Logo
Aktuell Reutlingen

Die Sprachingenieurin

REUTLINGEN. Obwohl die Rhetorik- und Persönlichkeitstrainerin Astrid Göschel für 2009 ausgebucht ist und umfangreiche Seminarvorbereitungen auf dem Plan stehen, hat sie Zeit für eine kurze Atempause in einem Reutlinger Café gefunden. Sie nippt an einem großen Glas Grapefruitsaft und lächelt. Die 33-Jährige ist Deutschlands erste und einzige »Sprachingenieurin« - und wird es wohl auch bleiben, solange sie selbst nichts daran ändert. Denn die Reutlingerin hat sich den Titel vom Deutschen Markenamt schützen lassen.

»Sprache ist ein Werkzeug, das das Leben unglaublich erleichtern kann.« Wer mit Sprache arbeitet, gewinnt Sicherheit
»Sprache ist ein Werkzeug, das das Leben unglaublich erleichtern kann.« Wer mit Sprache arbeitet, gewinnt Sicherheit in vielen Lebenslagen, findet die Rhetoriktrainerin und Autorin Göschel. FOTO: PR
»Sprache ist ein Werkzeug, das das Leben unglaublich erleichtern kann.« Wer mit Sprache arbeitet, gewinnt Sicherheit in vielen Lebenslagen, findet die Rhetoriktrainerin und Autorin Göschel. FOTO: PR
»Trotz Rezessionsjahr ist die Auftragslage gut«, sagt die Wahl-Reutlingerin. Ihr schlichter Perlschmuck und der blaue Hosenanzug strahlen Souveränität aus. Die Vorstellung, dass sie in Großunternehmen Führungskräfte und ganze Abteilungen schult, passt zu ihrem eleganten Erscheinungsbild. Wenn Göschel über ihre Tätigkeit als Sprachingenieurin spricht, fangen ihre blau-grünen Augen an zu leuchten und sie konzentriert sich ganz auf das, was sie sagen möchte.

»Ich bin eine Art Sprach-Feuerwehr, die dort hilft, wo's brennt«

»Sprache ist ein Werkzeug, das das Leben unglaublich erleichtern kann«, sagt sie. »Mein Anliegen ist es, Menschen Hilfsmittel an die Hand zu geben, die sie durch die richtige Kommunikationsstrategie erfolgreicher werden lassen.«

Jahrelang hat Göschel an einem geeigneten Titel für ihre Tätigkeit getüftelt. Mit dem Ergebnis ist sie sehr zufrieden: »Sprachingenieurin« - das war schließlich die Bezeichnung, die treffend zusammenfasste, was sie tut. Denn die junge Frau arbeitet hauptsächlich mit Ingenieuren, die oft einen sehr technisch geprägten Wortschatz besitzen. Ingenieure verwendeten mit Vorliebe Worte wie »zum Laufen bringen«, »funktionieren«, »reparieren«. »Steigen sie in Führungsposition auf, ist eine andere Wortwahl gefragt, weil sie nun Menschen führen müssen und nicht in erster Linie mit Maschinen umgehen«, erklärt die Beraterin.

Bevor die Rhetoriktrainerin Seminare in einem Unternehmen gibt, analysiert sie bei Vorgesprächen mit der Geschäftsleitung die Situation. »Ich bin eine Art Sprach-Feuerwehr, die dort hilft, wo's brennt, oder dafür sorgt, dass Präventionsmaßnahmen ergriffen werden«, sagt Göschel. Dabei gehe sie systematisch vor. In Perspektivwechselspielen lernen die Teilnehmer, wie ihre Sprache beim Gegenüber ankommt und wo Konfliktpotenzial besteht. »Selbsterkenntnis und -bewusstsein sind der Schlüssel zum Erfolg.« Das hat die Sprachingenieurin immer wieder beobachtet.

Bei der Drei-Stühle-Methode setzt sich ein Angestellter zunächst auf einen Stuhl und beschreibt, wie er die Situation aus seiner eigenen Perspektive erlebt. Auf dem zweiten Stuhl versetzt er sich in die Rolle seines Gegenübers. Zuletzt nimmt er eine neutrale Position ein und beobachtet die Situation von außen. Auf diese Weise hat sich der Rat Suchende selbst unterschiedliche Perspektiven erarbeitet. Parallel dazu bekommt er ein ausführliches Feedback von den anderen Teilnehmern.

»Zusätzlich stelle ich als Trainerin immer wieder gezielt Fragen, damit er sich seiner selbst bewusst wird«, erläutert Göschel. Dank ihrer zehnjährigen Erfahrung in der Unternehmenskommunikation gelinge es ihr, Denkprozesse in Gang zu setzen, die zum richtigen Umgang mit der Sprache führen. Dabei sei es wichtig, die Worte an die Persönlichkeit des Empfängers anzupassen. Denn die Rhetoriktrainerin plädiert dafür, »mit Sprache Brücken zu bauen« und nicht rücksichtslos seine Interessen durchzusetzen.

»Oft war den Teilnehmern zuvor nicht bewusst, warum sie bei ihrem Gegenüber auf Widerstand gestoßen sind«, berichtet die Sprachtrainerin. Nicht nur im beruflichen Lebensbereich, auch im Privaten habe die Schulung schon zu Erfolgserlebnissen geführt. Merkwürdige Geschichten zum Abschluss sollen das Gelernte unvergessen machen. Regelmäßige Newsletter erinnern zusätzlich an den Workshop und daran, die gewonnene Erkenntnis im Berufsalltag anzuwenden. Damit andere Trainer von ihren Erkenntnisse profitieren können, hat die 33-Jährige letztes Jahr das Lehrbuch »Rhetoriktrainings erfolgreich leiten« veröffentlicht.

»Barack Obama spricht inhaltsstark und ohne Eitelkeit«

Als Trainerin analysiert Göschel automatisch die Rhetorik von Personen des öffentlichen Lebens. Sie lobt den Auftritt des neuen amerikanischen Präsidenten bei seiner Amtseinführung: »Barack Obama spricht inhaltsstark und ohne Eitelkeit und das schätze ich als Rhetorikerin«, sagt sie. »Er wirkt auf mich authentisch und schafft unter anderem durch emotionale Worte wie Kreativität und Moral ein Gefühl von Nähe zu seinem Publikum.«

Obamas Reden seien klar verständlich, konkret in der Sache und er selbst trotz allem bescheiden im Auftreten. Nur wer ein hohes Maß an Selbstreflexion besitze, könne dies leisten. »Wenn wir nicht nur wirken, sondern etwas bewirken wollen, ist das der entscheidende Unterschied«, davon ist die Sprachingenieurin überzeugt. (GEA)

Zur Person Seit dem 16. Lebensjahr begeistert sich Astrid Göschel für Sprache. Sie hat schon früh die große Wirkung von Rhetorik erkannt und ließ sich während ihrer Jugend im bayrischen Amberg von Lehrern mit Fachliteratur eindecken. Nach dem Abitur zog sie nach Tübingen, weil es dort den einzigen Lehrstuhl für Rhetorik gab. Ergänzend zur Rhetorik studierte die heute 33-Jährige deutsche Sprachwissenschaft. Als Wahlheimat hat sich die Sprachingenieurin Reutlingen ausgewählt. (GEA)