Anlass der nachbarschaftlichen Verstimmung sind insbesondere die geplanten zwei »Nahversorger« im neuen, direkt an die Betzinger Markung grenzenden Quartier. Davon, so Kecks Sorge, seien unmittelbare Auswirkungen auf den Betzinger Einzelhandel zu erwarten. Deshalb habe er in der letzten Sitzung vor der Sommerpause im Reutlinger Rathaus nachgefragt, welche Stellungnahme die Verwaltung zu diesem Thema abgegeben habe. Die verblüffende Antwort: keine. Des Rätsels Lösung: Die Stadt war weder informiert noch in irgendeiner Form am Verfahren beteiligt worden.
Das, meint Bezirksbürgermeister Thomas Keck, hätten die Wannweiler aber zwingend tun müssen. Denn im Paragraf 4 des Baugesetzbuches heißt es, dass bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes die Gemeinde die »Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann«, einzuholen hat. Thomas Keck sieht in der Nicht-Beteiligung der Stadt Reutlingen an den Wannweiler Plänen eine Verletzung der Vorgaben der Raumordnung.
Oder, so Thomas Keck: »Man könnte es auch als unfreundlichen Akt bezeichnen, unter einem gut nachbarschaftlichen Verhältnis verstehe ich etwas anders.« Auch er habe - wie der übrige Ortschaftsrat - seine Informationen über das Projekt ausschließlich aus der Zeitung bezogen.
»Es herrscht jetzt absoluter Handlungsbedarf«, meinte Betzingens Bezirksbürgermeister. Das sieht Stefan Dvorak, Chef des Reutlinger Amtes für Stadtentwicklung und Vermessung, nicht anders. »Ich teile die Sorge der Betzinger«, sagt er auf GEA-Nachfrage. Denn mittlerweile hat er sich die Pläne zur »Alten Spinnerei« besorgt. Vorgesehen ist bekanntlich eine Mischung aus Gewerbe und Wohnen. Im Gewerbegebiet hat Dvorak keine Aussage über Handel entdecken können, wohl aber die beiden »Nahversorger«. Das Sortiment ist auf Lebensmittel, Drogerieartikel und Getränke beschränkt, die Fläche pro Laden auf 800 Quadratmeter. »Das ist bei einem noch nicht viel, in der Addition aber schon«, so der Amtsleiter. Aus den Plänen werde aber nicht ersichtlich, was genau vorgesehen sei. »Da kann schon Sorge aufkommen, wenn nicht geregelt ist, wie viel Handel zugelassen ist.«
»Es wäre schön gewesen, wenn wir im Vorfeld informiert worden wären«Deshalb wird die Stadt jetzt an das beauftragte Planungsbüro eine Stellungnahme abgeben. »Wir werden unsere Sicht darlegen und darum bitten, die Dinge zu konkretisieren«, kündigt Stefan Dvorak mit Blick auf den möglichen Einzelhandel an. Außerdem werde die Gemeinde Wannweil aufgefordert, »gutachterlich darzulegen, dass die Regeln des Handelns eingehalten und die Umsatzverteilung im gesetzlichen Rahmen bleibt«. Das sei üblich, wenn Nachbargemeinden betroffen sein könnten.
Dass die Stadt Reutlingen bei dem Wannweiler Großprojekt bisher komplett außen vorgelassen wurde, stimmt auch ihn nicht froh. »Wir gehen davon aus, dass uns die Planung mal vorgestellt wird«, so Dvorak. »Aber es wäre schön gewesen, wenn das im Vorfeld passiert wäre.« (GEA)

