REUTLINGEN. Totgesagte leben länger. Das könnte man fast übers Reutlinger Nachtleben sagen. Nachdem die Gastro- und Clubszene hier jahrelang am Boden lag, machen seit einigen Monaten und Jahren neue Lokale und Veranstaltungsreihen wieder Lust auf mehr. Doch manchmal herrscht fast zu viel Trubel. Jörg Meißel, der Pächter des Clubs Almrausch-Eventdorf – ehemals LaFontaine – hat jüngst mit einigen Aktionen eine ganze Reihe lokaler Gastronomen gegen sich aufgebracht. Die Vorwürfe: abgekupferte Party, kopiertes Logo und abgeworbene Gäste. Was ist da los im Reutlinger Nachtleben?
Am Freitag stieg das »Event ohne Namen« im Almrausch-Eventdorf. So heißt das ehemalige LaFontaine im Industriegebiet In Laisen seit Januar diesen Jahres. Eine klassische Freitagabend-Party also, business as usual, könnte man meinen. Doch diese unscheinbar klingende Party hatte im Vorfeld die Wellen in der Reutlinger Gasto- und Nachtlebenszene hochschlagen lassen. Denn ursprünglich hatte Almrausch-Pächter Jörg Meißel zur »Hausbar-Party« eingeladen. Doch die Hausbar-Partyreihe gibt es schon seit 2016, und ihr Erfinder ist nicht Meißel. Sie wurde vielmehr von Markus Benz – dem Besitzer der ehemaligen Hausbar in der Oberamteistraße – ins Leben gerufen. Eine plumpe Kopie also?
»Ich konnte das erst mal gar nicht glauben, als ich von der Party gehört hab«
»Ich konnte das erst mal gar nicht glauben, als ich von der Party gehört hab«, sagt Markus Benz. Partygänger wie Gastro-Kollegen hätten ihn verwundert gefragt, ob er seine Partyreihe nun vom P&K wieder ins ehemalige LaFontaine verlagert habe, berichtet Benz. Doch dem war nicht so. »Das war einfach eine plumpe Kopie. Ich war wirklich wütend und sauer.« Von 2003 bis 2015 hat Benz die Hausbar in der Oberamteistraße betrieben. Ganze Generationen von Reutlingern haben dort Abende und Nächte verbracht und ihre ersten Party-Erfahrungen gesammelt.
Dementsprechend ist der Name der Bar auch heute sehr vielen Reutlingern noch ein Begriff – und hätte potenziell einige Leute ins Almrausch-Eventdorf gelockt. »Ich hab Herrn Meißel dann angeschrieben und ihn gebeten, das zu lassen«, berichtet Benz. Doch dieser habe nur sinngemäß geantwortet: Namensgebung sei frei.
Benz wirkt auch Tage später noch wirklich sauer: »Das hat einfach mit Respekt und Anstand zu tun, dass man sowas nicht macht, vor allem nicht in so einer kleinen Stadt.« Er habe mit einem Patentrechtsanwalt gesprochen, sagt er. Und betont: Bei einem erneuten Fall von Namensklau werde er Anzeige erstatten. Unterstützung bekam er auf Social Media von anderen Gastronomen und Party-Veranstaltern aus der Achalmstadt. Per Instagram-Story wiesen diese in den Tagen danach darauf hin, dass die neue »Hausbar-Party« nichts mit dem Original von Benz zu tun hat.
»Wir verstehen, dass Veränderungen und neue Eventformate Diskussionen auslösen können«
Almrausch-Besitzer Jörg Meißel sieht die Sache unaufgeregter. »Als Teil der hiesigen Club- und Gastronomieszene verstehen wir, dass Veränderungen und neue Eventformate Diskussionen auslösen können«, sagt er gegenüber dem GEA. Der Bezug auf die Hausbar scheint gezielt gewählt worden zu sein: Man wolle den Gästen Partys »mit einem gewissen Bezug zu elementaren Bausteinen der Geschichte der Reutlinger Eventszene« ermöglichen, betont Meißel. Allerdings »ohne dabei den fairen Wettbewerb aus den Augen zu verlieren. Wir möchten niemanden angreifen, sondern unseren eigenen Weg gehen und zur lebendigen Kulturszene beitragen«. Man habe weder Logo noch Inhalte der bestehenden Partyreihe kopiert.
