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Clubs, Radiosender, Reutlinger Stadtfest: Wie gehen sie mit »L'amour toujours« um?

Der Song »L'amour toujours« des italienischen DJs Gigi D'Agostino wird sowohl auf der Stuttgarter Fanmeile während der Fußball-EM als auch in den Bierzelten auf dem Wasen verboten - weil die Melodie für rassistische Parolen genutzt wird. Der GEA hat gefragt, wie Veranstalter in Reutlingen und regionale Radiosender mit dem Problem-Song umgehen. Die Ansichten der Befragten gehen auseinander.

REUTLINGEN. Der Song »L'amour toujours« - auf Deutsch ungefähr: »Nichts als Liebe« - des italienischen DJs Gigi D'Agostino wurde vor über 20 Jahren als Ode an das schönste Gefühl der Welt geschrieben. Seit Monaten jedoch machen Menschen deutschlandweit mit der Melodie der Dance-Hymne Stimmung gegen Ausländer: Vergangene Woche war ein Video viral gegangen, in dem feiernde Betrunkene auf der Nordseeinsel Sylt zur Melodie des Popsongs rassistische Parolen wie »Ausländer raus« und »Deutschland den Deutschen« gegrölt hatten. Seit Dienstag laufen zudem Ermittlungen gegen eine Gruppe, die am 1. Mai im baden-württembergischen Nagold ebenfalls rassistische Parolen geschmettert haben soll. Von einem begleitenden Umzugswagen tönte dazu »L'amour toujours«.

Die Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart hat nun die Konsequenz gezogen, das umstrittene Lied weder in den Wasen-Festzelten noch auf den Fanmeilen während der Fußball-EM zu spielen. Das wirft die Frage auf: Wird der Song jetzt auch bei Veranstaltern in Reutlingen verboten?

Das sagen Stadtmarketing und Reutlinger Gastronomen

Ein offizielles Verbot plant das Stadtmarketing für das baldige Stadtfest nicht. Eventmanagerin Hannah Leukert sagt dazu: »Wir werden explizit darauf hinweisen, dass es nicht gewünscht ist, dieses Lied zu spielen. Wir möchten es vermeiden, der rechten Szene hier eine Plattform zu bieten«. Zudem passe der Song auch gar nicht zur Musikrichtung, die beim Stadtfest üblicherweise gespielt werde, ergänzt Leukert.

Für den Reutlinger Gastronom Andrea Pinna gehört »L'amour toujours« weiterhin fest zum musikalischen Repertoire. »Wir haben den Song erst vergangenes Wochenende gespielt«, erklärt der Geschäftsführer der »Färberei 4 GmbH«, zu der auch der Club »P&K« gehört. »Die Leute haben gefeiert wie immer«, sagt Pinna. »Es ist schade, dass das Lied so benutzt wird.« Schließlich trage der Künstler keine Schuld an der Vereinnahmung seines Songs. Der Gastronom macht auch gleichzeitig klar: »Solange unsere Gäste Sylt nicht kopieren, wird der Song weitergespielt. Falls sie es doch kopieren, werden die Verantwortlichen des Hauses verwiesen.«

Auch für Onur Sönmez, Geschäftsführer von Holy 21-Entertainment und Betreiber der Disco »Nachtfabrik«, ist der Fall eindeutig: »Ich schränke die Kreativität meiner DJs nicht ein. Wenn jemand den Song spielen will, dann soll er das machen.« Sollten sich Gäste dabei rassistisch äußern, werde das Konsequenzen nach sich ziehen: »Die werden den Laden nicht mehr betreten. Rassismus hat für mich im Privaten und Geschäftlichen keinen Platz.«

Das sagen Radiosender in der Region

Aber nicht nur Veranstalter und Gastronomen müssen entscheiden, ob sie den Song im Programm behalten. Die Haltung des Stuttgarter Radiosenders »Antenne 1«, der auch ein Studio in Reutlingen hat, zu dem Problem ist klar: »Nein, wir spielen den Song nicht mehr«, sagt der Leiter der Musikredaktion Andreas Schmitt. Das Lied werde ja schon seit einiger Zeit für rechte Parolen genutzt und das wolle man nicht unterstützen. »Andere Songs des Künstlers spielen wir aber durchaus«, erklärt Schmitt. Denn D'Agostino könne schließlich nichts für die Vereinnahmung seiner Kreation.

Diese Einschätzung teilt auch Radio Neckaralb Live mit, das sein Studio in Reutlingen hat. Man müsse unterscheiden, »ob ein Künstler Auslöser von Diskussionen ist oder ob ein Song von Dritten 'missbraucht' wird«, sagt Programmleiter Christian Filip. »Gigi D'Agostino selbst habe sich, wie ich gelesen habe, stark von diesen Vorgängen in Deutschland distanziert. Auf dieser Grundlage sollten Radiosender entscheiden, ob sie einen Song in der Rotation belassen oder herausnehmen.« Radio Neckaralb Live hat den Song selbst gar nicht im Programm, da die Musik des DJs nicht zur »Musikfarbe« des Senders passe. »Man kann einen Song auch zeitweise aus der Rotation herausnehmen, um weitere Aufregung zu vermeiden«, erklärt Filip. »Wahrscheinlich hätten wir in diesem Fall so entschieden - mussten es aber nicht.«

Grundsätzlich scheint die Kontroverse über den Party-Kracher »L'amour toujours« die deutsche Radiolandschaft nicht großartig in ihrem Programm zu beschneiden. Ein Blick mittels Abruf-Software für Musiktitel zeigt laut Filip, »dass der Song ungehindert der Diskussionen weiterhin bis zu dreißigmal pro Woche in den unterschiedlichsten deutschen Sendern eingesetzt wird.« (GEA)