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Aktuell Jubiläum

Das Erfolgsgeheimnis von 120 Jahren Posaunenchor Mittelstadt

Seit 120 Jahren trägt der Posaunenchor Mittelstadt das Gotteslob volltönend vor. Aber dabei bleibt es nicht.

Persönliche Geschichte: 120 Jahre alt ist der Posaunenchor Mittelstadt, 83 Jahre sein Vorsitzender Dieter Veit.
Persönliche Geschichte: 120 Jahre alt ist der Posaunenchor Mittelstadt, 83 Jahre sein Vorsitzender Dieter Veit. Foto: Stephan Zenke
Persönliche Geschichte: 120 Jahre alt ist der Posaunenchor Mittelstadt, 83 Jahre sein Vorsitzender Dieter Veit.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN-MITTELSTADT. Spannend werden 120 Jahre Posaunenchor Mittelstadt nicht zuletzt aus der menschlichen Perspektive. Da sitzt der heutige Vorsitzende Dieter Veit mit 83 Jahren an seinem Esstisch, holt aus einer Pappschachtel dieses Schwarz-Weiß-Foto einer Szene aus den 50er-Jahren und sagt: »Schauen Sie mal, das bin ich mit 13 Jahren als Zuhörer bei einem Konzert«. Damit wird klar, was so ein Vereinsjubiläum für ganz viele Menschen bedeutet. Es ist ein wesentlicher Teil ihrer Biografie, ein Teil der Ortsgeschichte. Beim Mittelstädter Posaunenchor wird es mit zwei Konzerten am 14. und 21. April gefeiert.

Sieben gottesfürchtige Männer gründen den Klangkörper der Evangelisch-methodistischen Kirche in Mittelstadt am 1. März 1904. Ihre Namen sind in Erinnerung geblieben: Gotthilf Fauser, Karl Fauser, Wilhelm Müller, Jakob Fauser, Gottlob Fauser, Georg Kurz und Albert Müller. Nicht nur die Nachfahren des ersten Vorstands Gottlob Fauser spielen bis heute im Posaunenchor, dessen erste Statuten in der Gegenwart kurios wirken. Etwa, weil »jedes unentschuldigte Fehlen mit 10 Pfennig bestraft wird«. Damals ist das eine Menge Geld, entspricht dem Monatsbeitrag. Klipp und klar wird außerdem der Zweck des Musizierens festgelegt.

Und dieser Dieter Veit hat schon als 13-jähriger Bub Konzerten des Posaunenchores gelauscht.
Und dieser Dieter Veit hat schon als 13-jähriger Bub Konzerten des Posaunenchores gelauscht. Foto: Stephan Zenke
Und dieser Dieter Veit hat schon als 13-jähriger Bub Konzerten des Posaunenchores gelauscht.
Foto: Stephan Zenke

»Es entspricht nicht dem Zweck des Chores für das Volksvergnügen und Tanzveranstaltungen zu dienen«, liest Dieter Veit vor. »Die Instrumente dürfen dem Zweck des Vereins entsprechend nur zum Lobe Gottes gebraucht werden und zur allgemeinen christlichen Erbauung.« Mitglieder des Vereins können »nur Jünglinge und Männer werden, welche ernsthaft bemüht sind, nach dem Worte Gottes einen entschiedenen, christlichen Lebenswandel zu führen« – heute machen natürlich auch Mädels und Frauen mit.

Zwei Jubiläumskonzerte

Der Posaunenchor Mittelstadt feiert seinen 120. Geburtstag gemeinsam mit Chören aus Pliezhausen und Raidwangen mit zwei Konzerten. Unter der Leitung von Udo Rein enthält das abwechslungsreiche Programm neben klassischen christlichen Stücken zum Lob Gottes auch moderne Blasmusik, was auch der Titel »Brass Mosaik« der Konzerte deutlich macht. Zu erleben sind die Auftritte am Sonntag, 14. April, um 15 Uhr in der Festhalle Mittelstadt sowie am Sonntag, 21. April, um 18 Uhr in der Stadtkirche Nürtingen. Der Eintritt ist frei, um eine Spende für die Posaunenchorarbeit wird gebeten.

