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Beachbar auf dem Reutlinger Kaufhof-Dach ist passé

Zwischennutzung Galeria Kaufhof in Reutlingen: Viel Interesse, viele offene Fragen und kurz vor knapp kein Mietvertrag.

Da hatte sich so mancher schon gefreut: Doch  mit dem Chillen auf dem Kaufhofdach wird es nichts.
Da hatte sich so mancher schon gefreut: Doch mit dem Chillen auf dem Kaufhofdach wird es nichts. Foto: Sebastian Willnow/dpa
Da hatte sich so mancher schon gefreut: Doch mit dem Chillen auf dem Kaufhofdach wird es nichts.
Foto: Sebastian Willnow/dpa

REUTLINGEN. Kein Aperol auf dem Dach der leerstehenden Galeria-Kaufhof-Immobilie in Reutlingen: Die Beachbar ist laut Markus Flammer vom Tisch. Der Eigentümer möchte keine Nutzung von Erdgeschoss und viertem Stock mit den leeren Etagen dazwischen, führte der Leiter der Wirtschaftsförderung im Reutlinger Rathaus am Dienstagabend im Spitalhof im Rahmen des Runden Tisches Kultur aus.

Der Mietvertrag für die von der Stadt anvisierte Interimsnutzung (der GEA berichtete) von 1.200 Quadratmetern im Erdgeschoss und der Dachfläche ist weiterhin nicht unterschrieben. Die Verhandlungen mit dem amerikanischen Eigentümer gestalten sich schwierig, daraus machte Flammer im Spitalhof keinen Hehl: »Die Geschichte hat sich allein heute zweimal gedreht.« Nun habe der Einzelhändler abgesagt, der sich im EG einmieten wollte. Was fürs städtische Vorhaben den Vorteil bringt, dass man den Zugang Gartenstraße nutzen könnte. Nachteil: keine Parkhausnutzung ohne den Einzelhändler.

»Wir sind jetzt die einzigen Mieter«

12.5000 Quadratmeter ehemalige Verkaufsfläche stehen zur Verfügung, für die bisher ein siebenstelliger Betrag per anno an Miete fällig wurde. Die Stadt will von Juni bis 31. Dezember 1.200 Quadratmeter im Erdgeschoss anmieten und das oberste Parkdeck. Als Mietpreis für die »Pop-up-Galeria« ist laut Flammer ein einstelliger Betrag pro Quadratmeter ausgehandelt.

Auf je 300 Quadratmeter sollen Bewegungsangebote, Pop-up-Stores, Kunst und Kultur, Arbeits- und Lernflächen einziehen, um den Leerstand zu beleben. Für die Zwischennutzung sollen durch das Bundesförderprogramm »Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren« (ZIZ) 750.000 Euro fließen. Wie das Geld eingesetzt werden kann, erarbeitet die städtische Wirtschaftsförderung bereits seit vergangenem Jahr mithilfe der Hamburger Agentur Stadtmanufaktur.

Nach »Zwischennutzungswerkstätten« und einer Videokonferenz sind mittlerweile ernsthafte Interessenten bekannt, die dort ein paar Monate experimentieren möchten, dafür aber nur wenig Geld aufbringen können.

Die Arbeitsgemeinschaft Reutlinger Sportvereine (ARS) vertritt aktuell 47 Vereine. Sie möchte seitens des Sports die Koordination übernehmen. Zu den Interessierten gehören etwa die Eagles des SSV Reutlingen und die TSG, berichtet ARS-Geschäftsführerin Jutta Fundel auf GEA-Anfrage.

Nach einem Brainstorming mit Moritz Randecker vom städtischen Sportamt arbeitet Fundel an einem Konzept. Um die vorgesehenen Öffnungszeiten lückenlos abdecken zu können, schwebt ihr etwa ein selbsterklärendes Bewegungsangebot in Form eines »Grundrauschen für 0 bis 99 Jahre« für die Zeiten vor, da kein Sportverein vor Ort sein kann.

