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Aktuell Kommunalpolitik

Den Betzinger Ortskern schützen und weiterentwickeln

Der Betzinger Bezirksgemeinderat will den Ortskern schützen. Aber was ist schützenswert und ist eine Erhaltungssatzung der richtige Weg?

Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme zu schützenswerten Bereichen im Betzinger Ortskern stießen in der Kemmlerhalle auf reges Int
Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme zu schützenswerten Bereichen im Betzinger Ortskern stießen in der Kemmlerhalle auf reges Interesse. Foto: Foto: Frank Pieth
Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme zu schützenswerten Bereichen im Betzinger Ortskern stießen in der Kemmlerhalle auf reges Interesse.
Foto: Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN-BETZINGEN.. »Vom Gefühl her sagen wir: Betzingen ist schön«, meinte Bezirksbürgermeister Friedemann Rupp. Besonders schön: der Ortskern. Aber wie ihn vor allzu großen Veränderungen schützen und gleichzeitig Stillstand verhindern? Das beschäftigt den Bezirksgemeinderat schon länger und war jetzt Thema des gut besuchten Info-Abends in der Kemmlerhalle. Dort ging es um eine Analyse, die letztlich das Betzinger Gefühl bestätigte: Das Internationale Stadtbauatelier (ISA) stellte seine Bestandsaufnahme vor – konkret die Bereiche, die städtebaulich und architektonisch die Eigenart des Ortskerns ausmachen und deshalb, so Rupp, »liebens- und schützenswert sind«. Die Studie könnte zur Entscheidungsgrundlage werden, wenn der Bezirksgemeinderat eine Erhaltungssatzung beschließt.

Noch nicht entschieden

Die Erhaltungssatzung war im Frühjahr Thema im Ortschaftsrat, final entschieden ist sie noch nicht. Vorher wollte man die Bürger hören – und sie über die Erkenntnisse des Stadtbauateliers informieren. »Das hat mich total begeistert«, outete sich Baubürgermeisterin Angela Weiskopf in der Kemmlerhalle vorab als Fan der ISA-Studie. Sie habe die untersuchten Bereiche mit dem Rad abgefahren und sei dabei auf Details aufmerksam geworde, die »man im Alltag gar nicht mehr wahrnimmt«. Auch Friedemann Rupp fand die Ergebnisse spannend. Das Wissen um die charakteristischen Eigenschaften Betzingens reiche aber nicht aus. Jetzt müsse sondiert werden, wie der Ortskern erhalten und weiterentwickelt werden könne. »Damit wir«, so Rupp, »noch in 50 Jahren sagen können: Betzingen ist schön.«

Drei Kernbereiche

Die von der Stadt beauftragten ISA-Experten hatten auf die Suche nach städetbaulich besonders einprägsamen Elementen in Betzingen sechs verschiedene Zonen ausgemacht. Wie den Kernbereich um die Straße »Im Dorf«: Als »Gehöfte« bezeichnete Fachwerkhäuser mit Trippeln, Wohn- und Wirtschaftsteil, Höfen zwischen den Gebäuden, Vorplätzen zur Straße hin - alles ähnlich, alles typisch für Betzingen und teils denkmalgeschützt. Der an den historischen Ortskern angrenzenden zweite Kernbereich um die Johannesstraße umfasst ein im 20. Jahrhundert entstandenes Quartier, in dem sich Bauernhäuser ebenso finden wie, so Niklas Kramer vom Stadtatelier, »schlichte Arbeiterhäuser«. Als dritter Kernbereich wurde die Gegend um die Ohmenhäuser Straße skizziert, in der sich unter anderem die ganz eigene, 1937 gebaute Siedlung »Im Holder« mit ihren freistehenden kleinen Häusern und viel Grün drumrum findet. An die Kernbereiche schließen sich in der Studie mit den Gebieten Quellen- und Weidenstraße beziehungsweise Weiden- und Kaibachstraße im Osten zwei »Randbereiche« an: Gewachsene Wohngebiete, in denen massive Neubebauung schon mehrfach für Aufregung sorgte.

Abriss verhindern

Bevor es zum Austausch zwischen Betzingern und Experten ging, klärte Sebastian Schwarzenauer, Projektleiter beim Amt für Stadtentwicklung und Vermessung, über Sinn und Zweck einer Erhaltungssatzung auf. Festgelegt ist sie für bestimmte Gebiete. Gebäude, die von der Art her das Ortsbild prägen, haben dort Schutzstatus. Soll etwas abgerissen oder komplett saniert werden, braucht es eine Genehmigung. Eine Ortsbausatzung oder ein Bebauungsplan regle Neubauten, könnten aber einen Abriss wie die Erhaltungssatzung nicht verhindern. Ein einfaches Instrument, so der Stadtplaner, das auch relativ einfach beschlossen werden könne.

Typisch Betzingen: Trippelhäuser

Eine gute Stunde war vorbei, lebhafte Diskussionen an den Stellwänden folgten. Daraus und aus den angepinnten Kommentaren ging von den etwa 50 Besuchern – darunter etliche Eigentümer aus dem alten Ortskern - ein deutliches Votum pro Erhalt der Kernbereiche aus, während bei den Randbereichen die Tendenz zu »kann, muss nicht unbedingt« ging, fasste Stadtplanungsamts-Chef Stefan Dvorak zusammen. Viel Zustimmung habe es auf die Frage gegeben, ob eine Erhaltungssatzung sinnvoll ist, ein vielfaches »Ja«, ob der Abriss ortsbildtypischer Häuser verhindert werden soll. Als typisch für Betzingen wurden die Trippelhäuser genannt, als Stärke die Steinachstraße mit ihren besonderen Einzelhandelsnutzungen. Dazu kamen Forderungen wie Baulücken zu schließen, mit Eigentümern leer stehender Gebäude ins Gespräch zu kommen oder Feuerwerk im Ortskern zu verbieten. Außerdem solle man sich damit beschäftigen, wie man ortskerntypische Nutzungen stärken könne.

Fachwerkhäuser wie das historische Museum »Im Dorf« prägen den Betzinger Ortskern.
Fachwerkhäuser wie das historische Museum »Im Dorf« prägen den Betzinger Ortskern. Foto: Foto: Frank Pieth
Fachwerkhäuser wie das historische Museum »Im Dorf« prägen den Betzinger Ortskern.
Foto: Foto: Frank Pieth

Kritik an Erhaltungssatzung

In der Veranstaltung kamen auch Gegner einer Erhaltungssatzung zu Wort, allen voran Uwe Alle, Mitglied des Ortschaftsrats und Vorsitzender von »Haus&Grund« Reutlingen und Region: »Das ist für mich ein rotes Tuch.« Die Satzung zwinge Hausbesitzer in ein Korsett und zu hohen Investitionen bei der Sanierung. »Das müsste auch für andere Ortsteile weiter gesponnen werden – ich warne davor, das kann auch in eine ganz andere Richtung gehen.« Sinnvoller wäre ein Gestaltungsleitbild wie in der Oststadt. Mit der Erhaltungssatzung wolle man Eigentümer keineswegs gängeln, hielt Stefan Dvorak dagegen. »Es geht darum, das Ortsbild zu erhalten.« (GEA)