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Wenn Tieren in der Region eine vierspurige Straße im Weg ist

Für Tiere ist die Verbindung ihrer Lebensräume existenziell. Der Naturschutzbeauftragte des Landkreises Reutlingen erklärt das am Beispiel der B 28 zwischen Reutlingen und Metzingen.

Auf den ersten Blick wird klar, dass kein Tier unbeschadet die B 28, hier zwischen Sondelfingen und Metzingen, überqueren kann.
Auf den ersten Blick wird klar, dass kein Tier unbeschadet die B 28, hier zwischen Sondelfingen und Metzingen, überqueren kann. Foto: Gabriele Böhm
Auf den ersten Blick wird klar, dass kein Tier unbeschadet die B 28, hier zwischen Sondelfingen und Metzingen, überqueren kann.
Foto: Gabriele Böhm

REUTLINGEN-SONDELFINGEN. Tag und Nacht rollt der Verkehr über die B 28. Zwischen Sondelfingen und Metzingen durchschneidet sie vierspurig einen Wald- und Wiesenbereich und macht es Tieren unmöglich, von der einen Seite auf die andere zu wechseln. Doch ein breiter Durchlass an der Stelle, an der der Reichenbach unter der Bundesstraße fließt, etwa auf Höhe des Achalm Lamms, gibt Igeln, Füchsen und Kröten Bewegungsfreiheit. Jürgen Tröge, Naturschutzbeauftragter des Landkreises Reutlingen und Vorsitzender des mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Naturschutzvereins Rana (Reptilien Amphibien Neckar-Alb), erläutert an diesem Beispiel den sogenannten Biotopverbund, der derzeit viele Kommunen im Landkreis beschäftigt.

Biotope – das sind wertvolle Lebensräume für geschützte Pflanzen und Tiere. In diesen Bereichen können sie noch überleben, obwohl Bebauung und Bewirtschaftung der Landschaft immer mehr zunehmen. Hier werden ihre Bedürfnisse an Wasser, Feuchtigkeit, Steinmauern, Sonne, Sträuchern, offenem Land oder Pestizidfreiheit erfüllt.

Jürgen Tröge vor dem Durchlass der B 28, der Tieren entlang des Reichenbachs die Wanderung zwischen Achalm und Neckar ermöglicht
Jürgen Tröge vor dem Durchlass der B 28, der Tieren entlang des Reichenbachs die Wanderung zwischen Achalm und Neckar ermöglicht. Foto: Gabriele Böhm
Jürgen Tröge vor dem Durchlass der B 28, der Tieren entlang des Reichenbachs die Wanderung zwischen Achalm und Neckar ermöglicht.
Foto: Gabriele Böhm

Jürgen Tröge nennt als Beispiel die Gelbbauchunke, die mit ihrer herzförmigen Pupille und ihrem Fleckenmuster originell aussieht und zu den streng geschützten Arten gehört. »Im Landkreis Reutlingen gibt es ein etwas größeres Vorkommen«, so Tröge. »Das bedeutet nicht nur einen großen Glücksfall, sondern verpflichtet uns auch dazu, alles dafür zu tun, dass es auch so bleibt.« Abgesehen davon, dass jede aussterbende Tierart einen großen Verlust in der natürlichen Vielfalt bedeute, seien die meisten Tiere noch gar nicht richtig erforscht. »Wir kennen ihre Bedeutung weder im Naturkreislauf noch beispielsweise für die Medizin.« Es sei bekannt, dass das Hautsekret der Kröten unter anderem entzündungshemmend wirke.

Um überleben zu können, benötigt die Gelbbauchunke kleine Tümpel von zwei bis acht Quadratmetern zum Laichen. Doch gerade diese kleinen Gewässer sind in den zunehmend heißer werdenden Sommern oft vom Austrocknen bedroht. »Die Kröten haben dann keine Ausweichmöglichkeit mehr, und die Population geht zugrunde«, erläutert der Fachmann. Um Fälle wie diese zu verhindern, hat der Bund das Gesetz zum Biotopverbund auf den Weg gebracht, das einzelne Biotope miteinander vernetzt. »Dadurch haben die Tiere mehr Spielraum, und die Gene der Populationen können sich vermischen, wodurch Inzucht und Krankheiten gemindert werden können.«

Ausbau des Biotopverbunds

In der Geschäftsstelle des Landschaftserhaltungsverbands Reutlingen wurde eigens eine Stelle zur Umsetzung des Biotopverbunds eingerichtet. Kommunen, Landwirte, Verbände und Privatpersonen können sich dort beraten lassen. »In seiner Neufassung des Landesnaturschutzgesetzes hat sich Baden-Württemberg das Ziel gesetzt, den Biotopverbund bis 2030 auf mindestens 15 Prozent der Offenlandfläche auszubauen«, so Tröge. Der Landkreis mit seiner vielfältigen Landschaft mit Wacholderheiden, Magerrasen, Nasswiesen oder Streuobstbeständen biete besondere Möglichkeiten, die Artenvielfalt zu fördern.

In den Kommunen werde das Konzept unterschiedlich schnell angegangen. »Erfreulicherweise ist etwa ein Drittel der Gemeinden im Landkreis Reutlingen bereits mit der konkreten Bearbeitung beschäftigt«, so Tröge. Doch andere hätten noch nicht mit der Planung begonnen.

Auf der Grundlage der Karten der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), in denen die Biotope festgehalten seien, könnten beauftragte Fachbüros den Sachstand erheben und geeignete Maßnahmen zur Biotopvernetzung vorschlagen. Dazu gehörten unter anderem sogenannte Trittsteinbiotope, kleinere Flächen, über die die Tiere zwischen größeren Lebensräumen wechseln könnten. »Es macht Sinn, dafür Ausgleichsmaßnahmen zu nutzen, zu denen die Kommunen verpflichtet sind«, betont Tröge.

Tierwanderungen auf der Trasse der Hochspannungsleitungen

Der Durchlass unter der B 28, für den noch weitere Maßnahmen im Gespräch sind, ist entlang des Reichenbachs und seiner Uferzonen bereits Teil eines Biotopverbunds von der Achalm bis zum Neckar. Auch die Trasse der Hochspannungsleitungen, die immer freigehalten werden muss, dient der Tierwanderung über viele Kilometer. »Dieser lichte Bereich ist ideal für alle Arten, die offenes Gelände benötigen wie Amphibien, Insekten, Reptilien und Kleinsäuger«, sagt Tröge und weist darauf hin, dass zur Biotopvernetzung jeder mit seinen Ideen beitragen könne. »Mitstreiter sind jederzeit willkommen.« (GEA)