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Dr. Carl-Gustav Kalbfell hat Lust am Gestalten

Dr. Carl-Gustav Kalbfell (FDP) im Wahlkampfmarathon: Per Bürgerumfrage sammelt er Ideen und Sympathien

Carl-Gustav Kalbfell beim Gespräch mit Bürgern in Oferdingen.  FOTO: TRINKHAUS
Carl-Gustav Kalbfell beim Gespräch mit Bürgern in Oferdingen. FOTO: TRINKHAUS
Carl-Gustav Kalbfell beim Gespräch mit Bürgern in Oferdingen. FOTO: TRINKHAUS

REUTLINGEN. Ortstermin in Oferdingen, Temperaturen um den Gefrierpunkt. Zum Glück brennt im Kessel des Oberbürgermeisterkandidaten ein wärmendes Feuer. Etwa ein Dutzend Bürger schart sich um Dr. Carl-Gustav Kalbfell, der vorsorglich ein Styroporbrett als Unterlage mitgebracht hat, damit die Kälte nicht zu schnell durch die Sohlen seiner braunen Lederschuhe kriecht. An diesem Tag hat er bereits einen seiner »feurigen Bürgertreffs« hinter sich und weitere folgen – sich jetzt, mitten in der heißen Phase des Wahlkampfs einen Schnupfen zu holen, wäre fatal.

Schnell wird klar, dass es dem gebürtigen Reutlinger Ernst ist mit dem Angebot, die Menschen kennenzulernen mit ihren Nöten, Sorgen und Wünschen. Statt zu einer langen Rede anzusetzen, zückt der 41-Jährige ein Notizbuch. Dort vermerkt er akribisch alle Fragen, die ihm die Oferdinger zutragen, um anschließend zu jeder Einzelnen mit schwäbischem Zungenschlag seine Meinung kundzutun – etwa zu Baupreisen und Wohnungsnot, Schulsituation und Kinderbetreuung und dem Ruf der Bezirksgemeinde nach einem offenen Ohr im Reutlinger Rathaus. »Ich bin der Einzige, der eine richtige Bürgerumfrage gestartet hat«, betont der studierte Jurist und Bürgermeister in Leinfelden-Echterdingen. Mehr als 100 Postkarten mit Anregungen habe er schon eingesammelt, erzählt er freudestrahlend.

»Die Leute finden gut, dass sie gefragt werden. Und ich finde gut, dass sich viele ihrer Themen mit dem decken, was mir wichtig ist: zum Beispiel die Verkehrsprobleme zu lösen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.«

»Zielstrebig und ehrgeizig war er schon immer«

Kalbfell redet gestikulierend und mit Körpereinsatz, so gut es der dicke schwarze Parka und die klammen Finger zulassen. Ein etwas älterer Mann wirft diskret frische Scheite in die Feuertonne: Carl-Gustav Kalbfells Vater Gustav unterstützt die Wahlkampftour durch die Orts- und Stadtteile zusammen mit einem Reutlinger Freund aus Kindertagen ganz praktisch hinter den Kulissen. »Zielstrebig und ehrgeizig war er schon immer«, sagt er über seinen Sohn. Schon mit 15 habe er sich während eines Schüleraustauschs in Kanada entschlossen, in die Politik zu gehen: »Als er auf dem Stuhl des Präsidenten Platz nehmen durfte.« Für die Familie, die aus lauter Selbstständigen und Unternehmern bestehe, sei das eher ungewöhnlich.

Nicht verwandt: Beim Mutscheln traf OB-Kandidat Kalbfell auf Ingrid Savary, Tochter des früheren Reutlinger OB Oskar Kalbfell.
Nicht verwandt: Beim Mutscheln traf OB-Kandidat Kalbfell auf Ingrid Savary, Tochter des früheren Reutlinger OB Oskar Kalbfell. FOTO: PRIVAT
Nicht verwandt: Beim Mutscheln traf OB-Kandidat Kalbfell auf Ingrid Savary, Tochter des früheren Reutlinger OB Oskar Kalbfell. FOTO: PRIVAT

Geld sei jedenfalls nicht seine Motivation, sagt Carl-Gustav Kalbfell. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Jurastudium hätte er sich auch eine Karriere als Richter oder Rechtsanwalt aussuchen können. »Ich habe mich bewusst für die Verwaltung entschieden. Denn Verwaltung ist Gestaltung.« Ihn reize das Machen, das Entscheiden und Diskutieren. Und die enorme Bandbreite an Themen, mit denen man es in einer Stadtverwaltung tagtäglich zu tun habe. »Das wird nie langweilig oder Routine.«

Wie es ist, als Bürgermeister für so unterschiedliche Themen wie Schulen, Jugend, Vereine, Soziales, Kultur, Museum, Ordnung und Volkshochschule verantwortlich zu sein, hat Kalbfell seit 2015 erfahren. In der 40 000-Einwohnerstadt Leinfelden-Echterdingen ist er Chef von knapp 400 Mitarbeitern und für ein Budget von fast 40 Millionen Euro verantwortlich. Die Stadtverwaltung Reutlingen ist mit 2 500 Mitarbeitern ein noch größeres Kaliber. »Da braucht man Verwaltungserfahrung und Kompetenz. Ich mache Reutlingen da ein interessantes Angebot«, findet der Kandidat.

