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Aktuell Forst

Der Wald im Kreis Reutlingen im Dauerstress

Zu trocken und zu heiß: Die Wälder in Deutschland leiden. Michael Herb, der Forst-Bezirksleiter Nord, berichtet, wie es dem Wald im Kreis geht und wie der Forst versucht, den Folgen des Klimawandels zu begegnen.

Der Wald: Er dient der Erholung, hat aber auch viele Schutzfunktionen. Deshalb muss es das Ziel sein, ihn ebenfalls zu schützen.
Der Wald: Er dient der Erholung, hat aber auch viele Schutzfunktionen. Deshalb muss es das Ziel sein, ihn ebenfalls zu schützen. Foto: Steffen Schanz
Der Wald: Er dient der Erholung, hat aber auch viele Schutzfunktionen. Deshalb muss es das Ziel sein, ihn ebenfalls zu schützen.
Foto: Steffen Schanz

REUTLINGEN. Der Klimawandel schreitet voran, Jahr für Jahr vermeldet der Deutsche Wetterdienst neue Höchstrekorde - sowohl, was die Temperatur als auch, was die Trockenheit betrifft. »Seit 2018 gibt es eine extreme Häufung der Trockenjahre«, sagt Michael Herb, stellvertretender Leiter des Kreisforstamtes und Forstbezirksleiter Nord. Die Folge: »Der Wald kommt nicht zur Ruhe.« Die Bäume befinden sich im Dauerstress, immer mehr sind geschädigt, werden von Schädlingen oder Krankheiten befallen, ihre Kronen sterben ab, die Belaubung wird weniger. Sind unsere Wälder also dem Tod geweiht? Ganz so schwarz will Herb die Zukunft nicht sehen: »Ich bin überzeugt, dass wir auch in 50 Jahren noch Wälder haben werden, sie werden nicht ganz verschwinden«, sagt er, »die Frage ist nur, wie sie aussehen.« Mit dem GEA sprach der Forstexperte über die aktuelle Lage auf der Schwäbischen Alb und im Albvorland, wie der Forst im Landkreis sich auf den Wandel vorbereitet, aber auch darüber, welchen unschätzbaren Wert der Wald für den Menschen hat.

Die Folgen von Trockenheit und Hitze

Es gibt immer mehr Trockenphasen, selbst im Frühjahr, »das gab es früher nicht«, sagt Michael Herb. Die Bodenfeuchte fehlt, und weil im Winter immer weniger Schnee liegt, selbst auf der Alb, ist der Boden über weite Teile des Jahres viel zu trocken und kann kaum Feuchtigkeit speichern. Das ist auf der Albhochfläche wegen der Bodenbeschaffenheit noch extremer als in den Tälern. Der Juraboden ist durchlässiger und nicht so tief, das wenige Wasser, das fällt, versickert schnell. Anderseits zerstören trockene, verdichtete Tonböden im Albvorland das kleine Wurzelwerk. Insgesamt sind die Bäume geschwächt, Nadelbäume bilden weniger Harz, wegen der längeren Warmperioden »fruktifizieren« die Bäume auch öfter, bilden also öfter Früchte aus. »Das kostet enorm Kraft«, sagt Herb. Mancherorts müssen Forstmitarbeiter die Bäume bereits bewässern, damit sie nicht vertrocknen. »Das wäre früher undenkbar gewesen.« Tierische Profiteure vom Klimawandel gibt es viele, und die meisten von ihnen schaden den Pflanzen zusätzlich. Zum Beispiel der Borkenkäfer - der entwickelt sich am liebsten bei Wärme. Mittlerweile gibt es bis zu drei Generationen im Jahr, noch vor wenigen Jahren waren es zwei. »Das lässt die Population exponentiell ansteigen«, erklärt Herb. Weshalb er und seine Kollegen insgesamt bei allen Schädlingen und Krankheiten auf ein stärkeres Monitoring setzen, um schnell reagieren zu können.

Unsere Bäume werden immer kränker: Trockenheit und Borkenkäferbefall setzen ihnen unter anderem zu.
Unsere Bäume werden immer kränker: Trockenheit und Borkenkäferbefall setzen ihnen unter anderem zu. Foto: Steffen Schanz
Unsere Bäume werden immer kränker: Trockenheit und Borkenkäferbefall setzen ihnen unter anderem zu.
Foto: Steffen Schanz

Trauriges Beispiel: die Esche verschwindet

Die Esche: Lange galt sie als Hoffnungsbaum für die Zukunft - auch in Zeiten der globalen Erwärmung. »Es ist eine wunderschöne Baumart, der wir viel zugetraut haben«, sagt auch Michael Herb. Sie wächst schneller als die Eiche, sie kommt mit der Hitze und trockenen Böden gut zurecht, aber ihre Art ist dem Ende geweiht. Seit 2008 greift das Eschentriebsterben um sich - eine Krankheit, die von Pilzen verursacht wird und für die es keine Heilung gibt. Der Pilz sei keine Folge des Klimawandels, erklärt Herb, aber eine Folge der Globalisierung. »Die Esche wird kaputtgehen.« Überleben werden nur einzelne Exemplare, ihr Bestand in den Wäldern in der Region wird in den kommenden Jahren nur noch marginal sein.

