REUTLINGEN-OHMENHAUSEN. Beim Infrastrukturprojekt Regional-Stadtbahn Neckar-Alb geht es einen ordentlichen Schritt voran: Die Vorplanung ist abgeschlossen, die Favoriten für die Trassenkorridore sind ermittelt (der GEA berichtete). In Ohmenhausen empfehlen die Gutachter die zweigleisige Alte Bahntrasse als Vorzugsvariante, alternativ die gleiche Trasse mit eingleisiger Streckenführung. Die spannendste Frage bleibt damit offen. »Die Planung ist noch nicht abgeschlossen«,, erklärte Professor Tobias Bernecker, Geschäftsführer des Zweckverbands Regional-Stadtbahn Neckar-Alb, in der jüngsten Sitzung des Ohmenhäuser Bezirksgemeinderates. Detailliert informierte er vor vollen Zuhörerreihen über die Pluspunkte der Alten Bahntrasse, warum die Variante über die Hohe/Neue Straße chancenlos ist und wie es weiter geht mit dem Großprojekt.
Heikles Thema Grunderwerb
In ihren Voruntersuchungen nahmen die beauftragten Gutachter vor allem die technische Machbarkeit der verschiedenen Streckenvarianten unter die Lupe. Kurvenradien, Straßenquerschnitte, Platzbedarf für Haltestellen, aber auch das heikle Thema Grunderwerb und anderes mehr floss in die Bewertungen ein. »Wir spekulieren nicht mehr, wir haben jetzt eine Planungsgrundlage«, brachte Tobias Bernecker den Verfahrensstand auf den Punkt.
Bei der Bürgerbeteiligung in Ohmenhausen, erinnerte er, kam ein »ganzer Strauß von Ideen« zu möglichen Trassenkorridoren zusammen. Frühzeitig aussortiert wurde die Brühlstraße, das Industriegebiet Mark-West und die Trasse über Mähringen. Bleiben als Favoriten die Alte Bahntrasse und die straßenbündige Streckenführung auf der L 384. Identisch bei beiden Varianten: Von Gomaringen her wäre die erste Stadtbahn-Haltestelle kurz nach dem Kreisverkehr. Um ein mehrfaches Queren der L 384 zu verhindern, müsste die Fahrbahn nach Norden »verschoben« werden.
Viele Minuspunkte
Bei der Streckenführung über die Hohe/Neue würde die Stadtbahn zweigleisig in der Fahrbahnmitte fahren. Die Folge: Rechts und links bräuchte es mehr Platz für Rad- und Gehwege, was Eingriffe in Privatgrundstücke erforderlich macht. Und das nicht zu knapp, nämlich auf beiden Seiten in einer Größenordnung von 1,50 Metern. 50 Eigentümer wären betroffen, ließ der Zweckverbands-Geschäftsführer wissen. Weiteres Manko: Bei der Haltestelle Ohmenhausen-Mitte reicht die Längsneigung nicht aus, um barrierefreie Zugänge zu ermöglichen.
Nur ein einziger Grundstückseingriff
Viele Minuspunkte also, die sich bei der Alten Bahntrasse so nicht finden. Zweigleisigkeit ist hier grundsätzlich möglich, so Tobias Bernecker zum Untersuchungsergebnis - theoretisch auch im Bereich des bewohnten, liebevoll restaurierten alten Bahnhofsgebäudes. Allerdings, räumte er ein, »wird’s hier knifflig«. Die beste Botschaft: Unter Beibehaltung des Geh- und Radwegs wäre nur ein einziger Grundstückseingriff notwendig - und der umfasst gerade mal 30 Zentimeter. Es werde sogar daran gearbeitet, ganz ohne das Privatgrundstück hinzukommen, so Bernecker. Und zum Fazit: Wegen der geballten Nachteile der Landesstraßen-Variante, insbesondere der vielen Grundstückseingriffe, empfehlen die Gutachter »eindringlich«, nur die Variante Alte Bahntrasse weiter zu verfolgen. »Ob zweigleisig oder eingleisig wird in der weiteren Planung noch genauer untersucht«, kündigte Tobias Bernecker an. Weiter geprüft werden soll außerdem die Höhenlage der Trasse und ob eine Führung »im Trog« möglich ist. Und auch der Kreuzungsbereich vom Fehlhaldenweg über die L 384 beziehungsweise die Frage, ob ein Bahnübergang oder eine Unterführung sinnvoller ist, wird die Gutachter beschäftigen.
Bei der Vorzugsvariante geht die Trasse über den Augraben weiter, dann parallel nördlich der Landesstraße Richtung Industriegebiet Mark-West. Die alternative Route würde über die Alte Bahntrasse gen Markwiesenstraße führen. Beide Varianten wären durchgängig zweigleisig, um, so Bernecker, »flexible Begegnungen zu ermöglichen«. Ungeklärt ist noch, ob auf dem Streckenabschnitt eine dritte Haltestelle möglich ist.
Interaktive Karte zum Planungsstand
Ende März schaltet der Zweckverband Regional-Stadtbahn Neckar-Alb unter www.regional-stadtbahn.de eine interaktive Karte zum Planungsstand des Großprojekts frei. Sie bietet eine Übersicht über alle untersuchten Trassenvarianten im virtuellen 3D-Modell. Zu sehen sind Haltestellen sowie Bild- und Infopunkte, an denen mehr Informationen abgerufen werden können. Einblicke in aktuelle Planungsunterlagen sind möglich, Anmerkungen können gemacht und Fragen gestellt werden, auf die es auch Antworten gibt. Eine sukzessive Ergänzung mit Themenkarten zu weiteren Inhalten ist vorgesehen. (pr)
Es gibt also noch einiges zu tun für die Gutachter, bevor die finale Trassenwahl getroffen werden kann. Ihre Ergebnisse werden Grundlage der Entscheidungen der Gremien, die noch in diesem Jahr fallen sollen. Vorher wird es weitere Bürgerbeteiligungs-Runden geben – in Ohmenhausen noch vor den Sommerferien in Form der gewohnten Trassenspaziergänge, im Herbst dann in der Halle, schlägt der Zweckverband vor.
Nicht alle pro Eingleisigkeit
Von den Zuhörern, darunter viele Anlieger der Alten Bahntrasse, kamen eingangs nur wenige kritische Fragen. Auch die Bezirksgemeinderäte hielten sich zurück. Das Thema Eingleisigkeit brachte Martin Graziotti zur Sprache: Der Ortschaftsrat habe sich dafür ausgesprochen, weil weniger Eingriffe in die Natur notwendig seien. »Wir wollen eine höchstmögliche Akzeptanz der Anlieger«, schloss sich Bezirksbürgermeisterin Andrea Fähnle an und verwies auf Betzingen, wo es auch eingleisig gehe. Allerdings aus Platzgründen nur auf zwei sehr kurzen Abschnitten, stellte Tobias Bernecker klar. Und, versicherte er: Beide Varianten werden gleichwertig weiter untersucht. Thomas Kuchelmeister, neu im Gremium, machte deutlich, dass nicht alle Ortschaftsräte pro Eingleisigkeit sind. »Zweigleisigkeit garantiert eine bessere Taktung. Ich gehe davon aus, das wird es in zehn Jahren brauchen.« Die zweigleisige Variante sei stabiler darstellbar, stimmte ihm Tobias Bernecker zu. »Das ist genau das, was jetzt zu prüfen ist.« (GEA)