere ganz typisch scheint. 21 Jahre war er Jugendgruppenleiter sowie zwei Jahrzehnte stellvertretender Abteilungskommandant. Um den jugendlichen Nachwuchs kümmert sich jetzt seine Frau Kathrin Pregizer, die gleichzeitig auch noch den Posten der Frauenbeauftragten der Reutlinger Feuerwehr insgesamt bekleidet. Ihr jüngerer Bruder Benjamin ist, niemand braucht zu raten, natürlich auch bei den Floriansjüngern. Was die Eltern als Vorbilder leisten, hat auch auf die Kinder abgefärbt.
Christian Pregizer (11) sowie sein Bruder Frieder (13) haben »großen Spaß an den Übungsdiensten« der Jugendfeuerwehr. Mit der Kübelspritze oder anderen Löschmitteln gehen die Jungs routiniert um. Gelernt haben sie schon eine Menge, etwa den perfekten vorschriftsmäßigen Umgang mit Bränden und Wasserschläuchen. Til und Max Linhart (7 und 9) begeistern die Unternehmungen der Kinderfeuerwehr. Das Bootfahren auf dem Neckar mit den Jungs findet Kira Linhart (15) sehr lustig, »da nicht immer alle trocken bleiben«. Noch tragen die ganz Jungen die rote Kappe der Kinderfeuerwehr, aber sie träumen von einer Karriere als richtiger freiwilliger Feuerwehrmann.
Diesen Weg ist Jana Linhart schon erfolgreich gegangen. Die 19 Jahre alte Frau strahlt vor Begeisterung in ihrer passgenau sitzenden Einsatzhose. Für solche korrekte Einsatzkleidung hat die Frauenbeauftragte Kathrin Pregizer gesorgt. Absolut erwachsen klingt das, was Jana Linhart über ihre Motive fürs Ehrenamt erzählt: »Ich finde in der Feuerwehr ist die Kameradschaft ein wichtiger Bestandteil. Man hält zusammen, hilft sich gegenseitig«, formuliert sie druckreif. Auf Nachfrage meint sie lächelnd, sie könne natürlich auch »mit den Jungs in der Feuerwehr auf jeden Fall Spaß haben«.
ZWEI SÄULEN MODELL
Die Feuerwehr Reutlingen setzt sich aus einer Abteilung Berufsfeuerwehr und dreizehn freiwilligen ehrenamtlichen Abteilungen zusammen. Gemeinsam bilden sie ein partnerschaftliches, gleichberechtigtes zwei Säulen Modell. Dies spiegelt sich auch im Einsatzdienst und in den Zahlen wider: Die Berufsfeuerwehr hat aktuell 88 Mitglieder, dazu kommen 494 Ehrenamtliche. Die Freiwillige Feuerwehr ist in entfernten Teilorten wie Oferdingen oder Mittelstadt oft zuerst am Einsatzort. Während der Arbeitszeiten unter der Woche wird meist die Berufsfeuerwehr entsendet. Am Wochenende und in den Abend- und Nachtstunden je nachdem die Freiwillige Feuerwehr. (zen) www.fwrt.org
»Man profitiert von der Allgemeinheit und muss auch etwas für sie tun«, betont Edgar Pregizer den Hauptgrund für sein Engagement, womit er für alle aus den Familien spricht. Wobei es die Reutlinger insgesamt geschafft haben, junge Menschen von Kindesbeinen an für den Feuerwehrdienst zu begeistern. »Im gesamten Stadtgebiet ist die Kinderfeuerwehr so gut wie voll«, freut sich Kathrin Pregizer. Bei den Oferdinger Feuerwehrfamilien führt das zu einem einfach zu merkenden Terminkalender für alle.
Immer am Freitag üben im Feuerwehrhaus nacheinander Kinder, Jugendliche und die erwachsenen Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner. Von Spaß und Spiel über zunehmend ernstere Einsatzregeln und Technik bis hin zur praktischen Vorbereitung auf Notfälle aller Art reicht das Spektrum. »Mein erster Einsatz war der Großbrand bei einer Zimmerei in Riederich«, erinnert sich Jana Linhart, »da war ich sehr froh, dass mein Papa mitgefahren ist.« Die Aufgabe der zierlichen Frau liest sich nicht nur anstrengend, sondern war es auch: »Nachlöscharbeiten unter Pressluftatmer. Da war ich echt fertig – und überzeugt das Richtige zu tun.«
Auch den anderen Familienmitgliedern oder engen Verwandten ist ihre Feuertaufe unvergesslich. Edgar Pregizer war einer von denen, die in der Silvesternacht 1980 eine brennende Scheune löschten, was zwei Tage dauerte. Benjamin Linharts Premiere stellte »ein Wohnungsbrand in Mittelstadt« dar. Timo Linhart erinnert sich an den »Großbrand bei Unomat«. Wobei jeder einzelne Einsatz zugleich auch den besonderen Charakter des ehrenamtlichen Dienstes bei der Feuerwehr deutlich mache, »es ist immer eine Teamleistung. Es gibt keine Einzelkämpfer«.
Herausfordernd sei es zudem, sagen alle, »niemals zu wissen, was einen erwartet«. Was die Bereitschaft von Arbeitgebern betrifft, ehrenamtliche Feuerwehrleute im Alarmfall gehen zu lassen, haben die Familien überwiegend erfreuliche Erfahrungen gemacht. Wobei beispielsweise Timo Linhart in solchen Fällen nur sein Spiegelbild fragen müsste, weil er selbstständiger Zimmerermeister ist. Um die Zukunft der Reutlinger Feuerwehr machen sie sich keine Sorgen. Klar werde auch in diesem Bereich städtischer Daseinsvorsorge mit spitzen Stift gerechnet, »aber an einsatzrelevanten Dingen wird nicht gespart«. (GEA)


