TÜBINGEN / REUTLINGEN. Der delegierte europäische Staatsanwalt Jörg Schröder aus Hamburg und das Schöffengericht des Amtsgerichts Tübingen waren sich einig: »Der Angeklagte ist schuldig der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Einfuhrabgaben«, urteilte Richter Benjamin Kehrer am Donnerstag dieser Woche.
Der 56-jährige Kaufmann habe bei einem Re-Import von zehn dreiachsigen, sechsrädrigen Mercedes aus Malaysia 714.000 Euro Einfuhrgebühren nicht bezahlt. Der Betrag werde eingezogen. Obendrein muss der Angeklagte 25.000 Euro Strafe bezahlen. Nicht zu vergessen: Das für Wirtschaftskriminalität zuständige Amtsgericht verurteilte den Kaufmann zu einer 1,5-jährigen Haftstrafe – allerdings auf Bewährung.
Was ihm vorgeworfen wurde? Bei einem Re-Import von zehn Fahrzeugen der Marke Mercedes G-Klasse 6x6 AMG zum Stückpreis von 600.000 Euro habe der Kaufmann fälschlicherweise die gültige Dreijahresfrist geltend gemacht – obwohl die bereits abgelaufen war. Das stimmt, hatte der 56-Jährige zugegeben. Aber: Das Geschäft mit seinen Partnern und den malaysischen Verkäufern sei schon vor dem Ablauf der Frist per Handschlag getätigt worden.
Das wiederum stimme nicht, wie Richter Kehrer in der Urteilsbegründung ausführte. Einer der Geschäftspartner hatte am Donnerstag nämlich als Zeuge ausgesagt, dass er erst im März oder April 2019 nach Malaysia geflogen ist, um den Kauf klar zu machen. »Vorher wusste ich gar nicht, ob die Autos tatsächlich existieren«, so der Zeuge, der wegen krummer Autogeschäfte bereits vom Gericht in Osnabrück verurteilt worden war.
Im Jahr 2015 waren die zehn Fahrzeuge nach Malaysia an das dortige Königshaus verkauft worden, 2019 war also die Dreijahresfrist bereits abgelaufen. Die enorme Summe der hinterzogenen Einfuhrabgaben hätte den Reutlinger nicht vor dem Gefängnis bewahrt, wie der Staatsanwalt ausführte. Allerdings sei der Angeklagte nicht vorbestraft, sein größter Fehler sei bei diesem Ankauf der Fahrzeuge wohl gewesen, dass »er sich mit den falschen Leuten eingelassen hat«, so Schröder. Ein »Denkzettel« sei für den 56-Jährigen ausreichend, »er hat ja finanziell schon Federn lassen müssen«, hatte der Staatsanwalt ausgeführt.
»Das ist eine Farce, ich werde in Berufung gehen«
Der Angeklagte war zutiefst über das Urteil empört: »Das ist eine Farce, ich werde in Berufung gehen«. Sein Verteidiger Dr. Sven Glaser hatte in seinem Plädoyer den zuständigen Ermittler (und somit auch den Staatsanwalt) der »subjektiven und voreingenommenen Ermittlungen« bezichtigt. Die drei WhatsApp-Nachrichten, auf die sich die Hauptanklage gegen seinen Mandanten gründete, seien aus dem Zusammenhang gerissen und reine Spekulation, so Glaser.
»Ich habe nichts falsch gemacht, nichts, nichts, nichts«, schien der Kaufmann nach der Urteilsverkündung die Welt nicht mehr zu verstehen. »Ich hatte schon zu Beginn der Verhandlung gesagt, dass ich nichts zugeben kann, was ich nicht gemacht habe«, hatte er in seinem Schlusswort nochmals betont.
Das Gericht blieb bei seiner Beurteilung, »das Geschäft kann erst im Frühjahr 2019 zustande gekommen sein, weil Sie doch zuvor gar nicht wussten, ob die Fahrzeuge überhaupt existieren«, so Benjamin Kehrer. Also mache auch die Behauptung keinen Sinn, dass der Angeklagte und sein Geschäftspartner schon 2017 oder 2018 per Handschlag den Kauf vereinbart hätten.
»Ich habe nichts falsch gemacht, nichts, nichts, nichts«
Dass das Schöffengericht bei dem Strafgeld von 25.000 Euro sogar um 10.000 Euro über die Forderung des Staatsanwalts hinausging – das überraschte denn doch. »Da Sie keine Angaben zu Ihren persönlichen Verhältnissen machen wollten, haben wir die Summe geschätzt«, so Kehrer.
Auch das empörte den Verurteilten, übrigens genauso wie die Bewährungsstrafe von 1,5 Jahren, die für ihn als Kaufmann »existenzgefährdend« sei. Der Verurteilte war nichts weniger als stinkesauer. Ob das für eine Berufung zuständige Landgericht allerdings zu einem anderen Ergebnis kommt als das Schöffengericht – das wird sich erst noch herausstellen müssen. (GEA)
Verfahrensbeteiligte
Richter Benjamin Kehrer, Schöffinnen: Felicitas Bechtle und Kristina Mächtle, Staatsanwalt Jörg Schröder und Rechtsanwalt Dr. Sven Gläser.