Doch der Gegenwind ist schließlich auch bei ihm angekommen. »Um Missverständnissen vorzubeugen und keinen weiteren Unmut zu schaffen, haben wir uns entschieden, den Titel zu ändern, da das Event nicht mit dem Namen steht oder fällt.« Daraufhin wurde die Party in »Event ohne Namen« umgetauft. Auf Instagram klingt das Ganze allerdings weniger versöhnlich: »Da sich manche Reutlinger Eventveranstalter mehr um Namen als um ihre Gäste scheren« habe man die Party umbenannt, heißt es da.
»Unser Ziel war es absolut nicht, aktiv Gäste abzuwerben«
Es ist nicht der erste Vorfall, mit dem Meißel in der Gastroszene provoziert hat. »Tickets fürs falsche Halloween-Event gekauft? Tausche dein Ticket einer anderen Halloween-Party einfach bis 22 Uhr gegen ein Ticket für unser Event«, heißt es beispielsweise im Oktober 2024 auf der Instagram-Seite des Clubs. Kostenloser Eintritt mit fremden Partytickets? Nicht verboten – aber eher unüblich im Nachtleben. Verdient Meißel ja per se an solchen Gästen erstmal nichts, da ihm acht Euro Eintritt durch die Lappen gehen. In weiteren Instagram-Storys wurde dann subtil gegen gleichzeitig stattfindende Halloween-Partys in der Umgebung gestichelt.
»Unser Ziel war es nicht, aktiv Gäste abzuwerben«, betont Meißel. »Vielmehr haben uns Nachrichten von Menschen erreicht, die unser Programm spannend fanden, aber bereits Karten für eine andere Veranstaltung gekauft hatten. Wir wollten ihnen eine Möglichkeit bieten, dennoch bei uns dabei zu sein, ohne dass ihr bereits getätigter Kauf umsonst war.« Wettbewerb gehöre dazu in der Branche.
Generell kann Meißel den Unmut, der ihm mittlerweile entgegenschlägt, nicht ganz verstehen. »Die Eventbranche lebt von Kreativität, Leidenschaft und auch einem gewissen Maß an Konkurrenz«, sagt er dem GEA. »Wir verstehen, dass Veränderungen für andere Veranstalter herausfordernd sein können, besonders, wenn man das Potenzial daran selbst erkennt und um seine eigenen, etablierten Konzepte fürchtet.«
»Wir verstehen, dass Veränderungen für andere Veranstalter herausfordernd sein können«
2024 hatte dieser Wettbewerb unter Veranstaltern allerdings bereits juristische Folgen. Damals war die Reutlinger Gastro-Initiative (RGI) anwaltlich gegen Meißel vorgegangen. Dieser hatte auf seiner Website und auf Instagram mit dem Logo der »Reutlinger Musiknacht« – einer RGI-Veranstaltung – geworben. Allerdings ohne Teil der RGI oder der Veranstaltung zu sein. Vorwurf an Meißel damals: Verletzung des Urheberrechts. Allerdings war das juristische Vorgehen gegen den Almrausch-Pächter damals nach GEA-Informationen nicht im Sinne des kompletten RGI-Vorstands.
Meißel will sich zu den Vorfällen im Rahmen der Musiknacht nicht mehr äußern. Er betont: Man wolle keine »schmutzige Wäsche waschen« und sei an einem guten Miteinander in der Szene interessiert. Es sei nicht sein Stil, »aktiv zu provozieren oder Streit zu suchen«. Auch weist Meißel darauf hin, dass ihn und sein Team »einige Angriffe aus der Veranstalter-Szene erreichen, welche weit über eine kleine Instagram-Story hinaus gehen und in unseren Augen absolut erschreckend sind«. Mehr ins Detail will er diesbezüglich nicht gehen. (GEA)