REUTLINGEN. Führungen für Touristen und Einheimische über den Wochenmarkt, Events, Gewinnspiele, Blicke hinter die Kulissen, Aktionen für Studenten und sonstige junge Leute: Andere Städte – wie Freiburg – lassen sich allerhand einfallen, um ihre Wochenmärkte und die »Typen« an den Ständen in Szene zu setzen. Nicht nur in Krisenzeiten wie diesen, in denen die Lust auf Konsum auch hier bereits deutlich nachgelassen hat.
Eines dieser Originale auf dem Reutlinger Wochenmarkt winkt bei teuren Werbestrategien nur müde ab: Der Gemüsehändler und zweiter Vorsitzender des Wochenmarkt-Fördervereins, Frank Kuhn, der sich gerne mit dem legendären »Ermstalrebell« Helmut Palmer vergleicht, sagt, er brauche keine Marketing-Fachleute. Er hat eigene Ideen, um sein Geschäft anzukurbeln: Jetzt, wo »in nie da gewesenem Ausmaß die Energiekrise auf das Konsumverhalten durchschlägt« und die Kunden zwar nach wie vor kommen, aber weit weniger von allem in den Einkaufskorb packen, schnürt er zum Beispiel »Inflationsbeutel für sozial Schwächere«. In die Klarsichtbeutel packt er ein Sammelsurium aus Obst und verkauft die Pakete für 2 Euro. Die gehen weg wie nichts: »Es gibt einen Run auf extrem Günstig« – und es langen nicht nur diejenigen zu, die sich nichts anderes leisten können.
Frank Kuhn meint, man müsse das Rad nicht neu erfinden, um den Wochenmarkt attraktiv zu halten – denn das sei er ohne Zweifel. Angesichts von 9.000 Euro Standgebühr sei er aber zum Beispiel dafür, den motorisierten Besuchern an Markttagen die Parkgebühr zu erlassen. Am meisten regt er sich über die Pläne des Gemeinderats auf, den Marktplatz umzugestalten, sobald die Haushaltslage das zulässt. Die Marktleute fürchten sich vor einer vorübergehenden Umsiedelung an einen anderen Standort. Ohnehin hält Kuhn das ganze Vorhaben für überflüssig: Es würde reichen, die Randbereiche des Marktplatzes zu sanieren, dort wo Pflastersteine lose und Unebenheiten Stolperfallen bilden, meint er.
»Die Welt verändert sich, die Märkte bleiben«, sagt Klaus Siebert, der auf dem Wochenmarkt Käse und andere Tiroler Spezialitäten verkauft. Reutlingen sei ein sehr historischer, sehr großer Markt. Schon durch die schiere Größe des Einzugsgebiets sei vor allem der Samstagsmarkt sehr gut frequentiert. Auch er befürchtet, dass die Pläne einer Umgestaltung mit einer längerfristigen Umsiedlung des Marktgeschehens zu einem »existenziellen Problem« führen könnte.
»Die Blumenmönche« sind auf vielen Märkten präsent – in Kirchheim, Dettingen, Nürtingen Tübingen, Bad Urach. Und in Reutlingen: »Der Samstagsmarkt hier ist der beste«, sagt Siegfried Müller, während er einen Blumenstrauß arrangiert. Seit dem Ende der rigorosen Corona-Politik hat er beobachtet, dass das Samstagsgeschäft wieder wie vorher läuft, »unter der Woche ist das Geschäft aber eher abgeflaut«. Noch sei die Verteuerungsspirale nicht bei ihm angekommen – »doch die wird kommen, und dann wird weniger gekauft«. Auch seiner Meinung nach fehlt es an Markttagen in Reutlingen an günstigen Parkplätzen.
Schon voll durchgeschlagen hat die Energiekrise bei Sotto Paralis. Der Händler von Oliven, Schafskäse und Eingelegtem kann nicht in der Region einkaufen. Seine Produkte stammen von Kreta, die hohen Transportkosten könne er nie und nimmer auf die Preise umlegen. Für ihn ist es eine »sehr schlechte Zeit«. (ele)