Logo
Aktuell Sicherheit

Alles Wichtige zum Sirenenwarntag in Reutlingen

Der Reutlinger Feuerwehrkommandant und die Stadtverwaltung erklären, was uns am dritten »Bundesweiten Warntag« am 12. September um 11 Uhr erwartet. Und warum.

Warn-Sirene der Feuerwache in Reutlingen.
Warn-Sirene der Feuerwache in Reutlingen. Foto: Denis Raiser
Warn-Sirene der Feuerwache in Reutlingen.
Foto: Denis Raiser

REUTLINGEN. Die einst von öffentlichen Gebäuden wie Rathäuser und Schulen aufragenden Sirenen sind nach und nach verschwunden. Das System, so schien es, hatte ausgedient. Warum gibt es jetzt wieder Sirenenwarntage? Stefan Hermann, der Amtsleiter und Kommandant der Reutlinger Feuerwehr sowie Vizepräsident des Landesfeuerwehrverbands Baden-Württemberg, erklärt: Mit dem Ende des Kalten Krieges ging man davon aus, dass keine militärische Bedrohung mehr bestehe. Deshalb wurden die optisch an Pilze erinnernden Anlagen abgebaut. Dass die aber auch sinnvoll sind, um die Bevölkerung einfach und effizient vor anderen Gefahren zu warnen, sei damals wohl leider nicht bedacht worden. Erst die Flutkatastrophe im Ahrtal brachte die Wende.

Bei verheerenden Überschwemmungen nach Gewitter und Starkregen im Juli 2021 waren allein entlang des Flusslaufs in Rheinland-Pfalz mindestens 135 Menschen gestorben und zahlreiche Gebäude zerstört worden. Das habe ein Umdenken ausgelöst. Noch im selben Jahr legte der Bund ein Sirenenförderungsprogramm auf, um die in den vergangenen Jahrzehnten abgebauten Sirenen zu ersetzen und noch vorhandene zu modernisieren.

Aktuell gibt es wieder fünf Sirenen entlang der Echaz

So gibt es seit September 2023 in Reutlingen wieder fünf Sirenen entlang der Echaz. Denn auch der harmlos scheinende Fluss, der zwischen Honau und Kirchentellinsfurt unter anderem durch Reutlingen fließt, könnte Hermann zufolge »zu einer schlagartigen Überschwemmung führen«. Vier elektronische Sirenen gingen am 14. September vergangenen Jahres, am damaligen »Bundesweiten Warntag«, mit einem Test in Betrieb. Die fünfte, auf der Hermann-Kurz-Schule, sollte seit Oktober 2023 betriebsbereit sein. Ob all das so funktioniert, wie es sich Stadtverwaltung und Rettungskräfte vorstellen, wird sich am Donnerstag, 12. September, weisen. Denn da ist der nächste Bundesweite Warntag.

Ab 11 Uhr werden dabei im ganzen Land verschiedene Warnmedien getestet. »In Reutlingen heulen am Warntag die fünf Sirenen entlang der Echaz«, kündigt die Reutlinger Stadtverwaltung dazu an. Ein einminütiger auf- und abschwellender Ton werde dann zu hören sein, gefolgt von der Entwarnung wenig später: »ein gleichbleibender Heulton«. Falls dies älteren Menschen bekannt vorkommt: »Das Sirenensignal ist genau gleich wie früher«, erklärt Feuerwehrkommandant Hermann. Ein maßgeblicher Unterschied: »Die Sirenen sind jetzt notstromversorgt.« Sie funktionieren also unabhängig davon, ob die Stromversorgung durch eine Katastrophensituation zusammenbricht oder nicht. Zu hören seien die Signale je nach Wetterlage »zwischen wenigen 100 Metern und einem Kilometer«. So sollte die akustische Warnung auf jeden Fall jene Einwohner erreichen, die von einer über die Ufer tretenden Echaz bedroht wären.

Nach und nach sollen weitere Standorte folgen

Der weitere Plan für Reutlingen sehe vor, dass am Ende »das bebaute Gebiet flächendeckend« mit Sirenen versorgt ist. Dafür werde sukzessive Geld im Gemeindehaushalt eingestellt. Aktuell sei erneut Fördergeld vom Bund beantragt worden. Sobald die Zusage da ist, »legen wir wieder los«, kündigt er an.

