REUTLINGEN. Die gute Nachricht zuerst: Die Region Reutlingen liegt mit Krankschreibungen von 5,8 Prozent aller Kalendertage in 2024 sowohl unter dem Landesdurchschnitt von 6,0 Prozent als auch unter dem bundesweiten Durchschnitt von 6,5 Prozent. Doch was Sorge bereitet, ist der Krankenstand, der im Jahr 2024 im Vergleich mit 2023 gleich blieb - entgegen der Prognosen.
»Nach den Coronatagen mit Rekord-Krankheitstagen wäre das Sinken der Erkrankungen für die Unternehmen und Einrichtungen in unserer Region wichtig gewesen«, betonte Marion Rostam, Geschäftsführerin der AOK Neckar-Alb. Zusammen mit Monika Rautenberg, Koordinatorin für Betriebliches Gesundheitsmanagement, stellte sie jüngst den AOK-Gesundheitsreport für das vergangene Jahr vor. 78.344 Versicherte hat die AOK derzeit im Landkreis, was einem Marktanteil von über 50 Prozent entspricht. Ihre Daten gelten daher als repräsentativ.
Hohe Werte auch in den Sommermonaten
»Wir leben in einer sehr herausfordernden Zeit«, so Rostam. Die politische Lage, der Finanzdruck, der demografische Wandel, der Klimawandel, die fehlenden Fachkräfte – das alles stelle Menschen vor Probleme. Im Zehnjahresverlauf gab es durch die Coronapandemie einen explosionsartigen Anstieg der Krankenstände im Jahr 2022. 2023 seien diese zwar wieder etwas abgesunken, 2024 jedoch nicht weiter gefallen, berichtete Monika Rautenberg.
Zum ersten Mal habe es außer den üblichen hohen Krankenzahlen in Winter und Frühjahr auch in den Sommermonaten hohe Werte gegeben. Die Gründe seien eine offenbar weltweite Coronawelle sowie die Großveranstaltungen der Fußball-WM mit vielen Kontakten gewesen. Atemwegserkrankungen hätten den größten Anteil an den Krankschreibungen, gefolgt von Muskel- und Gelenkerkrankungen sowie Erkrankungen des Verdauungssystems. Seit 2014 stiegen auch psychische Erkrankungen extrem an. Gleichzeitig sei es immer schwieriger, einen Therapieplatz zu bekommen.
»Die Krankenstände wirken sich auch wirtschaftlich negativ aus«, resümiert Rostam. Daher sei eine Unternehmensführung wichtig, die auch die Gesundheit der Arbeitnehmer im Blick habe. Unternehmer seien außerdem immer stärker konfrontiert mit dem demografischen Wandel. Ältere gingen in Rente, immer weniger Junge kämen nach.
Die meisten Krankschreibungen gibt es bei Risikoberufen
Wie 2023 ließen sich Beschäftigte im Verkehrs- und Transportwesen am häufigsten krankschreiben, gefolgt von Entsorgung und Baugewerbe. »Eine Rolle spielen dabei schwere körperliche Arbeit sowie Belastungen wie in etwa Schichtdienst«, so Rautenberg. Doch auch Drucktechnik, Textilreinigung, Holzverarbeitung, Chemie- und Pharmatechnik verzeichnen viele Fehltage. Es sei nachgewiesen, so Pressesprecherin Eveline Blank, dass Feinstaubbelastung sich negativ auf Influenza auswirke.
Ebenfalls hoch sind die Krankenstände in der Öffentlichen Verwaltung. Als Grund wird die starke emotionale Belastung in der Arbeit mit Menschen, aber auch der Personalmangel, beispielsweise in den Kitas, angenommen. Bei Ausfällen müssten Gesunde die Arbeit der Kranken mit übernehmen. Am geringsten fiel der Krankenstand bei Banken und Versicherungen sowie Beschäftigten in der Bauplanung und -entwicklung und in der technischen Forschung und Entwicklung aus.
Frauen achten besser auf ihre Gesundheit
Hinsichtlich Alter und Geschlecht seien junge Arbeitnehmer, wohl wegen der Umstellung auf das ungewohnte Berufsleben, häufig krankgeschrieben. Ab 50 nehmen die Krankenstände kontinuierlich zu. »Es gibt oft mehrere Krankheitsbilder gleichzeitig, auch die Dauer der Erkrankungen steigt an. Generell sind Frauen weniger krank, was wohl daran liegt, dass sie besser nach sich schauen und sich um gute Ernährung und Prävention kümmern«, so Rautenberg. (GEA)