REUTLINGEN. Nach einer langen kriminellen Karriere muss ein 29 Jahre alter Ladendieb jetzt wirklich ins Gefängnis. Seine vier Jahre jüngere Freundin kommt noch einmal mit einer Bewährungsstrafe davon. Die Verhandlung vor dem Amtsgericht Reutlingen macht alle Verfahrensbeteiligten betroffen. Denn die Zukunftsperspektiven des Diebespaares, das zudem noch eine gemeinsame Tochter hat, sehen trübe aus.
»Ich kenne ihn, hatte schön öfters mit ihm zu tun«, sagt der Mitarbeiter eines Reutlinger Supermarktes im Zeugenstand. Der Angeklagte ist ein Stammkunde, der schon in der Vergangenheit gelegentlich, ohne die Absicht bezahlen zu wollen, einkaufte. Dementsprechend lang ist die Liste der Vorstrafen, die Richter Philipp Ries verliest. Dabei sind diese Gaunereien nur ein Teil der Probleme des Menschen, der aus der Untersuchungshaft vorgeführt wird, nachdem er den ersten Gerichtstermin ignoriert sowie Bewährungsauflagen doppelt gebrochen hatte.
Der Reutlinger ist arbeitslos, lebt von Bürgergeld, hat laut Gericht »Schulden in nicht unerheblicher Höhe« und ist drogensüchtig. Ähnlich belastet ist das Leben der 25 Jahre jungen Frau, die neben ihm sitzt. Auch hier gehören Drogenprobleme zu den persönlichen Verhältnissen. Unpassenderweise lebt sie in einer von der Stadt Reutlingen gemieteten Wohnung mit zwei Abhängigen zusammen. Ihre kleine Tochter befindet sich zu ihrem Wohl bei einer Pflegefamilie. Vor diesem Hintergrund verliest Staatsanwalt Bendisch seine Anklageschrift, deren Inhalt ein unangenehmes Déjà-vu darstellt.
Auf frischer Tat erwischt
Zunächst wird dem Paar im März 2024 ein Ladendiebstahl im Gesamtwert von 186 Euro in einem Reutlinger Supermarkt zur Last gelegt. Im Sommer des vergangenen Jahres betraten beide trotz eines existierenden Hausverbotes für den Mann ein Reutlinger Lebensmittelgeschäft, was einen Hausfriedensbruch darstellt. Anschließend wurden beide dabei erwischt, wie sie diverse Waren in der Handtasche der Frau an der Kasse vorbeischmuggeln wollten. Es handelte sich um Kleinigkeiten wie Büchsen eines Energydrinks, Fleisch und Haarshampoo.
Obendrauf kommt als dritte Anklage, die gemeinsam mit den beiden anderen zu einem Verfahren verbunden wurde, ein Hausfriedensbruch des Mannes in der Wohnung seiner Freundin, denn hier hatte die Stadt Reutlingen gegen ihn ein Hausverbot ausgesprochen. Das Duo hört sich die Vorwürfe mit ernsten Gesichtern an. Anschließend gibt Anwältin Monika Morlok für ihren Mandanten eine Erklärung ab, die ein Geständnis in wesentlichen Anklagepunkten darstellt.
Geständige Angeklagte
In einem Supermarkt habe der Angeklagte lediglich »für sich selbst Tabakbeutel geklaut«. Im anderen Laden sei er nur mitgelaufen, aber selbst nicht diebisch tätig geworden. Die Hausfriedensbrüche werden eingeräumt. Die Frau äußert sich auf Nachfrage kurz und reuig: »Ich geb's zu«. Zu klären ist mit der Beweisaufnahme damit lediglich das Verhalten des Mannes in einem Supermarkt. Hat er lange Finger gemacht, oder war er nur dabei?
Diese Frage können die Zeuginnen und Zeugen nicht zweifelsfrei klären. Stattdessen entsteht das Bild von zwei Kleinkriminellen, die sich nach ihren Taten »ganz friedlich und kooperativ« verhalten hätten. Dies sagen sowohl eine Polizistin als auch Mitarbeiter der Märkte aus. Auch vor Gericht fällt das Duo keinesfalls unangenehm auf, macht eher die Sprach- und Hoffnungslosigkeit der beiden Eindruck.
Drogensucht und weitere Probleme
Der Mann will »eine Therapie machen und ein neues Leben führen«, hat aber in jüngster Vergangenheit diverse Termine zu Drogentests versäumt. Die Frau gibt zu, nach wie vor am Wochenende Drogen zu nehmen, hat Sorge, einen Entzug jetzt nicht zu schaffen. »Das ist ein Teufelskreis, den sie durchbrechen müssen«, sagt Richter Ries. Jedenfalls hört sich das nach einer schlechten Sozialprognose an. Dementsprechend deutlich ist das Plädoyer des Staatsanwaltes.
Der Anklagevertreter fordert für den Mann zehn Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Die Frau solle zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt werden. Dazu müssten in beiden Fällen auch Arbeitsauflagen sowie die Übernahme der Verfahrenskosten kommen. Rechtsanwältin Morlok wünscht sich für ihren Klienten eine Bewährungsstrafe. In seinem Urteil, das sich exakt den Forderungen der Staatsanwaltschaft anschließt, macht Richter Ries klar, wieso er neben den schlechten Zukunftsaussichten des Paares zu diesem Ergebnis gekommen ist: »Da hat sich viel angesammelt«. (GEA)