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10. Reutlinger Kulturnacht in Planung - es könnte die letzte sein

Die 10. Kulturnacht will der Verein Netzwerk Kultur noch stemmen. Wie es danach weitergeht, ist unklar. Nach dem Wegfall der Paketpost als zentraler Veranstaltungsort ist die Vorlaufzeit knapp. Bis Ende Juni können noch Künstler und Orte angemeldet werden.

»Carpe Noctem«: Installationen wie diese mit Popkultur-Bezügen begeisterten bei der Reutlinger Kulturnacht 2019  im Zeughaus bei
»Carpe Noctem«: Installationen wie diese mit Popkultur-Bezügen begeisterten bei der Reutlinger Kulturnacht 2019 im Zeughaus beim Kesselturm. Foto: Archiv/Niethammer
»Carpe Noctem«: Installationen wie diese mit Popkultur-Bezügen begeisterten bei der Reutlinger Kulturnacht 2019 im Zeughaus beim Kesselturm.
Foto: Archiv/Niethammer

REUTLINGEN. Regelmäßig Kulturschaffende aus Reutlingen zeigen. Diejenigen unterstützen, die hier künstlerisch arbeiten. Daraus ein vielfältiges, begeisterndes Programm auf die Beine stellen - für bis zu 8.000 Besucher. Das macht der Verein Netzwerk Kultur Reutlingen, der sich 2007 nach der ersten »Reutlinger Kulturnacht« gegründet hat. Die letzte der daraufhin alle zwei Jahre organisierten regulären Großveranstaltungen, die jeweils bis zu 100 Orte im ganzen Stadtgebiet und Künstler aller möglichen Sparten miteinander verbanden, war am 21. September 2019. Besonders die Illumination des Marktplatzes und der Pomologie blieb vielen Bürgern als einzigartig in Erinnerung.

Wegen der Coronapandemie gab es 2021 mit dem »Kulturpostfestival« und 2023, als im Erdgeschoss der Paketpost die Ukrainehilfe eingezogen war, mit der »Hafenrundfahrt« abgespeckte Versionen. »Zwischenplatzhalterevents«, nennt sie Edith Koschwitz. Kein Zweifel, »die waren auch schön«, betont die Geschäftsführerin von Netzwerk Kultur. »Es ist eine Leistung, dass seit 2007 alle zwei Jahre ein solches Großevent stattgefunden hat« - sieben reguläre Kulturnächte und zwei in jeweils reduzierter Form. Denn »das ist richtig viel Arbeit, vor allem in der Phase davor«. Die läuft gerade wieder, denn am 27. September soll die zehnte Veranstaltung dieser Reihe geboten werden. Die könnte zugleich die letzte sein.

Edith Koschwitz steht seit 18 Jahren hinter dem umtriebigen Verein Netzwerk Kultur.
Edith Koschwitz steht seit 18 Jahren hinter dem umtriebigen Verein Netzwerk Kultur. Foto: Claudia Reicherter
Edith Koschwitz steht seit 18 Jahren hinter dem umtriebigen Verein Netzwerk Kultur.
Foto: Claudia Reicherter

Im Moment will der rund 50 Mitglieder zählende Verein, der über wenig Geld, aber ein großes Netzwerk verfügt, »diese 10. Kulturnacht noch mit Anstand über die Bühne bringen«. Auch Koschwitz' persönliches Ziel lautet: »Das ziehen wir jetzt durch.« Wie es danach weitergeht, scheint jedoch unklar.

