REUTLINGEN/REGION. Vier Barbershops und Friseurläden in der Reutlinger Innenstadt hat der Zoll am 16. Oktober genau unter die Lupe genommen. Auch einem Betrieb in Münsingen stattete die Pfullinger Zolldienststelle des Hauptzollamts (HZA) Ulm zusammen mit Vertretern der Handwerkskammer (HWK) Reutlingen an jenem Mittwoch einen Besuch ab. Insgesamt hat das Prüfteam des Zolls in Reutlingen und Umgebung bei gemeinsamen Aktionen jüngst aber noch mehr Friseur-Geschäfte überprüft, 15 insgesamt. Stets ging es dabei darum, Fälle von Lohndumping und Schwarzarbeit aufzudecken. Denn nicht nur auf dem Bau, sondern auch in der Haar- und Bartpflege-Branche gibt es Schwarze Schafe, die gesetzliche Vorgaben missachten oder allzu lax umsetzen.
Ein häufig genutztes Schlupfloch insbesondere in Barbershops ist das sogenannte Betriebsleitermodell: Dabei wird ein Meister nur pro forma angestellt, um den Betrieb als Meisterbetrieb ausweisen zu können. Denn das Friseurhandwerk in Deutschland ist meister- und zulassungspflichtig. Derartigen Missbrauch haben die Handwerkskammern zum Schutz ihrer korrekt arbeitenden Mitglieder im Blick.
Den Zollbeamten ging es bei den jüngsten Kontrollen hingegen um Schwarzarbeit. Auch Arbeitgebern, die weniger als die tariflich vereinbarten Löhne bezahlen und damit Steuer-, Kranken- und Rentenkassenabgaben umgehen, drohen von staatlicher Seite hohe Geldstrafen. Die Aufmerksamkeit des Pfullinger Kontrollteams galt deshalb vorrangig den Melde- und Aufzeichnungspflichten. So durchforsteten die Beamtinnen und Beamten in zwei Betrieben in der Metzgerstraße, einem in Bahnhofsnähe und einem im Gerberviertel, Geschäftsbücher und Unterlagen. Um mehr über geleistete Stunden und deren Entlohnung zu erfahren, befragten sie zudem die anwesenden Mitarbeiter. Angaben, die danach fehlten, mussten die Inhaber innerhalb einer Wochenfrist nachreichen.
Nach Kontrollen, die das Hauptzollamt kurz vor jenen im Kreis Reutlingen in Ulm gemacht hatte, wurden inzwischen in 5 von 13 Fällen Strafverfahren eingeleitet. Dem SWR zufolge werden von 133 Barbershops in der Donaustadt 37 über Betriebsleiter geführt. Von denen seien nach den Kontrollen 5 beanstandet worden. Gibt es nach rund einem Monat auch für Reutlingen schon Ergebnisse?
»In einigen Fällen stehen Mindestlohn- beziehungsweise Tariflohnverstöße im Raum«
»Mittlerweile sind fast alle im Rahmen der Prüfungen angeforderten Unterlagen eingegangen und die Auswertungen laufen«, erklärt der Ulmer HZA-Sprecher Hagen Kohlmann. »In einigen Fällen stehen Mindestlohn- beziehungsweise Tariflohnverstöße im Raum.« Diese müssten aber noch konkretisiert werden. Zudem sollen »Abklärungen hinsichtlich des Umfangs des Beschäftigungsverhältnisses einiger Arbeitnehmer« folgen. Sollte sich der Verdacht hinsichtlich der Mindestlohnverstöße erhärten, würden die Vorgänge an die jeweilige Staatsanwaltschaft beziehungsweise die Ahndungsstelle des Hauptzollamts Ulm abgegeben. Daraufhin würden gegebenenfalls wie in Ulm Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.
Zur Gewichtung erklärt Kohlmann: Aktuell sei das Barbier- und Friseurhandwerk nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz - noch - keine »besonders für Schwarzarbeit anfällige« Branche. Das werde sich wohl irgendwann, auf politisches Drängen der Handwerkskammern hin, ändern, meint der Zoll-Sprecher. »Die Schwerpunktkontrollen Frisörhandwerk/Barbershops haben wir in Städten oder Regionen gemacht, wo unserer Meinung nach ,Hotspots' sind.« Im Bezirk des HZA Ulm betreffe das lediglich Ulm und Reutlingen - »grob gesagt mit der Tendenz, dass bei rund 30 bis 40 Prozent (der typischen Barbershops) Verstöße vorlagen beziehungsweise weitere Ermittlungen im Hinblick auf die Einhaltung des Mindestlohns/Schwarzarbeit folgen. Das ist viel, wird sich aber mit zunehmenden regelmäßigen Kontrollen sicherlich künftig nach unten bereinigen.«
Das bedeutet: In Reutlingen ist die Situation nicht anders als in Ulm - »und wahrscheinlich auch im Rest der Republik, weil eher die Art der Branche oder Dienstleistung ausschlaggebend sein dürfte als die Region«, teilt Hagen Kohlmann auf Nachfrage mit.
»Den im Rahmen der Amtshilfe tätigen Polizisten ging es um einfache Personenüberprüfungen«
In zwei Fällen wurde bei den Kontrollen in Reutlingen die Polizei hinzugezogen. Beide betrafen Kohlmann zufolge das Ausländerrecht und Aufenthaltsrecht, »gegebenenfalls auch andere Ausschreibungsgründe«. Da sei der Zoll als Behörde dann nicht mehr zuständig. Die Kollegen des Polizeireviers Reutlingen wurden deshalb am 16. Oktober »im Rahmen der Amtshilfe unterstützend tätig«, wie Jan Stähle von der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Reutlingen erläutert. Es ging dabei »um einfache Personenüberprüfungen«. Die jeweiligen Personendaten würden dazu mit den in polizeilichen Systemen hinterlegten Informationen abgeglichen. Konsequenzen daraus ergaben sich nicht. Die Abfragen würden auch statistisch nicht erfasst.
Martin Schübel und seine Mitarbeiterin von der HWK Reutlingen interessierte hingegen, ob der eingetragene Meister tatsächlich im Barbershop arbeitet. Denn durch angestellte Meister dürfen die nicht nur Bartpflege, sondern auch Haarschnitte anbieten. Die Kammer verlangt, dass Betriebsleiter zu 100 Prozent anwesend sind, erklärt der Abteilungsleiter Recht und Handwerksrolle. Wird der Nachweis über regelmäßige Gehaltszahlungen des Meisters nicht erbracht, können Betriebsuntersagungs-Verfahren folgen. So sollen korrekt arbeitende Handwerksbetriebe geschützt und unlauterer Wettbewerb verhindert werden. Aktuell gebe es noch kein »Ergebnis«, erklärt Schübel auf Nachfrage. Die offenen Punkte aus der Kontrolle seien noch in Bearbeitung. (GEA)