REUTLINGEN/REGION. »Was erwarten oder wünschen Sie sich vom neuen Papst?« Das hat der GEA Menschen aus der Region gefragt: Katholiken und Katholikinnen, aber auch evangelische Christen und Vertreter anderer Religionen. Vorrangig klingt bei den Befragten der Wunsch nach Kontinuität bezüglich der seelsorgerlichen Stärke des am Ostermontag verstorbenen Oberhaupts der römisch-katholischen Kirche durch. Aber auch die Hoffnung, dass der Nachfolger von Franziskus auf dem Weg der Reform weitergeht.
Bernhard Bosold, Katholik und Mitglied im Sprecherrat des Rates der Religionen Reutlingen:
»Der Tod von Papst Franziskus hat mich sehr berührt. Franziskus war wirklich ein Mensch. Er war überzeugt, dass alle Menschen Geschwister sind. Das hat ihn menschlich gemacht. Vom neuen Papst erwarte ich, dass er wie Franziskus menschlich überzeugt und dass er die begonnenen Reformen zur Erneuerung der Kirche mutig weiterführt. Er muss Wege finden, Frauen angemessen und gerecht zu beteiligen. Und dann gibt es die großen weltpolitischen Themen: Gerechtigkeit (Arm und Reich), Friede (Kriege, Konflikte), Bewahrung der Schöpfung (Klimawandel, Umweltzerstörung). Hier wünsche ich dem neuen Papst eine klare Linie, die Hoffnung macht. Und er sollte, ja er muss ein Brückenbauer sein, auch zu anderen Religionen und Kulturen. Denn aufgeregte Spalter haben wir bereits zu viele.«
Roland Knäbler, katholischer Pfarrer und Leiter der Seelsorgeeinheit Reutlingen Mitte/Eningen sowie der Gesamtkirchengemeinde Reutlingen mit 23.000 Mitgliedern:
»Papst Franziskus hat es in seiner Amtszeit geschafft, die Tür zum Dialog in der Kirche weiter zu öffnen. Dafür bin ich ihm dankbar. Von einem Nachfolger wünsche und ich mir, dass er diesen Dialog mit den Menschen und Gruppen der Kirche fortsetzt. Ich erhoffe mir, dass er - ebenso wie Papst Franziskus - den Blick von unten hat, für die Bedürfnisse der Menschen und, dass er nicht schweigt, wenn es darum geht Frieden und Gerechtigkeit einzufordern. Kirchenpolitisch ist von seinem Nachfolger zu hoffen, dass er die Kirche weiter stärkt in ihren eigenen Entscheidungen und ihren pastoralen Möglichkeiten. Der gemeinsame Weg in der kirchlichen und pastoralen Arbeit muss sich nach den örtlichen Verhältnissen weiterentwickeln können. Die Zeit ist noch nicht reif, dass wir von Wünschen an eine Nachfolgerin von Papst Franziskus sprechen, aber eine weitere Öffnung der kirchlichen Ämter für Frauen, wäre ein Ziel für den neuen Papst.«
Evelyne Kana Mapa, Katholikin und Sporttherapeutin aus Kamerun und stellvertretendes Mitglied im Reutlinger Integrationsrat:
»Die Wahl des neuen Papstes ist meiner Meinung nach sehr subjektiv. Sie hängt von den Erwartungen und Wünschen der Gläubigen sowie der katholischen Gemeinschaft ab. Er sollte spirituell sein, weil für viele Gläubige eine enge Beziehung zu Gott sehr wichtig ist, dazu offen und dialogbereit. Zudem soll er ein starkes Engagement für soziale Gerechtigkeit sowie Umweltbewusstsein haben.«
Dietmar Hermann, katholischer Pfarrer, Leiter der Seelsorgeeinheit Reutlingen Nord und stellvertretender Dekan:
»Der neue Papst sollte auf jeden Fall den Weg der Weltsynode weiter verfolgen und den Ortskirchen mehr Entscheidungsfreiraum geben. So kann er ermöglichen, dass in Europa oder Lateinamerika Ämter für Frauen ermöglicht werden, die Zölibatsverpflichtung geändert und die ethischen Fragen einer modernen Gesellschaft gelöst werden. Das, ohne dass dies auch in Afrika nach vollzogen werden muss, wo die Kultur eine andere ist. Und er sollte ein Hörender sein und den Einsatz für die Menschen am Rande der Gesellschaft weiter verfolgen.«
