REUTLINGEN. Am Wochenende verwandelte sich die Pomologie in ein Paradies für Liebhaber von Streuobst und regionalen Köstlichkeiten. Der Kreisverband der Obst- und Gartenbauvereine Reutlingen (KOV) lud zum ersten alljährlichen Lucas-Fest ein, das von 11 bis 20 Uhr mit einem bunten Programm rund um das Thema Streuobst aufwartete.
Gegen 17 Uhr begrüßte dann der KOV-Vorsitzende Ralf Michael Röckel mit viel Witz die Gäste, zur Feier des neuen Fördervereins Eduard-Lucas-Haus. Unterstützung bekam er dabei vom Bronnweiler Weib, Friedel Kehrer, dem Comedy-Urgestein von der Schwäbischen Alb.
Tagsüber drehte sich alles um den Streuobst-Markt – dieser wurde um 11 Uhr mit einem feierlichen Fassanstich eröffnet und bot ein abwechslungsreiches Programm für Jung und Alt. Die Besuchenden konnten eine Vielzahl an Produkten und Aktivitäten, die die Vielfalt und Bedeutung der Streuobstwiesen in der Region unterstreichen, genießen.
Der Markt verzauberte nicht nur mit kulinarischen Köstlichkeiten – für alle war was dabei. So gab es für die kleinen Gäste ein unterhaltsames Mitmachprogramm. Ganztägig konnten Kinder bei Billy Troege Motorsägenkunst bestaunen oder selbst beim Süßmostpressen mit Conny Randecker aktiv werden.
Die Streuobstwiesen: Ein bedrohtes Paradies der Artenvielfalt: Unter dem Motto »Wir gestalten die Zukunft des Eduard-Lucas-Hauses und der Streuobstregion« lud der Kreisverband der Obst- und Gartenbauvereine zu spannenden Führungen ein: Die Besuchenden konnten mehr über die Geschichte der Pomologie erfahren und das Eduard Lucas-Haus besichtigen.
Eduard Lucas gründete 1860 in Reutlingen eine private Lehranstalt, die sich auf Gartenbau, Obstkultur und Pomologie spezialisierte. 3.000 Baumfachwarte sind dort laut Röckel ausgebildet worden. Die Pomologie befasst sich mit der Lehre von Obstsorten und ihrer systematischen Klassifizierung.
Das Fest stellte die Geschichte des Streuobstfachmanns Lucas in den Mittelpunkt. Der Streuobstanbau soll damit wieder stärker in den Fokus von Reutlingen und der Region gerückt werden.
Streuobstwiesen mit immenser ökologischer Bedeutung
Die Wiesen sind weit mehr als nur eine Ansammlung von Obstbäumen. Das einzigartige Kulturlandschaftsbild ist nicht nur für seine landschaftliche Schönheit bekannt, sondern auch für seine immense ökologische Bedeutung: Sie bilden ein lebendiges Ökosystem, das unzähligen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bietet.
Streuobstwiesen haben eine lange Tradition in Europa. Die Bäume stehen verstreut auf Wiesen oder Weiden und bieten eine Vielfalt an Obstsorten wie Äpfel, Birnen, Kirschen und Pflaumen. Diese traditionelle Form des Obstanbaus unterscheidet sich grundlegend von modernen Plantagen durch ihre extensive Bewirtschaftung und die große Sortenvielfalt.
»Wir kaufen im Supermarkt nur noch den Einheitsapfel«, erklärt August Kottmann vom Gasthof Hirsch in seinem Impulsreferat. »Und wir vergessen, wie viele unterschiedliche Sorten Äpfel es gibt.«
Förderverein gegründet
Um dem Verlust entgegenzuwirken, engagieren sich zahlreiche Organisationen und Vereine für den Erhalt der Streuobstwiesen. So auch der KOV, der für des Abendprogramm des ersten Lucas-Festes Oberbürgermeister Thomas Keck und Staatssekretärin Sabine Kurtz vom Ministerium für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz eingeladen hatte.
Gemeinsam wurde der Höhepunkt des Abends gefeiert: die Gründung des Fördervereins zum Erhalt des Eduard-Lucas-Hauses. Hierfür übergab Oberbürgermeister Keck methaphorisch einen überdimensioniert großen Schlüssel an den KOV. Er bedauere, wie sehr die Streuobstbestände zurückgegangen seien, sagt Keck, und dass sie nun als »stark gefährdet« gälten. Deswegen sei er stolz darauf, diesen Schlüssel übergeben zu dürfen. »Hier in der Umgebung sind nämlich die größten zusammenhängenden Streuobstbestände Europas.«
Staatssekretärin Sabine Kurtz betonte ebenfalls den Nutzen der Streuobstwiesen für den Umweltschutz. Sie mahnte: »Wir dürfen dieses Kulturgut nicht vergessen und müssen uns darum kümmern, es in die neue Zeit zu bringen.« (GEA)