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Aktuell Jubiläum

Die Sondelfinger Stephanus-Kirche feiert ihr 750-jähriges Bestehen mit Vielfalt

1960 fand in der Kirche die letzte Amtshandlung statt, sie stand kurz vor dem Abriss. Heute gilt der Sakralbau als herausragendes Kulturdenkmal. Mit fünf Veranstaltungen wird sein Jubiläum gefeiert.

Würdigten die Bedeutung der Kirche (von links) Kurt Ziegler, Mike Schenk und Oberbürgermeister Thomas Keck.
Würdigten die Bedeutung der Kirche (von links) Kurt Ziegler, Mike Schenk und Oberbürgermeister Thomas Keck. Foto: Gabriele Böhm
Würdigten die Bedeutung der Kirche (von links) Kurt Ziegler, Mike Schenk und Oberbürgermeister Thomas Keck.
Foto: Gabriele Böhm

REUTLINGEN-SONDELFINGEN. Fast wäre die Stephanus-Kirche in Sondelfingen abgerissen worden (der GEA berichtete). Doch sie blieb erhalten und kann in diesem Jahr ihr 750-jähriges Jubiläum feiern. Dazu wurde ein buntes Programm für alle entwickelt, das Ortsvorsteher Mike Schenk jetzt vorstellte.

Am 18. Oktober gibt es das Figurentheater Martinshof für Kinder und abends »The Companions« mit Markus Vatter aus Sondelfingen. Weiter geht's am 25. Oktober mit den »Weenies« für junge Leute. Am 26. Oktober spielt das »SoMu- Ensemble«, eine Gruppe von Sondelfingern der Württembergischen Philharmonie Reutlingen. Zwischendurch findet am 26. Oktober noch eine Führung durch die Kirche statt.

Gebäude soll gut genutzt werden

»Es sind die ersten Konzerte, die der Bezirksgemeinderat organisiert«, so Schenk. »Ich wünsche mir, dass sich solche Veranstaltungen wiederholen. Denn das Beste, was einem Gebäude passieren kann, ist die Nutzung.« Aktuell dient die Kirche jährlich über 80 Trauungen, Konzerten, Matinees oder Vereinsveranstaltungen. Hinzu kommen Aussegnungen.

Während für die Gäste die Jubiläumsveranstaltungen kostenfrei sind (»mit Hut«), fallen dennoch Gebühren wie zum Beispiel für die GEMA an. Dafür wird eine ganz besondere Kasse verwendet, die Kurt Ziegler hütete und jetzt zur Verfügung stellt. »Sie baute sich durch den Freundeskreis der Stephanus-Kirche auf, in dem auch mein Vater Heinz Ziegler Mitglied war und sich leidenschaftlich für das Kleinod einsetzte.«

Unter anderem gab Heinz Ziegler zusammen mit Thomas Braun (Kulturamtsleiter von Bad Urach) im Jahr 2001 das Heft »Die Stephanus-Kirche in Sondelfingen und ihre Wandmalereien« heraus. Heinz Ziegler starb 93-Jährig vor anderthalb Jahren, sein Sohn führt mit der Spende sein Vermächtnis fort.

Kulturdenkmal mit besonderer Bedeutung

»Die Stephanus-Kirche ist weit mehr als ein Gebäude«, betonte Oberbürgermeister Thomas Keck und meinte »Wenn Mauern sprechen könnten!« Aus einer ursprünglich recht kleinen Kirche von nur sechs mal sechs Metern entstand das heutige Gotteshaus. »Seine Fresken verdeutlichten biblische Geschichten für alle, die nicht lesen konnten.« 1997 habe das Landesdenkmalamt die Stephanus-Kirche völlig zu Recht zum Kulturdenkmal mit besonderer Bedeutung erklärt - nach der gründlichen Renovierung.

