REUTLINGEN. »Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, wie in dieser Stadt mit Historischem umgegangen wird«, sagt Stadtrat Professor Dr. Jürgen Straub beim Anblick des Maximilianbrunnen auf dem Marktplatz. Der Vorsitzende der WiR-Fraktion im Gemeinderat macht mehrere Beweisfotos davon, wie die Oberfläche des Wassers »mit einer dicken, hässlichen, ekligen und hygienisch bedenklichen Algenschicht überzogen ist«. Mehrfach sei die Stadt von ihm auf diesen Zustand hingewiesen worden, »geschehen ist aber absolut gar nichts«.
Ende Januar schickte er Finanzbürgermeister Roland Wintzen seine Bilder zu. Geantwortet habe Wintzen, er werde sich um eine Reinigung des Brunnens kümmern. Zwei Wochen später gab Straub nach seinen Angaben erneut den Hinweis inklusive Bildern, » dass sich nichts getan hat«. Auch Baubürgermeisterin Angela Weiskopf sei von ihm informiert worden. »Danke, ich kümmere mich darum«, habe ihre Antwort gelautet. Straub stört die aus seiner Sicht wochenlange Tatenlosigkeit der Stadt, denn schließlich sei der Fall in mehrfacher Hinsicht bedauerlich.
»Erbärmlicher Zustand«
»In keiner andern mit Reutlingen vergleichbaren Kommune wird so nachlässig mit historischen Brunnen umgegangen. Der Zeitplan zur händischen Reinigung durch eine beauftragte Firma ist wohl offensichtlich völlig unzureichend«, stellt der Lokalpolitiker fest, »auch dem Stadtmarketing Reutlingen ist ein Vorwurf zu Recht gemacht. Wäre dort am Erscheinungsbild Reutlingens wirklich etwas gelegen, würde dieser erbärmliche Zustand der historischen Brunnen, und nicht nur dieser, so nicht wochenlang ignoriert«. Keinesfalls verschweigen möchte Straub, Diplom-Chemiker und mit seiner Firma Straub Umwelttechnologie weltweit als Fachmann geschätzt, auch den gesundheitlichen Aspekt der Nachlässigkeit.
»Eltern, die Ihre Kinder im Wasser planschen lassen, ahnen nicht, woher mancher Ausschlag oder Durchfall ihrer Sprösslinge herrührt«, betont der Experte mit Verweis auf eigene Messungen dessen, was sich da unsichtbar im Brunnenwasser breitgemacht hat. Die Ergebnisse seiner Untersuchung der Wasserproben vom 13. Februar dieses Jahres, entnommen an der Oberfläche des Brunnenbeckens, wären eindeutig.
Gefunden wurde eine mehrfach über den empfohlenen Werten liegende Anzahl der Bakterien namens Pseudomonas aeruginosa und Escherichia coli. Für Laien, bei denen alleine die Namen Übelkeit hervorrufen, fügt Straub eine kleine Erklärung bei, die schon bei der Lektüre das Wohlbefinden beeinträchtigt: »Pseudomonas aeruginosa, der sogenannte «Pfützenkeim» ist ein Erreger der die Haut, Hornhaut, Außenohr und Lunge attackiert und kann zu Blutvergiftungen führen. Pseudomonaden lieben eine feuchte Umgebung und leben im Leitungs- und Badewasser, Feuchtreservoiren und im Boden. Pseudomonas aeruginosa verursacht beispielsweise Lungenentzündungen, eitrige Hautinfektionen, Hornhautentzündungen oder Blutvergiftungen. Auch diese Erreger produzieren Giftstoffe, die zu Durchfällen führen können.« Vom GEA um eine Stellungnahme gebeten, tut sich bei der Stadt Reutlingen zweierlei.
»Leider verzögerte Reinigung«
Erstens wird der Maximilianbrunnen zügig gereinigt, zweitens antwortet Georg Frey vom Amt für Tiefbau, Grünflächen und Umwelt / Grünflächenplanung ausführlich. »Die Brunnenbecken wurden bisher im Winterhalbjahr üblicherweise alle vier Wochen und im Sommerhalbjahr alle zwei Wochen geleert und gereinigt«, erklärt Frey, »dies wurde in den vergangenen Jahren sehr zuverlässig von einer Sanitärfirma im Auftrag der Stadt Reutlingen ausgeführt. Beim letzten Reinigungsintervall kam es infolge der notwendigen Neubeauftragung der Arbeiten leider zu einer zeitlich verzögerten Ausführung der Reinigung«. Dann weist der Fachmann vom Amt auf einen Faktor hin, der sich als Klimawandel immer mehr auch im Kleinen bemerkbar macht.
»Die ungewöhnlich starke Algenbildung ist sicherlich den für die Jahreszeit viel zu hohen Temperaturen geschuldet. Wir werden das in Zukunft bei den winterlichen Reinigungsintervallen berücksichtigen und bei derart hohen Temperaturen das Reinigungsintervall anpassen«, verspricht Frey. (GEA)