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Aufzug kaputt: Angeklagter kommt nicht in den Gerichtssaal

Eigentlich hätte das Schöffengericht über zwei Angeklagte verhandeln sollen - allerdings gelangte einer nicht bis in den Gerichtssaal. Dessen Verhandlung wurde vertagt, der andere - trotz umfassendem Geständnis - zu einer Haftstrafe verurteilt.

Foto: Archiv/Stephan Zenke
Foto: Archiv/Stephan Zenke

REUTLINGEN. Kurioser Auftakt einer Verhandlung: Eigentlich hätte gegen das in vielen Punkten angeklagte Diebes- und Betrugsduo gemeinsam verhandelt werden sollen. Allerdings gelang es den Justizbeamten trotz vieler Versuche nicht, einen der beiden Angeklagten in den Gerichtssaal zu bringen. Schuld war ein kaputter Aufzug. Der funktioniere seit Monaten nicht, wie Amtsrichter Eberhard Hausch verärgert erklärte. Was zur Folge hat, dass das Reutlinger Amtsgericht für gehbehinderte Menschen kaum erreichbar ist. Auch für den angeklagten Rollstuhlfahrer führte kein Weg vor den Kadi: Der Rollstuhl befand sich nämlich in solch schlechtem Zustand, dass es auch nicht möglich war, ihn die Treppen nach oben zu ziehen.

Der Angeklagte konnte also unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen und muss nun warten, bis der Aufzug repariert oder ein barrierefreier Verhandlungsraum gefunden wurde. Dann wird sein Fall separat verhandelt.

Eine »ganze Litanei« an Vorstrafen

Der 38-jährige Angeklagte hingegen gelangte problemlos in den Gerichtssaal, er wurde von den Justizbeamten direkt vom Gefängnis aus dort hingebracht. Es war nicht das erste Zusammentreffen mit Justitia - ganz im Gegenteil. Eine »ganze Litanei« an Voreintragungen verlas Richter Hausch, vielfach einschlägig vorbestraft ist der Mann, einige der Strafen sind noch nicht komplett verbüßt.

Zum ersten Verhandlungstag war er nicht erschienen, blickte der Richter zurück. Statt dessen beging er just zu der Zeit eine weitere Straftat. Kurz darauf wurde er allerdings von der Polizei aufgegriffen und befindet sich aktuell in Haft. Fünf neue Taten wurden in einem zweiten Anlauf am Montag vor dem Schöffengericht verhandelt, angeklagt unter anderem als: unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln und einer Schusswaffe, Einbruch, Diebstahl, Betrug, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Sachbeschädigung. So wurden der Angeklagte und sein Mittäter mit Kokain, THC und einer Waffe erwischt, sie brachen Autos auf und stahlen Wertgegenstände, bestellten mit fremden Kreditkarten Mobiltelefone, täuschten vor, Motorräder kaufen zu wollen und brachten sie von der Probefahrt nicht zurück. Die Tatorte erstreckten sich über das ganze Kreisgebiet, von St. Johann über Bad Urach bis Reutlingen.

Angeklagter ist geständig

Zu Gunsten des Angeklagten sprach, dass er ein fast vollumfängliches Geständnis ablegte. Mit dem Zugeben der Taten ersparte er dem Gericht viel Zeit, denn keiner der sechs Zeugen musste aussagen - was alle Verfahrensbeteiligten wohlwollend zur Kenntnis nahmen. Nur den Handel mit Betäubungsmitteln stritt er ab. Es sei alles für den Eigenbedarf gewesen, erklärte er - die Staatsanwaltschaft ließ diesen Anklagepunkt daraufhin fallen. Die Abhängigkeit ist auch das Motiv für alle Straftaten. Seit seinem 16. Lebensjahr nimmt der nun 38-Jährige Drogen aller Art - von Cannabis über Kokain bis Crack und Speed. Er sei seit vielen Jahren Konsument. Entzugsversuche, von denen es mehrere gab, scheiterten allesamt. »Ich bin immer wieder schnell rückfällig geworden und alles fing von vorne an«, sagte er vor Gericht aus. Nun habe er eine neue Partnerin, die zu ihm halte - deshalb wolle er erneut einen Entzug versuchen. »Ich habe Dinge, auf denen ich aufbauen kann«, betonte er. Beispielsweise eine abgeschlossene Berufsausbildung und er sei auch entschlossen, sein Leben in den Griff zu bekommen.

Ein Plan, den auch Richter Eberhard Hausch, begrüßte. »Sonst ist Ihr Leben irgendwann vorbei und Sie haben den Großteil davon im Gefängnis oder dem Entzug verbracht«. Allerdings brauche es angesichts des gravierenden Vorlebens »eine deutliche Strafe«, so Hausch. Weshalb das Schöffengericht nur wenig unter der geforderten Strafe von Staatsanwältin Rinoa Stephan blieb: Die hatte auf drei Jahre und neun Monate plädiert, das Gericht verhängte drei Jahre und sechs Monate. Zusätzlich verbunden mit der Mahnung an den Angeklagten, nicht mehr straffällig zu werden: »Die Preise werden immer höher«, so Hausch. Nach der Haftstrafe möge der Angeklagte endlich versuchen, drogenfrei zu werden. (GEA)

Im Gerichtssaal

Richter: Eberhard Hausch; Schöffen: Bettina Bamberg und Thomas Hirsch; Verteidigerin: Franziska Rückert; Staatsanwältin: Rinoa Stephan