Eine Seltenheit ist die bemalte Decke der Stephanus-Kirche.
Eine Seltenheit ist die bemalte Decke der Stephanus-Kirche. Foto: Gabriele Böhm
Eine Seltenheit ist die bemalte Decke der Stephanus-Kirche.
Foto: Gabriele Böhm

Die Künstlerin Ulrike Franz war bei der Restaurierung dabei

An sie erinnert sich Ulrike Franz bis heute lebhaft. »Das war sehr spannend damals«, sagt die Künstlerin. Sie wohnte während der Restaurierung der Stephanus-Kirche 1979/81 in ihrem Elternhaus in Sondelfingen - sozusagen um die Ecke. Viele Jahre hatte sie mit großem Interesse die Restaurierungen der Wandmalereien verfolgt, die 1971 entdeckt worden waren. Als sie 1980 ihr Abitur in der Tasche hatte, beschloss sie, sich dem damaligen Restaurator Lothar Bohring aus Kirchheim vorzustellen und ihre Mithilfe anzubieten. Damals stand auch noch der eigene Berufswunsch als Restauratorin im Raum.

»Ich durfte mitarbeiten, aber natürlich nur, soweit ich das als Hilfskraft konnte. Ich füllte von Juli bis September mit dem Spachtel die sogenannten Piklöcher in den Wänden auf. Sie waren im 18. Jahrhundert den Putz geschlagen worden, damit der neue Kirchenputz besser hielt. Dabei hatte man auch rücksichtslos einen Teil der Fresken zerstört. Nun ging es darum, den Putz vorsichtig und fachgerecht auszubessern, um darauf auch die Fresken in kleinen Teilen zu rekonstruieren.«

Üppig mit Wellenlinien verziert ist die Kirchendecke.
Üppig mit Wellenlinien verziert ist die Kirchendecke. Foto: Gabriele Böhm
Üppig mit Wellenlinien verziert ist die Kirchendecke.
Foto: Gabriele Böhm

Eine besondere Überraschung wartete 1980 bei der Öffnung der Kirchendecke. Diese sei damals eine unspektakuläre, geschlossene Fläche gewesen. Niemand habe geahnt, was für Schätze darunter verborgen waren. »Es war eine absolute Überraschung, als wir die Deckenbalken und – bretter und ihre wundervolle, bunte Bemalung mit Pflanzen und parallelen Wellenlinien in weiß, schwarz, rot und gelb sahen«, sagt Ulrike Franz. »Sie nahmen die Farbigkeit der Wandmalereien auf.«

Fachleute kamen und staunten

Man habe es kaum erwarten können, die ganze Decke erleben zu können. Fachleute wie Denkmalpfleger und Kunsthistoriker seien gekommen, um sich die Sensation anzusehen. »Wir alle waren Feuer und Flamme.«

Das Erlebnis bestärkte Ulrike Franz darin, Kunstgeschichte zu studieren. »Es motiviert einen sehr, wenn im eigenen Ort so etwas Spektakuläres entdeckt wird.« Sie forschte in Archiven weiter über ihre Heimatkirche und veröffentlichte ihre Ergebnisse 1989 im Sondelfinger Heimatbuch.

Lange Zeit ahnte niemand, welche Schätze in der Stephanus-Kirche verborgen waren.
Lange Zeit ahnte niemand, welche Schätze in der Stephanus-Kirche verborgen waren. Foto: Gabriele Böhm
Lange Zeit ahnte niemand, welche Schätze in der Stephanus-Kirche verborgen waren.
Foto: Gabriele Böhm

Sehr dankbar sei man dem damaligen Vize-Bezirksbürgermeister Heinz Ziegler gewesen, der sich, ebenso wie Ulrikes Mutter Hilde Franz und viele andere, für den Erhalt der Kirche eingesetzt hatten. »Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn die Malereien verloren gegangen wären.« Nicht zuletzt hatte die Kirche für die Familie auch eine hohe emotionale Bedeutung, da dort viele kirchliche Feiern stattgefunden hatten. Vor zwei Jahren wurde auch die verstorbene Künstlerin Hilde Franz dort ausgesegnet, denn die Kirche hatte inzwischen eine neue Bedeutung bekommen. Dort finden zwar keine Sonntagsgottesdienste mehr statt, sie wird aber für Trauerfeiern genutzt und ist sehr beliebt bei Brautpaaren. Auch kulturelle Veranstaltungen wie Ausstellungen und Konzerte finden dort statt. (GEA)