Endlose Suche nach dauerhaftem Standort schlaucht

Man müsse schon leidensfähig sein, gesteht Koschwitz. Besonders schlaucht sie und die Ehrenamtlichen um den Vorsitzenden Gerhard Loew sowie Andreas Konitzer, Reinhold Maas und Monika Wibmer vom Vorstand, dass in den vergangenen Jahren auf der Suche nach einem dauerhaften Standort viel Vorarbeit und Energie einfach so »vom Tisch gewischt wurde«. Immer wieder platze das wie eine Seifenblase. Dabei »ist es uns gelungen, viele zu mobilisieren«, hebt Edith Koschwitz hervor. Der kleine Kreis an zupackenden Aktiven hatte nicht zuletzt nach der konzeptionellen Mitarbeit an einer Galeria-Kaufhof-Zwischennutzung in einem leerstehenden Laden in der oberen Wilhelmstraße in kürzester Zeit das »W 109« aufgezogen. Die zweiwöchentlich wechselnden Ausstellungen und regelmäßigen Konzerte in dem niederschwelligen Pop-up-Kulturort fanden bei Publikum und Künstlern so viel Resonanz, dass sie schon nach zwei Monaten die Interimsnutzung aufs ganze erste Halbjahr 2025 hätten ausdehnen können.

Eine Flamenco-Tänzerin und Flamenco-Musiker traten am 14. Juni im aktuellen Pop-up-Domizil des Vereins Netzwerk Kultur im "Artsp
Eine Flamenco-Tänzerin und Flamenco-Musiker traten am 14. Juni im aktuellen Pop-up-Domizil des Vereins Netzwerk Kultur im »Artspace W 109« in der Metzgerstraße 59 auf. Foto: Privat
Eine Flamenco-Tänzerin und Flamenco-Musiker traten am 14. Juni im aktuellen Pop-up-Domizil des Vereins Netzwerk Kultur im »Artspace W 109« in der Metzgerstraße 59 auf.
Foto: Privat

Doch das Bundesförderprogramm »Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren« (ZIZ) lief nach vier Monaten zum Jahreswechsel aus, weshalb der Verein im März mit seinem »Kulturladen W 109« in das als Biosphärenhalle vorgesehene »M 59« in der Metzgerstraße umzog. Wieder nur interimsmäßig. Dort waren zuletzt etwa eine Ausstellung des Reutlinger Origamikünstlers Bodo Haag und die Flamenco-Formation um Philip Reinhardt zu sehen. Jeweils »sehr gut besucht«. Die nächste Vernissage mit sieben Künstlerinnen ist am Samstag, 28. Juni, um 13 Uhr. Jedoch: Auch dafür läuft die ZIZ-Finanzierung im August aus. Ob die Räume wenigstens bis zur Kulturnacht als Organisationszentrale und Eventlocation nutzbar sind, steht in den Sternen. Dabei sei die Kultur in Reutlingen »sehr gut und sehr vielfältig«, findet Koschwitz. »Und es gäbe noch so viele Ideen, die bei uns schlummern. Über einen längeren Zeitraum könnten wir da richtig viel aufbauen.« Sie versteht nicht, »weshalb man uns immer wieder so ins Leere laufen lässt«.

Nach der Zwischennutzung im W 109 bespielt der Verein nun interimsmäßig das M 59, hier eine Ausstellung des Reutlinger Origamikü
Nach der Zwischennutzung im W 109 bespielt der Verein nun interimsmäßig das M 59, hier eine Ausstellung des Reutlinger Origamikünstlers Bodo Haag. Foto: Privat
Nach der Zwischennutzung im W 109 bespielt der Verein nun interimsmäßig das M 59, hier eine Ausstellung des Reutlinger Origamikünstlers Bodo Haag.
Foto: Privat

