REUTLINGEN. Eine kleine Geschmacksexplosion gefällig? Dann nichts wie ran an die »Hamburger Muskat« beziehungsweise »Muscat de Hambourg«, unter deren tiefblauer Schale intensive Aromen zum Naschen verführen. Unvergleichlich würzig schmecken diese saftigen Weintrauben, süß und trotzdem sanft-säuerlich. Kein Wunder also, dass sie bei zahlreichen Kunden des Reutlinger Wochenmarkts weit oben auf der Beliebtheitsskala rangieren.
Zu haben sind sie unter anderem am Stand von Alexander Bunzel, der die blauen Geschmackswunder aus Frankreich bezieht und davon spricht, dass die Güte der Früchte heuer nichts zu wünschen übrig lässt. Ob gekeltert oder als Tafelobst serviert: »Hamburger Muskat« schmeicheln dem Gaumen und haben deshalb binnen der zurückliegenden Jahre auch in Reutlingen eine kulinarische Fangemeinde gefunden. »Manche meiner Kunden kommen ganz gezielt, um diese Traubensorte zu kaufen. Und zwar ausschließlich diese«, sagt Bunzel. Wiewohl der 47-jährige Unterensinger etliche weitere Rebenfrüchte im saisonalen Angebot hat.
Kernlose Konkurrenz drängt auf den Markt
Weiße »Italia Muskat« beispielsweise, »Lavalée blau« sowie »Regina«. Außerdem »Chasselas«, eine alte Sorte, die in Deutschland unter dem Namen »Gutedel« bekannt ist, während der zurückliegenden ein zwei Dekaden jedoch an Zuspruch verloren hat - nicht zuletzt wegen der auf den Markt drängenden kernlosen Konkurrenz, die sich, obschon geschmacklich eher uninteressant, wachsender Popularität erfreut. Etwa »Thomsons« und »Crimsons«, die in der Verbrauchergunst stetig steigen. Derweil kernlose »Sultanas« - im getrockneten Zustand als Sultaninen offeriert - schon seit Längerem in vieler Munde sind.
Was Marktbeschicker Bunzel indes nur bedingt nachvollziehen kann: weil die »kleinen Kernlosen« - sie reifen in aller Regel in der Türkei - nur sehr zurückhaltend nach Traube und eigentlich bloß bappsüß schmecken; und weil sie, wie der 47-Jährige weiß, oft »stark gespritzt« wurden. Überhaupt findet der Unterensinger, dass kernlose Trauben auf der Zunge deutlich charakterloser und darob langweiliger daherkommen als - wie er sie augenzwinkernd nennt - »nicht kastrierte Sorten«.
Das Rezept: Kartoffel-Tarte mit Trauben-Topping
Zutaten (4 Portionen):
Mürbteig: 250 g Mehl (plus etwas zum Bearbeiten), 125g Butter (kalt, in kleinen Stücken), Salz, 1 Ei (Größe M)
Füllung: 400 g Kartoffeln, 1/2 Stange Lauch, 120g Gruyère, 3 Eier (M), 250 ml Schlagsahne, Salz und Pfeffer, Muskat (frisch gerieben)
Trauben-Topping: 250g Trauben, 1 Schalotte, 1 EL Weißweinessig, 1,5 EL Olivenöl, 6 Stiele Kerbel, 2 Stiele Estragon
Zubereitung: Für den Teig Mehl, Butter, ½ Tl Salz und Ei mit den Händen zügig zu einem glatten Teig verkneten, diesen zur Kugel formen, in Frischhaltefolie wickeln und mindestens 30 Minuten kalt stellen. Dann den kühlen Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche rund (etwa 28 cm Durchmesser) ausrollen und damit die gefettete Tarte-Form auslegen. Den Teig am Rand gut andrücken. Den Teigboden 30 Minuten kalt stellen. Anschließend mit einer Gabel mehrmals einstechen und im vorgeheizten Backofen bei 200 Grad auf mittlerer Schiene 20 bis 25 Minuten backen, herausnehmen und in der Form