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Amtsgericht Reutlingen spricht erste Teilnehmer der verbotenen Corona-Demo frei

Kurz vor Weihnachten 2021 sorgt eine nicht genehmigte Kundgebung gegen die Corona-Politik in Reutlingen für Aufsehen. Ein Großaufgebot der Polizei kesselt zahlreiche Teilnehmer ein und leitet hunderte Bußgeldverfahren ein. Doch jetzt gab's auch den ein oder anderen Freispruch.

Eine Einsatzeinheit versucht, Protestler einzukesseln.
Eine Einsatzeinheit versucht, Protestler einzukesseln. Foto: Jürgen Meyer
Eine Einsatzeinheit versucht, Protestler einzukesseln.
Foto: Jürgen Meyer

REUTLINGEN. Die nicht genehmigte Veranstaltung und Protestaktion gegen staatliche Corona-Maßnahmen in Reutlingen am Samstag, 18. Dezember, vergangenen Jahres hat für Schlagzeilen gesorgt und jetzt, fast genau ein halbes Jahr danach, ist es erneut so. Denn die juristische Aufarbeitung der Kundgebung und des damit verbundenen Polizeieinsatzes hat vor dem Amtsgericht zu ersten Freisprüchen geführt. Das freut aktuell vor allem die Kundgebungsteilnehmer, die nach diesem Dezemberabend einen Bußgeldbescheid erhalten hatten, weil sie bei eben dieser nicht genehmigten Veranstaltung dabei waren.

Was war genau passiert? An diesem letzten Samstag vor Weihnachten 2021 hatte es gleich mehrere Veranstaltungen, Demonstrationen und Kundgebungen in Reutlingens Innenstadt gegeben. Die erste Versammlung ist an diesem Tag um 16 Uhr auf dem Marktplatz. Sie wird organisiert vom Bündnis »Gemeinsam  & Solidarisch gegen Rechts Reutlingen und Tübingen«. Etwa 200 Teilnehmer hören den Rednern zu. Reutlingen dürfe nicht zum Hort der Querdenkerproteste werden, so die Veranstalter.

Die zweite Veranstaltung, die etwa eine Stunde später beginnt, hat das Motto: »Reutlingen zeigt Herz – Maske auf, Herz drauf, zusammenstehen«. Hier sind 800 bis 1.000 Menschen dabei, Lokalpolitiker halten Reden, nach etwa 30 Minuten ist die Kundgebung vorbei. Beide Veranstaltungen sind genehmigt.

Doch danach spitzt sich allerdings die Lage zu, als sich zahlreiche Menschen zwischen Stadthalle, Alteburgstraße und alter Feuerwache versammeln und in Richtung Pfullingen über die Lederstraße ziehen und gegen die Corona-Maßnahmen protestieren. Diese Veranstaltung, die von den Veranstaltern »Lichterspaziergang« genannt wird und zum großen Teil über soziale Netzwerke geplant wurde, ist von Landratsamt und Stadtverwaltung nicht genehmigt. Ein zuvor zusammengezogenes großes Polizeiaufgebot kommt zum Einsatz. Mehrfach werden die Menschen aufgefordert zu gehen und die Veranstaltung zu verlassen.

Kurz vor 19 Uhr entschließt sich die Einsatzleitung der Polizei, die Personalien der Menschen aufzunehmen, die ihren Aufforderungen nicht gefolgt sind. Das sind eine ganze Menge: Mehr als 550 Teilnehmer sollten später einen Bußgeldbescheid von knapp 180 Euro erhalten, weil sie an einer nicht genehmigten Veranstaltung teilgenommen haben und der Aufforderung der Polizei nicht nachgekommen waren. Dagegen legt mehr als die Hälfte von ihnen Widerspruch ein und somit landen knapp 300 Verfahren vor dem Amtsgericht Reutlingen. Mittlerweile haben die Richterinnen und Richter etwa 200 Urteile gefällt. In den allermeisten Fällen wurden die Kundgebungsteilnehmer zu einem Bußgeld verurteilt. Doch es hat inzwischen auch den einen oder anderen Freispruch gegeben. Das hat Amtsgerichtsdirektor Friedrich Haberstroh dem GEA bestätigt. Die Freisprüche seien allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft habe angekündigt, noch Rechtsmittel einlegen zu wollen, hieß es.

»Da ist doch etwas falsch gelaufen«

Auch der in der Region bekannte Musiker und Künstler Thomas Felder muss sich im Laufe des Sommers noch vor Gericht verantworten. Er sagte dem GEA, dass er an diesem Abend des 18. Dezember mehrfach versucht habe, die nicht genehmigte Veranstaltung zu verlassen. Das sei ihm aber wegen des Polizeikessels nicht gelungen. »Auch während die Polizei die Menschen im Kessel festhielt, forderte sie diese auf, das Areal zu verlassen. Das war aber schlicht nicht möglich. Da ist doch etwas falsch gelaufen«, so Felder. Er wolle das bei seiner Verhandlung vor Gericht auf jeden Fall zur Sprache bringen. (GEA)