REUTLINGEN. Dieser Tage traf sich im Haus der Jugend zum zweiten Mal die »Demokratie Werkstatt«, ein Kreis von Frauen und Männern im Alter von rund 16 bis 50 Jahren. Im gemeinsamen Gespräch ging es um das Thema »Annäherung und Einigung in Zeiten von Klimakrise und Rechtspopulismus«. Die Initiative entstand im Rahmen des Bundesprogramms »Demokratie leben«, unterstützt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie von »Partnerschaft für Demokratie Reutlingen«.
Anfang März fand, so berichtete Mitinitiator Oliver Horn (19), ein erster Workshop statt. »Die Gruppe sollte sich finden und ihre Ziele definieren.« Offen ist sie generell für alle zwischen 14 und 99 Jahren. »Uns ist wichtig, eine Austauschmöglichkeit für Fragen der Demokratie zu schaffen und auch mit Menschen außerhalb von sozialen Gruppen ins Gespräch zu kommen«, betonte Horn. »Wir sind politisch neutral, aber man muss sich zum Deutschen Grundgesetz bekennen. In der Gruppe geht es um die Auseinandersetzung mit der Demokratie und ihren Erhalt.« Um Teilnehmer zu gewinnen, habe man in der Fußgängerzone Flyer verteilt und im Internet geworben.
Regeln aufstellen und beachten ist Voraussetzung
Auf Dauer soll sich die Gruppe selbst managen, doch die ersten beiden Male war Kommunikationstrainerin Josephine Kremberg aus Stuttgart mit dabei. Wie Demokratie funktionieren könne, lasse sich zunächst unmittelbar in der Gruppe selbst erkennen. Dazu müssten Regeln aufgestellt und beachtet werden. Einer der Grundsätze laute: »Ich bin ok – Du bist ok«, was für die Gleichwertigkeit aller Teilnehmenden und ihrer Meinungen stehe. Um sich damit auseinandersetzen zu können, müsse man zunächst zuhören, was andere sagten und verstehen, was sie meinten.
»In unserer Gesellschaft kommt die tiefgehende, sachliche Diskussion oft zu kurz«, sagte eine Teilnehmerin, die die Meinungsvielfalt als einer der wichtigsten Anforderungen für die Demokratie sah. »Gibt es Respekt auch vor Minderheitspositionen oder steckt man diese schnell in Schubladen und hakt sie ab?«, fragte sie. Dies führe unter anderem zu der Frage, auf welcher Basis solche Meinungen geäußert würden. »Hat man die richtigen Informationen, um eine Meinung zu vertreten?« Wichtig seien, so ergänzte ein weiterer Teilnehmer, sichere Fakten als Grundlage einer Diskussion, das Recht zur Mitbestimmung und Kompromisse.
Eine weitere Frage war, inwieweit Objektivität überhaupt möglich sei, denn jeder höre Botschaften permanent durch den Filter seiner individuellen Erfahrungen und eigenen Inhalte. Und lägen die Gründe, Meinungen abzulehnen, am Inhalt, Tonfall oder der Person des Vortragenden? Daher seien Reflexion und Abwägung unabdingbar.
Schülerinnen und Schüler zur Teilnahme an Demonstrationen gegen rechts aufgefordert
Zur Sprache kam unter anderem auch der Umgang mit Demonstrationen an Schulen, an denen das Neutralitätsprinzip herrsche. Wie sei zu werten, wenn die Schülerinnen und Schüler dort dazu aufgefordert würden, an Demonstrationen gegen rechts teilzunehmen? Im Sinn des Beutelsbacher Konsenses, so hieß es, sollten Lehrkräfte die Schülerschaft in die Lage versetzen, sich eine eigene Meinung bilden zu können, ihnen aber nicht die eigene gleichsam überstülpen. Ein Pädagoge in der Gruppe antwortete, er habe den Auftrag, den Schülern demokratische Werte nahe zu bringen. »Wenn es also eine Demonstration gegen die Rechten gibt, die gegen diese Werte verstoßen, dann muss ich die Schülerinnen und Schüler dazu auffordern, teilzunehmen.« An seiner Schule halte man die Schülerschaft dazu an, für Menschenrechte auf die Straße zu gehen. Die Gruppe gibt weitere Treffen bekannt. (GEA)