auf einem Gitter etwas abkühlen lassen. Für die Füllung Kartoffeln ungeschält in dünne Scheiben hobeln. Lauch in feine Streifen schneiden. Gruyère grob reiben und mit den Kartoffeln mischen. Eier und Sahne verquirlen, mit Salz, Pfeffer und Muskat würzen. Guss auf den Tarte-Boden gießen und Kartoffel-Käse-Mischung darüber geben. Im vorgeheizten Backofen bei 180 Grad auf der untersten Schiene 30 bis 35 Minuten backen. Tarte aus dem Ofen nehmen und auf einem Gitter 5 Minuten abkühlen lassen. Für das Topping Weintrauben waschen und halbieren. Schalotte fein würfeln. Essig, Olivenöl und Schalotten in einer Schüssel verrühren. Trauben untermischen. Tarte aus der Form lösen und auf eine Tortenplatte setzen. Trauben-Topping auf der Tarte verteilen, mit abgezupften Kräuterblättern bestreuen und servieren. (GEA)
Deshalb wieder zurück zu den »Hamburger Muskat«, die definitiv zu Alexander Bunzels Lieblingen zählen - vor allem in Kombination mit Käse. »Das müssen Sie unbedingt mal probieren.« Denn diese kulinarische Liaison sei eine Offenbarung. Wiewohl besagte Trauben beim Selbstversuch auch ohne Käse vortrefflich munden. Ihr Bukett ist solchermaßen stark, dass alle anderen Rebenfrüchte im Bunzel’schen Sortiment und direkten Vergleich nachgerade wässrig schmecken.
Ganz und gar nicht fade, sondern ziemlich gesalzen: die aktuellen Preise, die für Tafeltrauben aufgerufen werden. Bis zu 8 Euro das Kilo müssen Verbraucher derzeit berappen. Was Beschicker Bunzel alles andere als froh stimmt. »Die Inflation«, erklärt er, »macht sich hier klar bemerkbar«. Hinzu kommen gestiegene Transportkosten: hoher Spritpreis plus Maut-Gebühren.
Denn Letztere werden seit 1. Juli dieses Jahres auch für Freiluft-Händler wie ihn fällig. Wird Straßenzoll doch mittlerweile für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen erhoben. Konkret: Wer, wie »Vollsortimenter« Bunzel, seine Frischwaren nicht im Kleinwagen von A nach B karren kann, muss Maut zahlen und damit finanzielle Einbußen hinnehmen. Der 47-Jährige beziffert die monetäre Belastung mit 200 Euro monatlich.
Mit Augenmaß kalkulieren
Jammern liegt ihm dennoch fern. Bringt ja letztlich auch nichts und vermiest allenfalls die Laune. Stattdessen wird mit Augenmaß kalkuliert. Da im Einkauf beim Stuttgarter Großmarkt nahezu »alles« teurer geworden ist, gilt es abzuwägen und genau zu beobachten. Produkte, die preislich solchermaßen durch die Decke knallen, dass sie zu Luxusgütern mutieren, hat Alexander Bunzel vorübergehend aus seiner Angebotspalette genommen: »weil extreme Teuerung niemandem zu vermitteln, geschweige denn zuzumuten ist«.
Andere Vitaminspender kauft der 47-Jährige zwar trotz habhafter Preissteigerung ein, reicht die Mehrkosten jedoch nicht eins zu eins an seine Klientel weiter. Dies, sagt er sinngemäß, sei eine kleine Verneigung vor der Stammkundschaft, die dem Obst- und Gemüsestand seit teilweise über fünfzig Jahren die Treue hält. Zumal schon Oma und Opa Bunzel auf dem Reutlinger Wochenmarkt mitmischten, Enkel Alexander das Unternehmen mithin in dritter Generation führt und trotz schwierig gewordener Rahmenbedingungen am Lebenswerk seiner (Groß-)Eltern festhält - nach wie vor mit Vergnügen. (GEA)