Gegebenenfalls könnte man auch weniger bekannte Sportarten und neue Trends zur Präsentation und als Mitmachangebot in das zentral gelegene Gebäude verlegen. Die Idee: sich allgemein breiter aufstellen, näher an die Bürger herankommen, Bedarf ermitteln, insbesondere auch Kinder und Jugendliche aus der Reserve locken. Auch sei man mit Vertretern des Kulturbereichs in Kontakt. 

Reutlingens größter Ladenleerstand: Wie könnte das prägnante Kaufhof-Gebäude wieder mit Leben gefüllt werden?
Reutlingens größter Ladenleerstand: Wie könnte das prägnante Kaufhof-Gebäude wieder mit Leben gefüllt werden? Foto: Foto: Pieth
Reutlingens größter Ladenleerstand: Wie könnte das prägnante Kaufhof-Gebäude wieder mit Leben gefüllt werden?
Foto: Foto: Pieth

In puncto Kooperation könnte man sich gemeinsame Projekte wie »Füße in Bewegung«, »Hände in Bewegung« als Fotowettbewerb oder einen Sportfotografieworkshop vorstellen. Bislang fische man noch ein bisschen im Trüben. »Ich hoffe, dass wir zeitnah mehr Klarheit bekommen, ob und wie wir die Zwischennutzung durchführen können.« Zu klären wäre etwa: Kann man von der Decke etwas herunterhängen lassen? Inwieweit ist die belastbar?

»Die Geschichte hat sich allein heute zweimal gedreht«

Auch Jutta Fundel meint: Sollte das mit Galeria nichts werden, ist ihr Konzept nicht unbedingt verloren, da es sich übertragen lasse. »Man muss ja ohnehin Ideen für einen zukunftsorientierten Sport entwickeln, Visionen spinnen, auch über Galeria Kaufhof hinaus. Denn wenn wir warten, bis der Startschuss für die Zwischennutzung des Gebäudes fällt, dann haben wir den Start verpennt.«

An Belastung fürchtet Thomas Becker von der Reutlinger Volkshochschule vor allem die finanzielle. Zusammen mit Hochschulen aus Reutlingen und Nürtingen war auch er bei den Gesprächen zur Zukunft des Galeria-Gebäudes im Rathaus. Sowohl die VHS als auch die Hochschulen mit ihrem Designbereich, dem Texoversum oder dem Studienbereich Kunsttherapie an der HfWU Nürtingen-Geislingen haben dort ihre Ideen vorgestellt. »Natürlich können wir inhaltlich diesen Raum bespielen«, sagt er. Etwa mit Workshops, Abschlussausstellungen oder einer kleinen Bühne für Konzerte der Musikschule.

Zur Vorstellung der Jugendkunstschule – die zweitgrößte im Land und die einzige ohne eigenes Gebäude – wäre der zentrale Ort von der Öffentlichkeitswahrnehmung her gut. Denn vieles ist zwischen Garten-, Karl- und Kaiserstraße von außen einsehbar.

» Man muss ja ohnehin Ideen für einen zukunftsorientierten Sport entwickeln, auch über Galeria Kaufhof hinaus.«

Auch wenn die Zwischennutzung angesichts der Semesterferien etwas spät beginnt und die Laufzeit von sechs Monaten kurz ist, »vor zehn Jahren hätten wir gesagt, super, das machen wir!« Aber nach den jüngsten Zuschusskürzungen könne sich die VHS solcherlei Extras nicht leisten. Sprich: Betriebskosten oder Miete bezahlen geht ebenso wenig wie Personal für zusätzliche Aufgaben freischaufeln. Zudem sind aus Beckers Sicht noch viele Fragen offen: Wer macht die Koordination, etwa von Terminen? Wie sieht es mit einem Hausmeister aus? Wann ist offen, wann nicht? Im Übrigen fände Thomas Becker auch das Breuninger-Gebäude in der Wilhelmstraße für die Jugendkunstschule geeignet.

Bei den Kulturschaffenden sind maßgeblich das Netzwerk Kultur Reutlingen und das Haus der Kulturen an einer Zwischennutzung interessiert. (GEA)