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Aktuell Landtagswahl

AfD-Landtagskandidat Ingo Reetzke im Porträt

Der 60-jährige Ingo Reetzke kandidiert für die AfD in den Wahlkreisen Reutlingen und Tübingen

Ingo Reetzke ist Anwalt. 2016 ist er von der CDU zur AfD gewechselt, weil ihm die zu grün und zu links wurde.  FOTO: PIETH
Ingo Reetzke ist Anwalt. 2016 ist er von der CDU zur AfD gewechselt, weil ihm die zu grün und zu links wurde. Foto: Frank Pieth
Ingo Reetzke ist Anwalt. 2016 ist er von der CDU zur AfD gewechselt, weil ihm die zu grün und zu links wurde.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Er sieht sich selbst als Mann der Mitte: Ingo Reetzke, Landtagskandidat der Alternative für Deutschland für die Wahlkreise Reutlingen und Tübingen, ist 2016 »nach 20 Jahren CDU« bei der AfD eingetreten. Nicht weil er sich verändert habe, hat er damals die Partei gewechselt. Sondern weil die CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die 2015 die Grenzen während des Flüchtlingsdramas öffnete und »die CDU zwischen die Grünen und die SPD setzte«, nicht mehr seine, die konservative CDU war. Mal abgesehen davon, dass die Reutlinger CDU ihn damals nicht gerade mit offenen Armen empfangen habe.

Die Positionen der AfD-Mitbegründer Bernd Lucke und Frauke Petry – beide haben die Partei nicht lange danach wieder verlassen, da sie ihnen anscheinend zu weit nach rechts gerückt war – fand der heute 60-jährige Reutlinger Anwalt »sympathisch« und »vernünftig«, vertraten sie in seinen Augen doch die Politik, für die die CDU vor der Merkel-Ära stand.

Jura und Politik – für Ingo Reetzke zieht sich diese Kombination durch sein ganzes berufliches Leben, seit dem er nach dem zweiten Jura-Staatsexamen 1993 »als Berufsanfänger in einen hochattraktiven Job hineingestolpert« war. Reetzke war bis 1999 in rechtlichen Fragen parlamentarischer Berater der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag in Dresden. Er ließ sich danach als Anwalt in seinem Heimatort Reutlingen nieder, pendelte ab 2017 zwischen Reutlingen und Berlin, wo er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei dem AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hess und dem Parlamentarischen AfD-Geschäftsführer Jürgen Braun tätig war. Ein wenig Berliner Schnauze kommt immer wieder durch, wenn Reetzke redet. Und er redet gern und viel, fast ohne Punkt und Komma, sobald man ihm ein Stichwort liefert. Seine Schwerpunktthemen: innere Sicherheit, Gesundheit, Verkehr und Energie.

Coronakrank im Wahlkampf

Während Lucke und Petry also der AfD den Rücken gekehrt haben, hat Reetzke in der Partei und im 100 Mitglieder zählenden Reutlinger Kreisverband eine neue politische Heimat gefunden. Mit den Leuten dort – »Akademiker, Mediziner zuhauf« – habe er sich auf Anhieb gut verstanden. Reetzke sitzt für die AfD im Reutlinger Gemeinderat und im Kreistag. Für den Wahlkreis Tübingen kandidiert er mangels eines anderen Bewerbers.

Sich selbst von rechtsextremen Parteimitgliedern und Äußerungen aus den AfD-Reihen abzugrenzen, hält Reetzke nicht für notwendig und für »schwierig«. Im Reutlinger Kreisverband seien uneinheitliche Strömungen vertreten: »Das zeichnet die Partei aus. Wir haben eine freie Diskussionskultur«, sagt Reetzke. Das bedeute aber nicht, dass er alles gut findet, was dort passiert.

Jüngstes Beispiel: Auf Facebook postete der AfD-Kreisverband, dessen Vizevorsitzender Reetzke ist, am 20. Februar einen Beitrag von Björn Höcke. Darin gratuliert der vom Verfassungsschutz als »Rechtsextremist« bezeichnete Begründer des »Flügels« dem AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland zum 80. Geburtstag. Auch wenn in einem anderen Facebook-Post seines Kreisverbands davon die Rede ist, dass »von den 20 Prozent Klardenkern die perfide Unterwerfungsgeste Maske« verlangt würde, lässt Reetzke das zumindest unkommentiert so stehen. Er verweist darauf, dass die Beiträge nicht von ihm stammen.