Der Mensch muss eingreifen, um den Wald für die Zukunft überlebensfähig zu machen.
Der Mensch muss eingreifen, um den Wald für die Zukunft überlebensfähig zu machen. Foto: Dieter Reisner, Fotograf, Bildjo
Der Mensch muss eingreifen, um den Wald für die Zukunft überlebensfähig zu machen.
Foto: Dieter Reisner, Fotograf, Bildjo

Im Kreis gezielt gefördert: die Eichen

»Eichen funktionieren«: Der Forst im Kreis setzt auf diesen Baum, der vor allem im Tal gut gedeiht, von dem es aber auch auf der Albhochfläche vereinzelt Bestände gibt. Zwar gilt auch diese Baumart, wie jede andere, als geschädigt, aber sie scheint so stark zu sein, dass sie dem Klimawandel trotzen kann. Ein Eichenanteil zwischen 40 und 60 Prozent sei das Ziel. Allerdings muss man in ihre Aufzucht und Pflege viel investieren, »wir müssen den Eichen gezielt helfen, wer sie will, muss hinterher sein«. Denn überlässt man diesen Baum in jungen Jahren sich selbst, hat er keine Chance. So nehmen ihm beispielsweise die schneller wachsenden Buchen Raum und Licht, zudem munden sie dem Wild besonders gut. »Hier müssen wir steuernd eingreifen«, erklärt Herb. In einen jungen Wald müsse man ein bis zweimal pro Jahr für Pflegemaßnahmen rein, und um bestimmte Baumarten zu fördern.

Ein bunter Mischwald

»Wir müssen mehr Augenmerk auf ein großes, breites Spektrum legen«, erklärt Michael Herb die Zusammensetzung der Wälder der Zukunft im Kreis Reutlingen. Dazu gehört, dass die Forstleute immer wieder eingreifen, regulieren und lenken. Denn, wenn man den Wald sich selbst überließe, sähe es dort in einigen Jahren recht eintönig aus. »Dann hätten wir zu 95 Prozent Buchenwälder.« Die Buche wächst schnell, und ihr dichtes Blätterdach sorgt dafür, dass es im Wald recht dunkel ist. »Die Buche macht alles tot«, verdeutlicht Herb die Folgen. Zwar hat sie durchaus ihre Daseinsberechtigung, aber man muss ihr dominantes Wesen in seine Schranken weisen, damit auch andere Baumarten ihren Platz finden. Darunter sind Ahorne, vom Berg- bis zum Spitzahorn, aber auch Nussbäume, Kirsche oder Douglasien.

Der Wert des Waldes

Die klamme Gemeindekasse mit Einnahmen aus der Forstwirtschaft aufbessern? Das sind Wunschträume, die längst der Vergangenheit angehören. Eine schwarze Null wäre für die meisten Kommunen bereits ein Erfolg, oft müssen sie sogar drauflegen. Der Holzpreis ist in den vergangenen Jahren kaum gestiegen, die Konkurrenz aus Plantagen in Osteuropa drücken die Preise nach unten. »In den 80er-Jahren hat der Kubikmeter Holz 200 Mark gekostet«, so Herb, heute seien es selten mehr als 100 Euro. Im Gegenzug sind die Kosten enorm gestiegen. Viele Kommunen legen drauf, aber, und das ist die gute Nachricht, sie tun es gern. »Wir dürfen nicht alles von der monetären Seite sehen«, sagt auch Herb. Denn der Wald an sich ist ein unglaublicher Wert mit vielfältigen Nutz- und Schutzfunktionen. Ob Reiseziel für Wanderer, Schattenspender, CO2 - Speicher oder Hangsicherung - »der Wert des Waldes ist mit keinem Wert zu beziffern«.

Der Wert des Waldes lässt sich nicht in Geld ausdrücken - er hat viele Nutz- und Schutzfunktionen.
Der Wert des Waldes lässt sich nicht in Geld ausdrücken - er hat viele Nutz- und Schutzfunktionen. Foto: Steffen Schanz
Der Wert des Waldes lässt sich nicht in Geld ausdrücken - er hat viele Nutz- und Schutzfunktionen.
Foto: Steffen Schanz

Die Lage im Kreis

Die Wälder im Landkreis Reutlingen haben mit allen genannten Problemen zu kämpfen, allerdings sind sie im Vergleich mit anderen Regionen bisher noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Glücklicherweise habe es auch in trockenen Jahren immer mal wieder ein wenig geregnet, blickt Herb zurück. Auf der Forstmesse habe er sich mit Kollegen aus Schadgebieten unterhalten, in denen die Lage um einiges dramatischer ist. Dennoch hofft er auf ein Umdenken und zu einem stärken Umweltbewusstsein. Dieses habe in den vergangenen Jahren abgenommen, so seine Einschätzung. »Wir brauchen den Wald, und wir merken bereits jetzt, dass er massiv leidet.« (GEA)

Der bewaldete Albtrauf: Ein Anblick, der hoffentlich noch lange so erhalten bleibt.
Der bewaldete Albtrauf: Ein Anblick, der hoffentlich noch lange so erhalten bleibt. Foto: Jürgen Meyer
Der bewaldete Albtrauf: Ein Anblick, der hoffentlich noch lange so erhalten bleibt.
Foto: Jürgen Meyer