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Degerschlachter Chor verabschiedet sich mit Ehrungsmatinee

Degerschlacht verabschiedet sich von einem kulturellen Erbe: Der Chor Eintracht hatte am Wochenende seinen letzten Auftritt.

Der Gesangverein Eintracht Degerschlacht hat am Sonntag zum Abschied ein Matineekonzert gegeben.
Der Gesangverein Eintracht Degerschlacht hat am Sonntag zum Abschied ein Matineekonzert gegeben. Foto: Lena Pinto
Der Gesangverein Eintracht Degerschlacht hat am Sonntag zum Abschied ein Matineekonzert gegeben.
Foto: Lena Pinto

REUTLINGEN-DEGERSCHLACHT. Ein bedeutendes Kapitel der lokalen Kulturgeschichte neigt sich dem Ende zu. Der traditionsreiche Gesangverein »Eintracht« Degerschlacht 1897 e.V., der mehr als ein Jahrhundert lang das kulturelle Leben der Gemeinde prägte, wird Anfang 2025 aufgelöst. Am Sonntag wurde zur Ehrungsmatinee ins evangelischen Gemeindehaus eingeladen, um den letzten öffentlichen Auftritt zu begehen.

Gegründet am 30. Mai 1897 von 14 sangesfreudigen Männern im Gasthaus zum Lamm, entwickelte sich die »Eintracht« schnell zu einem festen Bestandteil der Gemeinschaft. Die Gründungsmitglieder legten mit ihren Statuten den Grundstein für eine lange Tradition des gemeinsamen Singens und der musikalischen Gemeinschaftspflege. Mit regelmäßigen Singstunden, die ursprünglich zweimal monatlich stattfanden, Konzerten und Teilnahmen an regionalen Sängerfesten trug der Chor zur Pflege des deutschen Liedguts bei. Über die Jahre feierte die Gruppe zahlreiche Jubiläumsfeiern, die stets große Resonanz fanden. Sein 100-jähriges Bestehen im Jahr 1997 wurde mit einem großen Festprogramm gefeiert. Dabei erhielt die Gruppe die Zelter-Plakette – die höchste deutsche Auszeichnung für Amateurchöre – als Anerkennung für ihre Verdienste um die Chormusik.

Die Vereinsstatuten wurden über die Jahre hinweg mehrfach angepasst, um den sich wandelnden Zeiten gerecht zu werden. Ursprünglich sahen sie vor, dass bei Beerdigungen aktiver Mitglieder alle anderen Mitglieder verpflichtet waren, mitzusingen – eine Tradition, die den Zusammenhalt und die Solidarität innerhalb der Gruppe unterstrich. Auch bei Hochzeiten war es Brauch, dass der Chor abends im Hochzeitssaal zur geselligen Unterhaltung beitrug.

Glanzvolle Geschichte

Doch trotz dieser glanzvollen Geschichte steht der Chor nun vor dem Aus. Die Mitgliederzahl sei von einst stolzen 28 Sängern auf nur noch elf geschrumpft, von denen lediglich fünf aktiv sind. Reinhard Wehrmann, seit 2005 Vorsitzender des Vereins und Mitglied seit 1998, beschreibt die Herausforderungen: »Hinten und vorne fehlt das Geld, aber auch der Nachwuchs.« Der Chorleiter sei teuer, aber auch eine unverzichtbare Stütze für die musikalische Qualität.

Doch es sind nicht nur die finanziellen Aspekte, die dem Verein zu schaffen machen. Wehrmann beobachtet einen generellen Mangel an Engagement und Verbindlichkeit in der heutigen Gesellschaft. »Für viele Menschen ist es schwer, regelmäßig an Terminen teilzunehmen, an was das jetzt liegt, sei dahin gestellt«, erklärt er. Diese Entwicklung schwächt Vereine wie die »Eintracht«, die auf langfristiges Engagement ihrer Mitglieder angewiesen seien. Ein weiteres Hindernis sieht Wehrmann in den kulturellen Unterschieden zwischen den Generationen. Schon immer war es schwierig, junge Menschen für traditionelle Männerchöre zu begeistern, da ihre musikalischen Vorlieben oft stark von denen älterer Generationen abweichen. Junge Menschen interessieren sich häufig für andere Musikrichtungen und kulturelle Aktivitäten, was es erschwere, sie für das generationsübergreifende Singen im Chor zu gewinnen.

Ohne Mitglieder kann der Verein nicht fortbestehen

Während einer Pause beim letzten Auftritt des Männerchores trug Wehrmann ein Gedicht über leere Flaschen vor und scherzte: »Flasche leer, das heißt für uns die Kasse ist leer.« Doch hinter dem Humor steckt eine ernste Realität: Ohne ausreichende Mitgliederzahl kann der Verein nicht fortbestehen. Für die regelmäßigen Fördergelder von der Stadt Reutlingen braucht es eine Mindestzahl von 15 Sängern – diese konnten nicht gehalten werden.

Auch Uwe Balasch, ein weiteres Mitglied, teilt die gleichen Sorgen wie der Vorsitzende. Er erinnert daran, dass Vereine früher einen starken Zusammenhalt innerhalb der Dorfgemeinschaft förderten – etwas, das heute zunehmend verloren geht. »Vereine gehören zum Dorf, aber Dörfer werden zu Schlafketten«, so Balasch. Auch die Theatergruppe »Degerschlachter Eulazwicker« – in der viele Mitglieder des Chors aktiv waren – musste bereits im Sommer 2018 ihre Auflösung bekanntgeben.

Am 9. November wird die »Eintracht« noch einmal gemeinsam mit dem Stuttgarter Winzerbund in Pfullingen auftreten – ein letzter musikalischer Gruß an die treue Gemeinschaft von Degerschlacht. Der Abschied von der »Eintracht« markiert nicht nur das Ende des Chors, sondern auch den Verlust eines wichtigen Teils des kulturellen Erbes der Gemeinde.

Die Ehrungsmatinee bot Gelegenheit für einen Rückblick auf bewegte Zeiten und eine Feier gemeinsamer Erfolge. Die »Eintracht« Degerschlacht verabschiedet sich mit Dankbarkeit von ihrer treuen Gemeinschaft und hinterlässt einen bleibenden Eindruck in der Geschichte von Degerschlacht. (GEA)