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Alles nur Spaß

REUTLINGEN. Lachen ist gesund, sagt der Volksmund. Es fördert die Durchblutung, entspannt, stärkt das Immunsystem, behaupten Befürworter. Ein ganzer Forschungszweig, die Gelotologie, beschäftigt sich mit den körperlichen und psychologischen Auswirkungen eines Ausdrucksverhaltens, das den Menschen positiver als manches Andere vom Tier unterscheidet. Spaß macht’s auch. Grund genug, der »Reutlinger Lachschule« einen Besuch abzustatten. Seit Juni führt Carmen Goglin dort in die Kunst des »grundlosen Lachens« ein.

FOTO: FOTOLIA
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Hinter dieser Verheißung steckt natürlich ein indischer Guru: Madan Kataria, praktischer Arzt und Yogalehrer aus Mumbai, hat das Thema populär gemacht mit griffigen Zitaten wie: »Wir lachen nicht, weil wir glücklich sind – wir sind glücklich, weil wir lachen.«

Gleich eingangs fällt im Kurs das »Sie«. Carmen, Uwe, Anja und Kyra stellen sich vor. Kyra beispielsweise kommt extra aus Hohenstein. Was beweist: Zum Lachen muss man weiterhin von der Alb runter. Sie hat Lach-Yoga-Übungen auch schon allein probiert. Vor dem Spiegel. Geht auch. »Aber gemeinsam mit anderen macht’s mehr Laune«, findet sie.

Eingangs kriegt jeder einen Luftballon. »Den blasen wir jetzt auf und pusten unseren Verstand hinein. Den brauchen wir jetzt nämlich eine Stunde lang nicht«, verspricht Kursleiterin Carmen und bietet darüber hinaus an: »Wer Lust hat, darf den Verstand nach dem Kurs auch hier lassen.«

Ich denke darüber nach.

Carmen erklärt Grundzüge des Kurses: Alle stehen im Kreis und machen zu vorgegebenen Themen pantomimische Übungen, die zum Lachen anregen sollen. Zwischendrin gibt’s Lockerungsübungen.

Mit Verstand im Ballon und Luft im Hirn geht’s los. Wir beginnen mit dem »Handylachen«.

Pantomimisch nehmen alle ein Telefon ans Ohr und amüsieren sich – noch etwas verkrampft – über den imaginären Unsinn, den der Partner am anderen Ende einer nicht vorhandenen Leitung verzapft. Mehr als artiges Gekicher bringen wir bei diesem Warm-up nicht zustande.

Auch bei der zweiten Aufgabe – Steigerungslachen – gehen wir noch nicht wirklich aus uns heraus.

Das nächste Thema »Gorilla-Lachen« inspiriert weitaus mehr. Von Lausen bis Brusttrommeln verwirklicht jeder der Anwesenden seine ganz spezielle Vorstellung von authentischem Hominiden-Gebaren.

Das zeigt Wirkung. Auch bei mir. Die Vorstellung, dass ich zu Beginn des dritten Jahrtausends mitten in der sogenannten zivilisierten Welt im zweiten Stock eines Reutlinger Mietshauses in Gorilla-Manier auf und ab hüpfe und abwechselnd vier mir bis dato gänzlich Unbekannte angrunze, die zurückgrunzen, während mein Verstand eingeschlossen in einem orangefarbenen Luftballon zu mir herüberschielt, sorgt dafür, dass ich das Kursziel verfehle: Ich schaffe es nicht, grundlos zu lachen.

Gottseidank haben wir frühzeitig aufs Du umgestellt. Sonst müsste ich den Gorilla neben mir mit »Herr Arndt« anreden.

»Wir lachen nicht, weil wir glücklich sind – wir sind glücklich, weil wir lachen«
Für die positive Wirkung des Lach-Yogas sei völlig unerheblich, ob man mit oder ohne Ursache lacht, erläutert die Kursleiterin. Das Gehirn unterscheide nicht zwischen echtem und künstlichem Lachen.

Mich beschäftigt indes die Frage: Was kann ein Mensch an Peinlichkeit ertragen? Auch weil mein Verstand Sätze aus dem Luftballon zu mir rüberraunzt wie: »Schau doch mal, ob’s hier Kameras gibt« oder »Die Mitarbeiter im benachbarten AOK-Gebäude haben doch hoffentlich schon Feierabend?« oder »Ein Wunder, dass die Nachbarn noch nicht in der Anstalt angerufen haben.«

Ich vermute, dass sie das bereits getan haben. Die suchen in der Klinik nur noch nach einer Zwangsjacke in Gorilla-Größe.

Es folgt die Simulation diverser Tierarten. Und die immer wieder gern gespielte Nummer »Leck mich am Ärmel, Chef!« Auch hier kringeln wir uns dank überaus kreativer Spielszenen.

Früher wurde mehr gelacht als heute. Kinder lachen mehr als Erwachsene, Frauen mehr als Männer. »Die brauchen immer einen Grund dazu«, erzählt Carmen zwischendrin.

Für Härtefälle steht ein Lachsack parat. Wer aus eigener Kraft dennoch nicht schafft, die Mundwinkel zu heben, kann auch einfach einen Bleistift quer zwischen die Lippen nehmen, rät Carmen. Schon die hochgezogenen Mundwinkel reichen aus, das Informationssystem im Körper zu narren. Glücksbotenstoffe fließen. 240 von 630 Körpermuskeln werden beim Lachen aktiv, erzählt die Kursleiterin und verrät, dass sie bisweilen einen Lachkrampf bekommt. Sozusagen der Automatikmodus des grundlosen Lachens. Die 48-Jährige ist aufs Lach-Yoga gekommen, weil sie für sich selbst etwas zum Entstressen gesucht hat.

Was die Yoga-Komiker um mich herum dann zum Thema »Zeitungslektüre« veranstalten, verbieten Anstand und Eigeninteresse an dieser Stelle zu berichten.

Bilanz: etwas angespannte Gesichtsmuskeln und saumäßig gute Laune. Ob mich Lach-Yoga der Erleuchtung und Erlösung näher bringen könnte, kann nach einer Sitzung nicht beurteilt werden. In jedem Falle war’s eine eindrückliche Lehrstunde dafür, wie verbindend Lachen wirkt.

Bei verschiedenen Erkrankungen von hohem Blutdruck bis hin zum Bandscheibenvorfall ist die Lach-Therapie übrigens nicht angezeigt.

Jenseits davon ist ein solcher Kurs mutmaßlich auch eine Tortur für Menschen, die unter chronischer Humorlosigkeit leiden. (GEA)

// www.reutlinger-lachschule.de //