REUTLINGEN. Vor 115 Jahren hat französische Journalist und Autor Gaston Leroux seine Grusel-Krimi-Liebesgeschichte »Das Phantom der Oper« verfasst. Vielfach adaptiert, fesselt die Story des entstellten Genies Erik, das in der Unterwelt der Pariser Oper lebt, und der hübschen, begnadeten Sängerin Christine, die Zuschauer und -hörer bis heute.
In der Reutlinger Stadthalle kam die Fassung von Deborah Sasson und Uwe Kröger auf die Bühne, die seit vielen Jahren durch Europa tourt und die unter anderem für ihr spektakuläres Bühnenbild ausgezeichnet wurde. Diesem gelingt es mit ausgeklügelter Bild- und Projektionstechnik die unterschiedlichsten Schauplätze in Paris sichtbar werden zu lassen: Ob Christines Garderobe, der Friedhof, der unterirdische See unter der Oper Palais Garnier oder der Maskenball - die Akteure bewegen sich in auf der Stadthallenbühne wie einem großen dreidimensionalen Raum. Das macht das Musical zu einem wahren Augenschmaus, zieht einen in die Geschichte hinein.
Mehr als nur ein Musical
Zum Ohrenschmaus wird es, da es eben weit mehr ist als ein Musical. Statt vorwiegend auf eingängige Musicalmelodien zu setzen, bieten Sasson und Kröger zusätzlich Opernmusik vom Feinsten an. Eigentlich logisch, denn das Phantom erscheint Christine als »Engel der Musik«, der sie vom einfachen Chormädchen zum gefeierten Opernstar ausbildet. Die perfekte Rolle für Deborah Sasson, die seit Jahrzehnten Erfolge in Oper und Musical feiert. An ihrer Seite spielen und singen zwei ebenso vielseitige und erfolgreiche Künstler: Uwe Kröger als Erik und Jochen Sautter als Raoul Comte de Chagny. Einen weiteren Akzent setzt Sasson mit schrägen, skurrilen Figuren: Die überkandidelte Diva Carlotta, die mal rülpsend, mal kreischend für Heiterkeit sorgt oder die beiden slapstickhaftenTheaterdirektoren Richard und Moncharmin.
In der Pause erzählt Sasson in ihrer Garderobe dem GEA, wie sie zum Phantom der Oper kam und was es ihr bedeutet. »Meine Mutter hat mir das Buch geschenkt als ich etwa zwölf war«, blickt sie zurück, »ich war von dem Stoff fasziniert und habe davon geträumt, Sängerin zu werden und Christine zu spielen«. Ein Traum, der wahr wurde, sie sang die Hauptrolle in der Musicalversion von Andrew Lloyd Webber. »Mich hat es aber gestört, dass in dieser Fassung keine Oper dabei war.« Zudem werde der Charakter des Phantoms kaum ergründet und nicht erklärt, wie er zu dem wurde, was er ist. »Da habe ich beschlossen, eine eigene Fassung zu schreiben«.
Es ist eine Fassung, die tiefgründiger und vielschichtiger ist, dabei spannend und abwechslungsreich - und die in der gut besuchten Stadthalle für Standing Ovations gesorgt hat. (GEA)