REUTLINGEN. 150 Menschen bekleidet mit weißen Blusen und Röcken, Hosen, Hemden und Hüten sitzen in der Abendkühle zusammen, teilen ihr Essen und unterhalten sich angeregt – im Hintergrund singt ein Chor. Etwa so muss es vor knapp zwei Jahren gewesen sein. Beim ersten Dîner en blanc, also beim Abendessen in Weiß, das am Samstag, 23. Juli, um 19 Uhr seine zweite Auflage erlebt. Der Name ist auch diesmal wieder Programm: Alle Gäste sind gebeten, weiße Garderobe zu tragen. Anders als bei seiner Premiere findet das Abendessen heuer allerdings in vergrößerter Form auf dem Reutlinger Marktplatz statt. Organisator ist erneut der Verein »Köpfe für Reutlingen«.
»Man muss nicht unbedingt in Weiß kommen, aber wir freuen uns über jeden, der sich das Thema zu Herzen nimmt«, meint Horst Künstle zum »en blanc« im Namen. Gleichwohl drücken die Veranstalter ein Auge zu, wenn der Dresscode nicht eingehalten wird – etwa von spontanen Besuchern, die zuvor, weil direkt vom Arbeitsplatz kommend, keine Gelegenheit hatten, sich »en blanc« zu stylen.
Wie es funktioniert
Die Idee hinter einem Dîner en blanc ist leicht erklärt: Speisen und Getränke, gegebenenfalls auch weiße Tisch-Accessoires bringt jeder selbst mit – Tische werden von den Köpfen für Reutlingen gestellt.
Mit einem viel größer angelegten Konzept als vor der Pandemie übernehmen die Köpfe für Reutlingen den Aufbau von Bierbänken mit weißen Tischdecken. Um besser disponieren zu können, ist Anmeldung per Mail ausdrücklich erwünscht – damit genügend Garnituren aufgestellt werden können. Was nicht bedeutet, dass spontane Gäste unerwünscht wären. Im Gegenteil. Sie jedoch sollten auf Nummer sicher gehen und eigenen Klapp-Tische und Stühle mitbringen; genau so, wie es beim Dîner en blanc auch sonst üblich ist. Wo es dann am besten passt, werden die mitgebrachten Tische einfach an die bereits vorhandenen Tafeln rangeschoben. Neue Kontakte, vielleicht sogar Freundschaften, können auf diese Weise völlig unkompliziert geschlossen werden.
Zusätzlich dürfen Gäste gern eigene Tischdekorationen und sogar Showbeiträge mitbringen. »Vor drei Jahren haben wir schon einmal ein Dîner en blanc veranstaltet, da haben wir uns alle über die klasse und spontane Gesangseinlage eines Chors gefreut«, erinnert sich Künstle, der darauf hofft, dass das Nachahmer findet. Kurz: Die eigene Musik, Kunst, Literatur oder andere Programmpunkte können auf dem Event ganz zwanglos präsentiert werden.
Spontane Einlagen seien nicht nur erwünscht, sondern auf dem Marktplatz ist für sie auch der nötige Platz vorhanden. Für den weißen Abend hat sein Verein mit dem Marktplatz die richtige Location gefunden, ist Horst Künstle überzeugt: »Hier haben wir einfach genügend Raum für noch mehr Teilnehmer als im Bürgerpark.« 2019 war der Bürgerpark an der Stadthalle der Veranstaltungsort des Dîners.
Von Paris nach Reutlingen
Geboren wurde der Trend für das kultivierte Massenpicknick in Frankreich. Seit 1988 speisen einmal jährlich mitten in Paris fast 20 000 Menschen unter freiem Himmel an Tafeln mit weißer Tischwäsche. Der Innenhof des Kunstmuseums Louvre oder der Place de la Concorde waren schon Austragungsorte für das französische Original.
Zurück geht das Event auf Francois Pasquier, der einst seine private Gartenparty spontan in einen Park bei Paris verlegt haben soll – ohne diese Feier anzumelden. Daraus entwickelte sich eine Tradition, die sich erst in Frankreich und mittlerweile in vielen Städten Europas etabliert hat. »Die Köpfe für Reutlingen wollen was für die Stadt machen, Reutlingen wieder mehr beleben, dass Menschen in die Stadt kommen«, erklärt Künstle die Gründungsgedanken des Vereins. (GEA)