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Auf dem Reutlinger Wochenmarkt: Grabschmuck von Mutter Natur

Der November naht und mit ihm die traditionellen Totengedenktage. Viele Hinterbliebene dekorieren jetzt die letzten Ruhestätten ihrer Lieben mit Kränzen oder anderen schmucken Gebinden. Marktbeschicker Peter Hochstetter fertigt sie in Handarbeit mit ausschließlich natürlichen Materialien an

Der Wannweiler Gärtner, Florist und Marktbeschicker Peter Hochstetter kreiert Grabschmuck ausschließlich aus natürlichen Materia
Der Wannweiler Gärtner, Florist und Marktbeschicker Peter Hochstetter kreiert Grabschmuck ausschließlich aus natürlichen Materialien regionaler Herkunft. Foto: Frank Pieth
Der Wannweiler Gärtner, Florist und Marktbeschicker Peter Hochstetter kreiert Grabschmuck ausschließlich aus natürlichen Materialien regionaler Herkunft.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Mit Allerheiligen beginnt traditionell die Zeit des Totengedenkens. Seit Jahrhunderten ist das schon so. Und seit Jahrhunderten ist es außerdem üblich, dass Hinterbliebene zu Beginn des Monats November die Gräber ihrer Verstorbenen besonders liebevoll mit Blumen, Kerzen und Gebinden dekorieren. Wobei Katholiken dies seit alters her an Allerheiligen tun, derweil Protestanten dafür den Totensonntag auserkoren haben. Hinzu kommen Allerseelen und der Volkstrauertag, der an die Opfer von Gewalt und Krieg erinnert.

Was all diese Gedenktermine eint? Sie sind mit respektvollem Innehalten sowie stillem Memento mori verbunden - und mit Grabpflege. Zumal die letzten Ruhestätten im November meist winterfein gemacht werden: mit Gestecken und Kränzen, die die kalte Jahreszeit tunlichst ansehnlich überdauern sollten, ehe im Frühling mit Primeln und Narzissen wieder das blühende Leben auf den Friedhöfen Einzug hält.

Dekorative Topseller: Kränze, Kreuze und Herzen

Oh ja, robust sollte der letzte Grabschmuck im Jahreslauf sein. Diese Anforderung wird nahezu immer an ihn gestellt. Weshalb der Trend seit geraumer Zeit weg von rasch welkenden Schnittblumen- und hin zu immergrünen Gebinden geht: vom klassischen Kranz bis hin zu herzförmigen Kreationen. »Auch Deko-Kreuze«, weiß Marktbeschicker Peter Hochstetter, »sind stark nachgefragt«. Jedenfalls am Stand des Wannweilers, wo aktuell die Grabschmuck-Saison eingeläutet wird.

Als ausgebildeter Gärtner und Florist, freut sich der 55-Jährige auf und über den November, der zwar oft nebelumwaberte Tristesse verströmt, jedoch auch kreative Abwechslung in seinen Berufsalltag bringt. Windet und bindet Hochstetter den von ihm angebotenen Zierrat doch selbst. »In reiner Handarbeit und ausschließlich mit natürlichen Materialien«, wie er sagt.

Besonders dauerhaft und piksig: Blautannenzweige

Moose sind so eine Zutat, die er gerne verarbeitet. Zapfen, Baumrinde und Reisig ebenfalls. Bevorzugt greift Hochstetter außerdem auf Blautannenzweige zurück. Sind diese doch - weil kaum nadelnd - besonders dauerhaft. Besonders piksig sind sie freilich auch. Doch, was soll’s. Für den 55-Jährigen ist es das Ergebnis, das zählt: nämlich geschmackvolles Aussehen gepaart mit langer Haltbarkeit, lieber schlicht als überladen. Außerdem legt Peter Hochstetter Wert auf regional gewachsene Rohstoffe.

All das hat sich inzwischen auf dem Reutlinger Wochenmarkt rumgesprochen und wird von der Kundschaft goutiert. »Viele Leute kommen ganz gezielt zu mir, um Grabschmuck zu kaufen« - selten spontan, meist auf Bestellung. »Sie wollen frische Ware haben« und nichts, das schon seit geraumer Zeit auf Halde liegt. Manche Kunden lassen Peter Hochstetter beim Arrangieren und Komponieren komplett freie Hand, andere haben Gestaltungswünsche und wieder andere kennt der Wannweiler inzwischen so gut, dass er präzise weiß, was ihnen gefällt.

Trend zum Urnengrab: Wenig Platz für Gestecke

Gibt es Modetrends? Nicht wirklich. Nur eines fällt auf: die bei ihm georderten Gestecke und Gebinde sind heutzutage meist kleiner dimensioniert als das früher der Fall war. Dieses Phänomen ist indes weder dem Zeitgeist noch dem Geldbeutel geschuldet, sondern dem Wandel der Bestattungsformen. »Es gibt«, sagt Hochstetter, »immer mehr Urnengräber«, die nur wenig Fläche bieten. Wagenradgroße Kränze oder Gestecke scheiden deshalb schon allein aus Platzgründen aus.

Derweil sich auf den Gottesäckern auch in Reutlingen und der Region immer mehr Plastik ausbreitet. Kunstblumen, hat der 55-Jährige beobachtet, sind im Kommen. Bewerten oder kommentieren möchte er diese Entwicklung jedoch nicht. Denn erstens ist Grab-Deko immer auch kulturellen Einflüssen unterworfen und zweitens lässt sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten. (GEA)