REUTLINGEN-REICHENECK. Rundschreiben statt Bürgerdialog: Obwohl den Reicheneckern zu Beginn dieses Jahres von der Reutlinger Fair-Energie eine Vor-Ort-Informationsveranstaltung zum Topthema Nahwärme in Aussicht gestellt worden ist, kann noch immer kein Vollzug gemeldet werden. Zwar sollte es zunächst im Frühling, dann – mit Hinweis auf die Komplexität des Vorhabens – im Frühsommer zu (er)klärenden Gesprächen kommen. Auf diese Gelegenheit wartet der Flecken, der sich, wie mehrfach berichtet, zum energetischen »Öko-Dorf« entwickeln möchte, allerdings bis heute.
Starkes Interesse bekundet
Statt eines informativen Treffens nebst Nachfrage-Möglichkeiten gab es jetzt – immerhin – Briefkastenpost. Angeschrieben wurden von der Fair-Energie zahlreiche Reichenecker Haushalte, von denen das Gros bereits vor gut anderthalb Jahren starkes Interesse an einem Projekt bekundet hat, das komplett auf erneuerbare Energien setzt und somit umweltfreundliche Wärmeversorgung verspricht: dank Solarthermieanlage und Holzhackschnitzel-Heizzentrale.
Eine, wie die Dorfgemeinschaft nicht zuletzt mit Blick auf den Klimawandel findet, höchst willkommene Innovation. Willkommen auch deshalb, weil in Reichenecks Wohngebäuden derzeit noch etliche Methusalems ein Kellerdasein fristen: veraltete Ölheizungen, die teilweise vier Dekaden auf dem Kessel haben und deshalb dringend ausgetauscht werden müssten. Weshalb es deren Besitzern verständlicherweise ein Anliegen ist, dass das Nahwärme-Projekt zeitnah realisiert wird und ihre Häuser in Bälde Netzanschluss finden.
Seit drei Jahren diskutiert
Bis zu diesem ersehnten Andocken ist es aber offensichtlich noch ein weiter Weg. Denn obschon das klimafreundliche Vorhaben seit gut drei Jahren rauf und runter diskutiert wird, Förderanträge gestellt sind und sogar die Standortfrage für Solaranlage und Heizzentrale längst geklärt ist, scheinen die Dinge zu stagnieren. Denn weder liegen die Ergebnisse einer vor 13 Monaten vom Leipziger Beratungsunternehmen Tilia in Angriff genommenen Machbarkeitsstudie vor, noch können künftige Anschlusskosten beziffert werden.
Beides, heißt es in der Info-Post des Reutlinger Versorgers, sei derzeit noch in Arbeit. Aber »sobald belastbare Ergebnisse hinsichtlich Kostenermittlung und technischer Umsetzbarkeit vorliegen, wird die geplante Öffentlichkeitsveranstaltung durchgeführt«. Was sich für ungeduldige Zeitgenossen ein bissle nach Sankt Nimmerlein liest und der Stimmung im Flecken nicht eben zuträglich ist: Mancher wähnt sich inzwischen nur noch hingehalten.
Hemmnisse für das Projekt
Bezirksbürgermeister Ulrich Altmann kann diesen Unmut, der ihm allenthalben auf der Straße entgegenschlägt, nachvollziehen. Andererseits weiß er aber auch um Hemmnisse, mit denen Fair-Energie und Tilia zu kämpfen haben. Auf GEA-Nachfrage erklärt der Schultes, dass sich hinter den Kulissen deutlich mehr tut, als Otto Normalverbraucher ahnt. Und wären da nicht die insgesamt schwierigen Rahmenbedingungen, »käme vermutlich niemand auf den Gedanken, dass wir seit Jahren bloß auf der Stelle treten«. In diesem Fall, davon ist Altmann überzeugt, »wären wir schon weiter«.
Jedoch: Immer neue politische Vorgaben aus Berlin plus starke Energiepreisschwankungen, so der Reichenecker Rathaus-Chef, machen seriöse Berechnungen nahezu unmöglich. »Man weiß schlichtweg nicht, was als nächstes kommt. Das sind Unwägbarkeiten, die den Projekt-Beteiligten zu schaffen machen.« Ebenso wie die Tatsache, dass der Bau von Heizzentralen und Solarfeldern nun mal keine triviale Angelegenheit ist, die mal eben auf die Schnelle gewuppt werden könnte. Denn da sind Flächennutzungs- oder Bebauungspläne vor. Und das Verfahren, sie neuen Gegebenheiten anzupassen, ist erfahrungsgemäß ein ziemlich zähes Procedere.
Unverzichtbarer Info-Austausch
Dessen ungeachtet wünscht sich natürlich auch Ulrich Altmann, dass endlich Fortschritte greifbar werden. Außerdem pocht er auf die den Reicheneckern versprochene Bürger-Info. Sie, sagt er sinngemäß, sei angesichts zeitlicher Verzögerungen und den mit ihr einhergehenden Enttäuschungen unverzichtbar. Weil eben gerade dann persönlicher Austausch gefragt ist, wenn's holpert.
Rundschreiben allein, findet der Bezirksbürgermeister, reichen nicht aus, wenn es um die energetische Zukunft des Teilorts geht. Als Ergänzung mögen sie taugen, nicht aber als alleiniges Kommunikationsmittel. Zumal der Gesprächsbedarf im Flecken groß, das Interesse an der Nahwärmeversorgung trotz schwindender Langmut und aufkeimender Zweifel noch immer ungebrochen ist. (GEA)