REUTLINGEN. Als der Marktplatz an diesem Samstagmorgen um 4 Uhr zum Leben erwacht, ist es eiskalt, das Thermometer zeigt knapp über dem Gefrierpunkt. Nicht unbedingt wärmer ist auch die Stimmung zwischen Frank Kuhn und Angela Weiskopf. Kuhn, der den Wochenmarkt als verlängerter Arm der Verwaltung leitet, ist wieder einmal stinksauer: »Wenn Fakten nicht mehr zählen, dann ziehen wir den Wochenmarkt eben ab!« Sagt's, rauscht davon – und keine Minute später rumpelt es ordentlich. Er hat die Verkehrsschilder, die einen geplanten Baum vor seinem Stand symbolisieren sollen, kurzerhand eigenmächtig zur Seite geschoben.
Baubürgermeisterin Weiskopf hat an diesem Morgen in aller Herrgottsfrühe wirklich keinen einfachen und vor allem keinen beneidenswerten Job. Gemeinsam mit Georg Frey, dem Abteilungsleiter für Grünflächen und Umwelt, sowie zwei weiteren Mitarbeitern des städtischen Tiefbauamts soll sie auf dem Marktplatz klären, wo die Stadt sechs Bäume pflanzen kann. iese Bäume sollen Schatten auf dem Marktplatz spenden und ihn verschönern. Doch die Fronten zwischen Verwaltung und Marktleuten haben sich seit dem Sommer diesbezüglich ordentlich verhärtet. Vor allem Kuhn hat gegen die Stadt geschossen. Aber auch andere Beschicker sind sauer wegen der Pläne.

Da hilft es an diesem kalten Morgen auch nicht, dass Abteilungsleiter Frey beinahe gebetsmühlenartig vor diversen Händlern betont, dass es sich hier nur um erste Pläne handle. »Es ist nichts fix«, man schätze den Wochenmarkt sehr und wolle eine gute Lösung für alle finden. Marktbeschicker Peter Hochstetter ist trotzdem sauer. Die mittlerweile bekannten Pläne seien schon wieder geändert worden, sagt er. Er fühlt sich überrumpelt.
Ja, die Pläne wurden geändert, sagt Bürgermeisterin Weiskopf – aber nur marginal und in Abstimmung mit den Marktleitern Kuhn und Frech. Hochstetters Beispiel zeigt das grundlegende Problem auf, das die Stimmung mittlerweile zu vergiften scheint: Er fühlt sich durch den neuen Baumstandort nicht einmal groß in seiner Arbeit behindert, sagt er. Ihn störe vielmehr das Vorgehen der Stadt, die mangelnde Kommunikation, dass man die Beschicker nicht richtig in den Prozess einbeziehe. Das hört man auch von anderen Händlern. Auch von der während des Weihnachtsmarkts mitten auf dem Platz geplanten Glühwein-Pyramide habe man erst vor Kurzem erfahren, sagt Hochstetter weiter. Dabei sei sie schon im Februar genehmigt worden.
»Und außerdem gehören keine Bäume mitten auf den Marktplatz!«
Nicht besser ist die Laune an diesem Morgen bei Olivenhändlerin Christine Götz, die kurz nach 5 Uhr mit Auto und Anhänger ankommt. Ein Haufen Verkehrsschilder, der einen geplanten Baum markiert, steht genau zwischen ihrem und Hochstetters Stand. »Wenn das nicht wegkommt, kann ich nicht aufbauen«, schimpft sie. Sie könne so nicht ordentlich rangieren, sagt sie zu Baubürgermeisterin Weiskopf. Ein Baum an dieser Stelle würde zudem für störendes Laub sorgen. »Und außerdem gehören einfach keine Bäume mitten auf den Marktplatz!« Das gebe es auf anderen Marktplätzen auch nicht, sie habe extra nachgeschaut.