Bruno Schüle, Katholik aus Reutlingen:
»Ich erwarte vom neuen Papst, dass er bei der Reform da weitermacht, wo der alte aufgehört hat. Im Sinne von mehr Frauen in Ämter bringen und die Anhänger dieser blöden Sexualmoral rausschmeißen. Die Kirche sollte dringend den Zölibat abschaffen. Franziskus hat ja mehr Kardinäle aus nicht EU-Ländern ernannt und durch ein Edikt bereits Vorbereitungen getroffen, dass Kardinäle über 80 Jahren von der Papst-Wahl ausgeschlossen sind. So wirkte er ein Stück weit darauf hin, dass wieder ein außereuropäischer Papst gewählt wird.«
Erzpriester Dimitrios Katsanos von der griechisch-orthodoxen Kirchengemeinde Reutlingen und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg:
»Mein persönliches Statement zum Thema 'wie sollte der neue Papst sein' aus orthodoxer Sicht: Wir wünschen uns, dass der Nachfolger die Aufgeschlossenheit, die Nächstenliebe und das Ökumenische Engagement zur Einheit der Christen, gemäß Papst Franziskus hat und weiter voranbringt. In einer Zeit, wo Unruhen und Kriege herrschen ist es wichtig, dass der nächste Papst ein Friedensstifter ist.«
Frieder Leube von der Evangelischen Kirche Reutlingen und Sprecher im Rat der Religionen Reutlingen:
»Als Christ, der in der evangelischen Kirche beheimatet und als Sprecher des Rates der Religionen verantwortlich ist, erhoffe ich mir einen neuen Papst, der als Brückenbauer und Versöhner wirkt. Wir haben zu viele Menschen in der Politik, die von ihrem Ich reden und den Vorteil ihres Landes anstreben und zu wenig, die den Anderen sehen, das Du. Das Wort eines Papstes hat über die katholische Kirche hinaus Gewicht. Deshalb erhoffe ich mir eine Persönlichkeit, die hier verbindet und nicht trennt, die versöhnt und nicht spaltet. Und dies in der Ökumene und auch unter den Religionen. Es muss nicht im Vordergrund stehen, was unterscheidet. Was verbindet, wird immer wichtiger, wenn auch das Unterschiedliche nicht verschwiegen werden soll.«
Wolfgang Metz, Hochschulseelsorger und Leiter der KHG Tübingen:
»Der Papst hat unter anderem den Titel Pontifex Maximus - «oberster Brückenbauer». Ich würde das ganz wörtlich nehmen. Sein Job ist es, Brücken zu bauen. Spaltung erleben wir zur Genüge. Populismus. Nationalismus. Die Herausforderung des Papstamtes heute ist, denke ich, einerseits mit der weltweiten Vielfalt der katholische Kirche intern umzugehen und anderseits den Dialog in Gesellschaft, Politik und mit den anderen Konfessionen und Religionen zu fördern. Franziskus hat durch seinen Blick auf die Armen, durch seine Gesten und seine Reden vieles davon angestoßen und gelebt. Ich wünsche mir einen Nachfolger, der diese Schritte weitergeht.«
Sigmund F.J. Schänzle, langjähriger Dekan des Dekanats Biberach und heute Pfarrer in Zwiefalten:

»Ich habe den damaligen Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, während meiner elfjährigen Tätigkeit ab 1992 im missionarischen Dienst in Argentinien kennengelernt. Der spätere Papst Franziskus war da mal ein paar Tage bei mir im Pfarrheim zu Gast. Ich schätze an ihm, dass er sich nicht nur die dogmatische Krone aufgesetzt hat, sondern ein Seelsorger durch und durch geblieben ist. Ich hoffe, dass der neue Papst den Synodalen Weg, den Franziskus geöffnet hat, weitergeht. Dieses Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Er braucht keine Franziskus-Kopie zu sein. Aber als Kirche, die den Menschen nahe ist, sollten wir die Armen, und damit meine ich auch Menschen, die aus irgendeinem Grund an den Rand gekommen und nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht bedürftig sind, die Türen öffnen und weiterhin eine Heimat bieten.« (GEA)