Der Nachteil: Sirenen rütteln durch ihren Signalton Menschen zwar wach. Worin die Bedrohung besteht, lässt sich davon aber nicht ableiten. Deshalb gehört zum Warnsystem noch mehr: Die Warn-App NINA etwa, die auch Informationen übermittelt, sowie zum Teil von Versicherern angebotene weitere Handy-Dienste wie die ebenfalls kostenlose Katwarn-App, die via Smartphone Warnungen vom Zivil- und Katastrophenschutz in Gefahrensituationen verbreiten. Außerdem Meldungen im Radio und Internet. Auf all diesen Wegen erhalten Bürge Infos über eine anstehende Gefahrensituation. Sie setzen jedoch voraus, dass sich der Nutzer nicht gerade in einem Funkloch befindet, die neueste Version der App installiert und seinen Standort angegeben hat.

Neue Technologie trotzt der Netzüberlastung

Um in Katastrophenfällen tatsächlich alle Gefährdeten zu erreichen, auch Hörgeschädigte und Smartphonelose, gibt es seit dem Ahrtal-Schock darüber hinaus die Möglichkeit des Cell-Broadcasts (CB). Nach dem von einer technischen Panne überschatteten Bundesweiten Warntag am 10. September 2020 waren Forderungen lautgeworden, diesen Dienst auch in Deutschland einzusetzen, denn er ist unabhängig von Belastungen der technischen Infrastruktur. Damals hatte die flächendeckende Warnung wegen Netzüberlastung nicht funktioniert, erklärt Stefan Hermann. »Dazu sind solche Probealarme ja da, um herauszufinden, was funktioniert und was nicht.« Stand heute mache er sich »keine Gedanken, dass das diesmal nicht klappt«.

Im August 2021 hatten Bundestag und Bundesrat der für die CB-SMS nötigen Änderung des Telekommunikationsgesetzes zugestimmt. Bereits beim bundesweiten Test 2022 und 2023 erwies sich dies als reichweitenstark und effektiv. »Das kommt wie eine Zwangs-SMS bei Ihnen an«, erklärt Hermann. Wären zum Beispiel bei dem Großbrand vergangene Woche im Laisen giftige Stoffe ausgetreten, »dann hätten wir Cell-Broadcast ausgelöst«. Da dies nicht der Fall war, beließ es die Rettungsleitstelle bei NINA, Radio- sowie Internet-Warnungen vor der Rauchwolke.

Neu sind Warnungen über Displays in Bussen und an Bushaltestellen

Nicht nur lokal oder regional kann die CB-Technologie genutzt werden. Land und Bund können solche Massen-SMS auch zentral im Nullkommanix an Millionen Nutzer versenden. So löse am diesjährigen Bundesweiten Warntag, am Donnerstag, 12. September, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) »neben den Warnungen vor Ort via Cell-Broadcast eine Meldung auf Smartphones aus«, kündigt die Stadtverwaltung an. Auf diesem Weg werde derzeit aber - anders als durch Sirenen - keine Entwarnung versendet.

Das Digitalzeitalter bietet damit »einen Riesenvorteil«, findet Stefan Hermann. Erstmals getestet werden sollen am Donnerstag auch Test-Warnungen auf digitalen Displays in Bussen und Monitoren an den Haltestellen der RSV sowie im städtischen Parkleitsystem. Generell werden »möglichst viele Medien genutzt, um die Bürger auf eine Warnung aufmerksam zu machen«. So sendet das BBK an Nutzer von Warn-Apps wie NINA am Warntag eine Test-Warnung und warnt dazu auch im Fernsehen, Radio und Internet.

Appell an Solidarität

Auf dem Reutlinger Marktplatz stehen um 11 Uhr darüber hinaus ein paar Feuerwehr-Fahrzeuge mit Lautsprechern bereit, um die Bevölkerung ganz klassisch mit mobilen Lautsprecher- und Sirenenanlagen zu warnen. Im Ernstfall würden die »bei fortgeschrittener Lage« auch durchs Stadtgebiet fahren, um die Menschen ergänzend zu fest installierten Sirenen über die Gefahr aufzuklären. Darüber hinaus appelliert Stefan Hermann an die Solidarität jedes Einzelnen: Bei aller fortgeschrittenen Technik sei es nach wie vor wichtig, Hilfebedürftigen zu helfen und Nachbarn zu informieren - anrufen, klingeln, ans Fenster klopfen, egal. Denn es gibt immer Fälle, wo ausgerechnet in solch einem Moment die Sirene überhört wird oder das Mobiltelefon ausgeschaltet ist.

Da es sich am Warntag um einen Probealarm handelt, bestehe keine Gefahr für die Bevölkerung, betont die Reutlinger Stadtverwaltung. (GEA)

Weitere Informationen gibt es auf www.bundesweiter-warntag.de

https://feuerwehr.reutlingen.de/de/Downloads/Brandschutztipps/Sirenen-entlang-der-Echaz