Baubürgermeisterin Weiskopf betont, dass man sich extra Luftbilder des Marktplatzes mit allen Ständen angeschaut habe. Auf dieser Grundlage sei die erste Planung erfolgt. Der zwischen Götz' und Hochstetters Stand geplante Baum sei aus ihrer Sicht umsetzbar. Die beiden Stände könnten ja um ihn herum aufgebaut werden, die Baumkrone ragt am Ende über die Standdächer hinaus.
Mittlerweile hat Frank Kuhn schon einiges an seinem Stand aufgebaut und kommt richtig in Fahrt. »Wir überlegen, ob wir den Wochenmarkt woanders hinverlegen«, schimpft er. Er will von den Vertretern der Verwaltung wissen, warum sein Vorschlag einer Baumallee, parallel zu den Bäumen an der Zinser-Front, nicht weiterverfolgt wird. Angela Weiskopf sagt auf GEA-Nachfrage dazu: »Der Marktplatz hat viele verschiedene Nutzungen. Hier finden neben dem Wochenmarkt auch Veranstaltungen, Kundgebungen und Ähnliches statt.« Man müsse einen Weg finden, der für alle Nutzungen gut sei.
Für einen zusätzlichen Stimmungskiller bei den Marktleuten ist sie an diesem Morgen immerhin nicht verantwortlich: Mitten auf dem Platz steht ein großer gelber Wagen für Fassadenarbeiten. Wer den da abgestellt hat? Unklar. Wie man ihn schnellstmöglich wegbekommt? Ebenso. Verwaltung und Beschicker haben die Polizei informiert.

An der Zinser-Front sind die Gemüter etwas ruhiger. Martin Frech und Schwester Amadea von den Dettinger Blumenmönchen haben kein Problem mit dem Baum, der zwischen ihren Ständen geplant ist. »Ob da ein Baum oder eine Laterne steht – das ist doch egal«, sagen sie nahezu unisono. Der zweite Baum, der in diesem Bereich geplant ist, würde allerdings mitten in Schwester Amadeas Stand stehen. »Das geht nicht«, sagt sie entschieden. Damit ihre Blumen auch bei Frost überleben, überdacht sie ihren Stand in den kälteren Monaten mit einem Pavillon und muss zudem heizen. »Ich finde das grundsätzlich eine gute Sache mit den Bäumen«, sagt sie ruhig und überlegt. Aber auch hier kommt das bereits bekannte und mehrfach gehörte Argument: »Man hätte vorher mit uns reden müssen. Dann hätte man auch direkt gemerkt, dass man keinen Baum mitten in den Stand planen kann.« Diese fehlende Kommunikation habe »für viel Unmut gesorgt«.
»Ich finde das grundsätzlich eine gute Sache«
Baubürgermeisterin Weiskopf erklärt, dass die Planungen auf Grundlage eines Luftbildes aus dem Sommer erstellt wurden. »Da war an dieser Stelle kein Pavillon zu sehen.« Aber genau für solche Erkenntnisse sei der morgendliche Fahrversuch ja da, sagt sie. »Wir wollen danach nochmal mit allen Betroffenen sprechen und uns auch die einzelnen Elemente der Stände genauer anschauen.« Weitere Gespräche mit einem Kreis von Betroffenen sind geplant, ebenso eine öffentliche Veranstaltung. (GEA)
Öffentliche Veranstaltung
Auf Druck aus dem Gemeinderat hin, hat die Verwaltung beschlossen, eine öffentliche Veranstaltung zur Marktplatz-Umgestaltung abzuhalten. Die wird »voraussichtlich am 4. Dezember im Spitalhof stattfinden«, heißt es aus dem Rathaus.
Und weiter: »Bei dem Informationstermin wird es weniger um konkrete Wünsche für den Marktplatz als vielmehr um die allgemeinen Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger am Marktplatz gehen.« Die gewonnenen Erkenntnisse werde man in die weiteren Planungen einfließen lassen. (kk)