Vorarbeiten laufen

Denn nach 2019 gelte es nun, den Motor ganz neu anzuwerfen. »Wir machen das so gut wir können und arbeiten mit dem, was wir haben.« Statt wie bisher 80 bis 100 sind dieses Mal aber wohl nur rund 40 Orte an der Kulturnacht beteiligt. Dass als größte Ausstellungsfläche die seit Herbst 2024 fest zugesagte Paketpost wegfiel - elf Künstler waren dafür schon vorgesehen - und der Verein für das als Ersatz für zwei Tage Kunstmesse angestrebte Breuninger-Gebäude am Marktplatz auch eine Absage bekam, sorgt für Frust. Die Stadthalle mit Nebenkosten von 12.000 Euro kann sich der Verein bei 20.000 Euro Gesamt-Förderung nicht leisten. Ergo: »Wir haben nun keinen großen, loftartigen Ort und die Vorlaufzeit ist extrem kurz, um das noch hinzubekommen«, erklärt Edith Koschwitz. Von daher seien die Organisatoren aktuell »nicht mehr so wählerisch«.

Was wann wo?

Das Anmeldeverfahren für die Reutlinger Kulturnacht am 27. September läuft. Zwischen 15 und 18 Uhr bietet die für lau Familien- und Mitmachprogramme sowie Straßenevents; von 18 bis 23 Uhr gibt es jeweils ein Ticketbändel für alle Veranstaltungsorte zu 18 Euro. After-Show-Angebote sind nicht ausgeschlossen.

Bis Ende Juni können über die Internetseite von Veranstaltungsorten Programmbeiträge angemeldet werden. Kulturschaffende, die bislang ohne Auftrittsort am Mitwirken interessiert sind, können sich per E-Mail melden. Da versuchen die Projektleiter zu vermitteln. Auch »künstlerische Experimente in ungewöhnlichen Konstellationen«, spartenübergreifende und interkulturelle Kooperationen sind erwünscht. Zudem werden noch Institutionen, Sponsoren und Förderer gesucht. (GEA)

www.reutlinger-kulturnacht.de

info@netzwerk-kultur-reutlingen.de

Immerhin: 31 Zusagen gibt es bislang. Im Achalmbad bietet die TSG wieder Synchronschwimmen, in einem Verhandlungssaal des Amtsgerichts gibt es eine Krimi-Lesung, ins Café der Bäckerei Berger lädt Jochen Weeber zur Bäckertüten-Comedy. Zeughaus, Kirchen, Museen, Echazbühne und -terrasse, VHS, Stadtbibliothek, Spitalhof und Tonne-Theater, Haus der Kulturen, Kreissparkasse, Kamino und die Ateliers im Wendler-Areal sind wieder dabei. Dazu Clown Klikusch mit Feuer und Trommeln sowie Ina Z. mit Stelzen und lebender Puppe. Damit kann sich die Planung für die 10. Kulturnacht durchaus bereits sehen lassen, meint Koschwitz: »Da kann man schon einen Abend sehr angenehm verbringen.«

»Entwicklung sollte sichtbar sein«

Zudem lädt sie Künstler - Musiker, Comedians, Street-Dance-Performer - ebenso wie Reutlinger, die einen Auftrittsort anbieten können, ein, sich noch bis Ende Juni beim Netzwerk Kultur zu melden. »Wir bespielen gerne Leerstände.« Grundsätzlich seien »alle willkommen, die dazu beitragen, die Stadt an diesem Tag zu beleben«. Auch für den Nachmittag sind am 27. September noch Auftrittsslots zu vergeben. Wobei »ein Bezug der Künstler zu Reutlingen schon hilfreich wäre«. Denn Zuschüsse zu Fahrtkosten oder Übernachtungen bezahlen kann der Verein »leider nicht«.

Für die Zeit nach dieser 10. Reutlinger Kulturnacht wünschen sich die Netzwerk-Kultur-Macher dringend eine zuverlässige Perspektive. »Immer wieder von Null anfangen ist anstrengend. Immer wieder baggern, betteln und beten. Ich bin gern bereit, mich reinzuhängen, das sollte inzwischen bekannt sein«, sagt Edith Koschwitz. »Aber wenn keine Entwicklung sichtbar ist, dann weiß ich nicht, ob ich das danach noch weitermachen kann«, erklärt die Über-60-Jährige. (GEA)