Generell müsse die AfD gegen Klischees kämpfen, die von den Medien verbreitet würden: »Wir sind keine Nazis oder Nationalsozialisten«, sagt er. Höcke und Gauland seien »Ausnahmeathleten«, über die er sich ärgere, »weil sie zur unpassenden Zeit Unpassendes von sich geben« oder »mit unnützen Themen provozieren«. Als die Partei jung war, sei man froh gewesen um jeden, der eintrat. Unliebsame Parteigenossen loszuwerden, sei nicht so einfach. Schade sei es um diejenigen, die jetzt aus der AfD austreten, weil sie berufliche Nachteile durch die Beobachtung durch den Verfassungsschutz befürchten.

KANDIDATEN IM PORTRÄT

Der GEA stellt in loser Folge die Kandidaten der sechs Parteien im Wahlkreis Reutlingen (60) vor, die im Land- und/oder Bundestag vertreten sind. Beim GEA-Kandidaten-Check im Livestream stehen die Bewerber am Mittwoch, 3. März, ab 19 Uhr Rede und Antwort. Schon jetzt haben sie sich dem »Fragenhagel« unserer Online-Redaktion gestellt. Diese Videos können auf der GEA-Homepage angeschaut werden. (GEA)

www.gea.de/landtagswahl2021

Falsch sei auch das Klischee, die AfD habe frauenfeindliche Tendenzen. Seine Partei setze sich dafür ein, dass ein Einkommen ausreicht, um eine Familie zu ernähren und Frauen sich entscheiden können, ob sie arbeiten oder Kinder erziehen wollen. Dass das Bild der Partei stark durch Männer geprägt ist, erklärt Reetzke dadurch, dass die AfD gegen die Quote ist. Ihm seien Frauen in der Partei willkommen, »am besten junge, hübsche«.

Wahlkampf macht Reetzke auch auf seiner eigenen Facebook-Seite. Dort erklärt er seine Positionen unter anderem in kleinen Videos, in denen er die AfD als einzige »richtige Oppositionspartei« zur grünen Landesregierung positioniert und die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns wegen der Pandemie anprangert. Statt »willkürlicher Coronaverordnungen« brauche es Entscheidungen je nach Gefahrenlage, um zu öffnen, wo Hygienekonzepte eingehalten werden können: »Man muss die Leute für mündig erklären.«

Zu den Coronaleugnern gehört der Kandidat jedenfalls nicht. Dass das Virus ernsthafte Symptome verursachen kann, hat er selbst erlebt. Mehrere Wochen hat ihn seine Corona-Erkrankung mit Erschöpfungszuständen aus der Bahn geworfen – ausgerechnet im beginnenden Wahlkampf. Durchhaltevermögen braucht der AfD-Kandidat – nicht nur, um sich gegen die Anfeindungen von Demonstranten bei Wahlauftritten in der Reutlinger Fußgängerzone zur Wehr zu setzen. Auch weil er von vielen etablierten Organisationen und Institutionen schlichtweg geschnitten wird: Reetzke ist bei vielen Kandidatenrunden zu verschiedensten Themen einfach nicht eingeladen. Diese »Polarisierung« könne er nicht nachvollziehen. Statt »Diffamierung« wünsche er sich mehr inhaltliche Auseinandersetzung. (GEA)

DER KANDIDAT

Ingo Reetzke, Alternative für Deutschland (Wahlreis 60 und 62)

Name:Ingo Reetzke

Partei: Alternative für Deutschland (AfD)

Geburtstag und -ort: 27.03.1960, Reutlingen

Konfession: evangelisch

Wohnort: Reutlingen

Familienstand: ledig

Beruf: Anwalt

Derzeitige wichtige politische Ämter (jeweils seit): Seit der Kommunalwahl 2019 Fraktionsvorsitzender im Kreistag; stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat sowie seit Anfang 2019 stellvertretender Kreisverbandsvorsitzender 

Buchtipp: nichts bestimmtes

Lieblingsfilm/-serie: dito

Lieblingsmusik: Schiller, Johnny Clegg, Linkin Park, Stones

Hobbys: Wurfscheibenschießen, Motorrad

Bevorzugtes Fortbewegungsmittel: bei schönem Wetter siehe oben, bei schlechtem ein Kfz

Vorbilder: keine

Zentrales politisches Anliegen in seinem Satz: Nein zum »Green Deal«