In seiner Wahlkampfbroschüre tritt er zwar enthusiastisch, aber auch bescheiden auf: Sich als der »Jüngste im Bunde« – so seine eigenen Worte – mit nur elf Jahren Berufspraxis für den OB-Posten zu bewerben, sei ein gewagtes Unterfangen, steht da. »Bestimmt mangelt es mir noch in vielerlei Hinsicht an Erfahrung und Reife«, räumt er dort ein. Gleichzeitig führt er sein Alter zusammen mit seiner fachlichen Kompetenz und Erfahrung aber auch als entscheidendes Argument für seine Wahl an: Mit seinen 41 Jahren könne er Reutlingen eine Perspektive bieten. »Um längerfristige Dinge zu bewegen und zum Abschluss zu bringen, braucht es mehr als eine Amtsperiode«, betont er und führt Projekte wie die Regionalstadtbahn oder die Südumfahrung Orschel-Hagens ins Feld.

DER KANDIDAT

Dr. Carl-Gustav Kalbfell, FDP

Geboren: 22. Mai 1977 Wohnort: Leinfelden-Echterdingen Familienstand: verheiratet, drei Kinder (zwei aus erster Ehe) Konfession: evangelisch-methodistisch Beruf: Bürgermeister, promovierter Volljurist Bevorzugtes Verkehrsmittel: S-Bahn, Bus, Fahrrad, Auto Aktuelle Lektüre:Steve Jobs – Biografie von Walter Isaacson Lieblingsmusik: Italienische Oper, »Buongiorno a te«, Luciano Pavarotti Lieblingsfilm: »Zurück in die Zukunft«-Trilogie; »Das Streben nach Glück« Lieblings-App: Wetter App Hobbys: Imkerei, Kunst, Kultur, Radfahren, Schwimmen Vorbilder: John F. Kennedy

Gleich nachdem OB Barbara Bosch im Sommer verkündet hatte, dass sie nicht mehr zur Wahl antreten wird, hatten die Reutlinger Liberalen Carl-Gustav Kalbfell als Wunschkandidaten für den OB-Posten benannt. Im Wahlkampf selbst halten sich die Parteigenossen zurück: »Dies ist eine Persönlichkeitswahl, da ist es wichtig, parteiunabhängig zu sein. Auch das Amt muss überparteilich geführt werden«, ist der Bürgermeister überzeugt.

»Man muss im Leben auch mal bereit sein,ein Risiko einzugehen«

Zur FDP zieht es ihn unter anderem, weil er ein »liberal denkender Geist« sei. Er sei für möglichst wenig Vorschriften. »Ich habe einen eigenen Kopf. Wenn ich von etwas überzeugt bin, kann ich mich auch dafür einsetzen«, beschreibt sich der Kandidat selbst. In der Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat sieht er sich als Mittler und Lenker. Als OB habe man die Pflicht, sich eine klare Position zu erarbeiten, müsse aber auch die Bereitschaft mitbringen, Kompromisse zu machen.

Sein Vater hilft beim Wahlkampf, die Mutter passt auf die Tochter im Kindergartenalter auf, seine Frau ist auf den Fotos der Broschüre und Webseite präsent: »Meine Familie und ich, wir wissen, worauf wir uns mit der Kandidatur eingelassen haben«, sagt Kalbfell. Dass er gezögert habe, seinen Hut gleich nach Bekanntwerden von Barbara Boschs Rückzug in den Ring zu werfen, hänge vor allem mit seinen derzeitigen Aufgaben zusammen. »Ein Wahlkampf ist ein Marathon. Ich wollte meine Pflichten in meinem jetzigen Amt nicht vernachlässigen und mich in Ruhe vorbereiten.«

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich Kalbfell aus Leinfelden-Echterdingen wegbeworben und um den heiß begehrten Chefsessel im Pforzheimer Sozialdezernat gekämpft – und eine Schlappe kassiert. »Danach musste ich mich erst mal neu sortieren.« Die Entscheidung, in seinem Geburtsort zu kandidieren, habe er nach positivem Feedback beim Besuch des Weindorfs getroffen. Seit Weihnachten hat er Urlaub, um seine Kandidatur mit Vollgas voranzutreiben. »In der Heimatstadt hat das natürlich einen besonderen Reiz. Von Vorteil ist für mich, dass ich mich durch meine Zeit im Reutlinger Gemeinderat gut auskenne und keine lange Einarbeitungszeit brauche.«

Hat er keine Angst, dass ihm die erneute Bewerbung auf einen anderen Posten im jetzigen Heimatort – im Falle einer Wahlniederlage – übel genommen werden könnte? »Man muss im Leben auch bereit sein, Risiken einzugehen. Dieses ist kalkulierbar. Ich leiste gute Arbeit. So eine Kandidatur ist auch ein Reifeprozess. Man muss sich über die Entwicklung einer ganzen Stadt Gedanken machen und zu allen Themen Antworten finden. Insofern ist meine Kandidatur auch ein Gewinn für meinen jetzigen Posten.« (GEA)

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Video: www.gea.de/videos