Den Herrn mit Posaunen zu loben, ist ein Teil der »Erweckungsbewegung«, die Mitte des 19. Jahrhunderts viele Teile Deutschlands erfasste. »Man traf sich in großer Zahl zu Gottesdiensten und andere geistlichen Versammlungen. Diese Versammlungen wurden öfters auch im Freien abgehalten. Bald gab es ein Problem: keine Orgel, um Gesang zu begleiten«, schreibt Vereinschronist Siegfried Rein. Posaunen waren die mobile Lösung. Mittlerweile ist der Verein musikalisch breit aufgestellt. »Wir spielen alles, was uns und unsere Zuhörer freut: alte und neue Choräle, barocke und romantische Arrangements, zeitgenössische Kompositionen, swingende, jazzige und rockige Musik. Wir pflegen auch unsere Tradition wie etwa das Marschblasen«, stellt sich der Chor selbst vor. Der Verein ist Mitglied im Bund christlicher Posaunenchöre Deutschlands und damit im evangelischen Posaunendienst in Deutschland, »zusammen mit allen anderen Posaunenchören sind wir Weltkulturerbe der Unesco.«

Die Proben zum Jubiläumskonzert am Sonntag, 14. April, in der Mittelstädter Festhalle (15 Uhr)  sowie am Sonntag, 21. April, in
Die Proben zum Jubiläumskonzert am Sonntag, 14. April, in der Mittelstädter Festhalle (15 Uhr) sowie am Sonntag, 21. April, in der Nürtinger Stadtkirche (18 Uhr) laufen bereits. Foto: Stephan Zenke
Die Proben zum Jubiläumskonzert am Sonntag, 14. April, in der Mittelstädter Festhalle (15 Uhr) sowie am Sonntag, 21. April, in der Nürtinger Stadtkirche (18 Uhr) laufen bereits.
Foto: Stephan Zenke

Die Geschichte der Vereinigung spiegelt sich im Gesicht des heutigen Vorsitzenden, wenn er im alten Protokollbuch aus den Gründungstagen blättert oder die Festschrift zum 100. Jubiläum hervorholt. Mal lächelt er, dann wieder schaut er ganz gerührt auf Fotos von Freunden, die – wie er selbst – mittlerweile ergraut sind. Zu vielen Texten oder Bildern fällt Dieter Veit etwas Bemerkenswertes ein. So weist er auf das stets langjährige Engagement der Verantwortlichen hin. Auch der heutige Dirigent, Udo Rein, ist schon 17 Jahre im Amt. Wie hat er es geschafft, auch junge Menschen zu begeistern?

»Man muss schon Freude und Fleiß haben«

»Die Gemeinschaft ist gleich geblieben, aber die Auswahl an Musikstücken hat sich geändert«, sagt der Vorsitzende. 16 Mitglieder hat der Posaunenchor heute, eine Multigenerationengruppe von derzeit 13 bis 83 Jahren. Nachwuchs ist stets willkommen, »ber man muss schon Freude und Fleiß haben«, so Veit. Einmal wöchentlich wird in der Ebenezer-Kapelle in Mittelstadt geprobt. Gespielt wird nach wie vor zum »Lob Gottes«, aber darüber hinaus auch bei vielen anderen Anlässen. Dazu gehören etwa die runden Geburtstage von Gemeindemitgliedern oder Besuche von kranken Menschen und im Altenheim.

Seit Jahren pflegt der Posaunenchor eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Musikverein von Mittelstadt. »Wir treten im Normalfall auch zweimal im Jahr miteinander auf. Mindestens beim Volkstrauertag auf dem Friedhof oder bei ökumenischen Gottesdiensten von Vereinsfesten«, erzählt Musiker Daniel Böhringer, ein Nachfahre des Gründungsmitglieds Gottlob Fauser. »Bei uns spielen drei Generationen im Posaunenchor. Die Kinder kriegen von Anfang an mit, dass der Chor ein wesentlicher Teil des Alltags ist«, erklärt Böhringer. Somit ist die Zukunft dieses christlichen Klangkörpers im Ort langfristig gesichert. (GEA)

www.emk-pliezhausen.de/musik/