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Betzingen: Echaz-»Flaschenhals« ist bald Geschichte

Der offizielle Startschuss für den Abbruch des Bürogebäudes in der Wannweiler Straße 11 markiert einen Meilenstein im Betzinger Hochwasserschutzkonzept. Oberbürgermeister Thomas Keck spricht sogar von einem historischen Tag. Das hat mehrere Gründe.

Oberbürgermeister Thomas Keck und ein Mitarbeiter der Baufirma beim symbolischen Baggerbiss in Betzingen.
Oberbürgermeister Thomas Keck und ein Mitarbeiter der Baufirma beim symbolischen Baggerbiss in Betzingen. Foto: Frank Pieth
Oberbürgermeister Thomas Keck und ein Mitarbeiter der Baufirma beim symbolischen Baggerbiss in Betzingen.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN-BETZINGEN. Die Baggerschere nagt sich ins Gemäuer, das krachend zu Boden geht. Es ist der offizielle, ziemlich brachiale Startschuss für den Abbruch des Bürogebäudes in der Wannweiler Straße 11. Und, so Oberbürgermeister Thomas Keck beim Baggerbiss, ein historischer Tag für Betzingen. Denn endlich ist der Weg frei für den vorletzten Baustein im Betzinger Entwicklungskonzept Echaz, ohne den alle anderen, teils schon umgesetzten Maßnahmen nicht viel bringen: Der berühmt-berüchtigte »Flaschenhals«, eine Gewässer-Engstelle hinterm Rathaus, kann aufgeweitet und damit eine der Hauptursachen für ein Überfluten der Ortsmitte beseitigt werden. Die Erleichterung beim kleinen Festakt ist spürbar, schließlich brauchte es fast 20 Jahre, bis die Verhandlungen mit dem Privateigentümer zu einem guten Ende kamen.

Spektakuläres Bild

Seit Jahren stand das Bürogebäude an der Ortsdurchfahrt leer. Unscheinbar, ein bisschen heruntergekommen. Auf seine letzten Tage bietet es ein spektakuläres Bild. Nur noch die Fassaden stehen, ein steinernes Gerippe. An einem 36 Meter hohen Kran hängen zur Echaz hin 20 Meter lange, massive Fallschutz-»Vorhänge«. »Es darf nichts ins Wasser plumpsen«, erklärt Anne Schüller, stellvertretende Abteilungsleiterin Gewässer bei der Stadtentwässerung Reutlingen (SER) mit Verweis auf die Fischschonzeit. Auch der Gehweg muss geschützt werden. Sobald die Abbrucharbeiten zur Straße hin weitergehen, wird »umgehängt«.

Der Bagger macht den Weg frei für den  Betzinger Hochwasserschutz.
Der Bagger macht den Weg frei für den Betzinger Hochwasserschutz. Foto: Frank Pieth
Der Bagger macht den Weg frei für den Betzinger Hochwasserschutz.
Foto: Frank Pieth

Langwierige Vorbereitungen

Der Abriss geht ruckzuck, wahrscheinlich Ende nächster Woche ist das Gebäude vollends platt. Viel länger dauerten die Vorbereitungen. Die Entkernung samt aufwendiger Untersuchungen begann Ende November. »Man kann heute keinen Rückbau mehr machen, bevor man nicht die Bausubstanz auf potenzielle Schadstoffe untersucht hat«, erklärt Andreas Sonntag, Geschäftsführer der beauftragten Berghof-Umweltengineering GmbH. Er nennt, typisch für ältere Gebäude, asbesthaltige und teerhaltige Baustoffe sowie künstliche Mineralfasern, auf die er auch in Betzingen stieß.

Wichtiger Konsens

Das alles ist samt Entsorgung beim symbolischen Baggerbiss längst erledigt. Vorausgegangen ist eine jahrelange Planungs- und Verhandlungsphase mit »vielen Höhen und Tiefen«, sagt Oberbürgermeister Thomas Keck mit Blick auf den Eigentümer des Gebäudes, Reinhard Detzel. Letztlich sei es allen Beteiligten gelungen, im Sinne des Hochwasserschutzes einen Konsens zu finden. Einen überaus wichtigen, denn Betzingen werde immer wieder vom Hochwasser erwischt. »Der Handlungsdruck ist hoch, da geht es um Leib und Leben.«

Der  Echaz-»Flaschenhals« ist bald Geschichte: Beim Bürogebäude links ist der Abbruch in vollem Gang, der VHS-Anbau gegenüber so
Der Echaz-»Flaschenhals« ist bald Geschichte: Beim Bürogebäude links ist der Abbruch in vollem Gang, der VHS-Anbau gegenüber soll in einem Jahr weichen. Foto: Frank Pieth
Der Echaz-»Flaschenhals« ist bald Geschichte: Beim Bürogebäude links ist der Abbruch in vollem Gang, der VHS-Anbau gegenüber soll in einem Jahr weichen.
Foto: Frank Pieth

Weil die Echaz auf Höhe des Detzelschen Gebäudes und des Volkshochschulanbaus gegenüber »massiv eingeengt« ist, so Keck, nämlich auf schmale sieben Meter, tritt sie bei hohem Pegelstand immer wieder übers Ufer und flutet die Ortsmitte. Der Abbruch des Gebäudes ermöglicht eine Aufweitung auf 15 Meter. Was, wie der Rathaus-Chef anmerkt, zumindest rechnerisch bei einem hundertjährigen Hochwasser plus eines Klimafaktors von 15 Prozent eine Ausuferung verhindert.

Fertigstellung dauert bis 2030

Im Dezember 2023 war der öffentlich-rechtliche Vertrag mit Reinhard Detzel unterschriftsreif. Er plant ein neues Wohn- und Geschäftsgebäude, Ende des Jahres soll das Baugesuch eingereicht werden. Außerdem kann der Lidl-Markt auf dem Detzelschen Grundstück seine Erweiterungspläne umsetzen. Die Stadt wiederum kann die notwendigen Flächen für den Gewässerausbau kaufen. Im April soll mit der Erstellung einer neuen Bohrpfahlwand begonnen werden. Bis die Engstelle endgültig beseitigt ist, dauert es, denn erst muss das Egelhaaf-Gelände so weit fertig sein, dass die Volkshochschule umziehen und ihr altes Domizil zum Teil abgerissen werden kann. Anfang 2027 dürfte es laut Keck so weit sein. Der eigentliche Gewässerausbau könnte dann im Juni 2027 starten. Wegen der Fischschonzeiten von Oktober bis Mai zieht sich das Vorhaben in die Länge, Baupausen soll es deshalb aber nicht geben: Im Wasser während der Schonzeit zwar schon, aber nicht bei den Arbeiten außerhalb, wie etwa dem Bau einer Schutzmauer in Form eines Steinsatzes. Läuft alles nach Plan, ist das Hochwasserschutz-Entwicklungskonzept Echaz mit seinen sechs Bausteinen im Herbst 2030 abgeschlossen.

Betzingens Bezirksbürgermeister Friedemann Rupp wertet beim Baggerbiss den Abbruch als »ganz, ganz wesentlichen Baustein, um Betzingen hochwassersicher zu machen«, spricht von einem »Schlusspunkt unter eine unendliche Geschichte« und dankt wie OB Keck Reinhard Detzel für seine Gesprächsbereitschaft. Und, mit Blick auf die alte VHS-Meisterschule: »Das war nicht der letzte Baggerbiss.« (GEA)