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Rätsel um Richie: Wo ist der Oferdinger Biber?

Im Juli 2024 hat erstmals ein Biber den Reichenbach zwischen Oferdingen und Reicheneck erkundet. Im November hat er dann dort gebaut - allerdings sind die Dämme komplett verschwunden. Auf Spurensuche am Reichenbach.

Richies Staudamm, bevor dieser plötzlich und komplett verschwand.
Richies Staudamm, bevor dieser plötzlich und komplett verschwand. Foto: Stadt Reutlingen
Richies Staudamm, bevor dieser plötzlich und komplett verschwand.
Foto: Stadt Reutlingen

REUTLINGEN-OFERDINGEN. Wenn Paul Henes vom Biber spricht, kann er seine Begeisterung nicht verhehlen. »Im November habe ich die ersten Biss-Spuren entdeckt«, berichtet er bei einem Vor-Ort-Termin auf seinem Gütle zwischen Oferdingen, Mittelstadt und Reicheneck. Erst war er sich nicht sicher, ob es sich wirklich um einen Biber handelt, aber als der tierische Architekt kurz darauf einen Staudamm angelegt hat, war die Sache klar. Er informierte die Behörden. Der Biberbeauftragte Dr. Albrecht Gorthner schaute sich die Spuren und Bauwerke direkt vor Ort an - und bestätigte, dass es sich um einen Biber handelt. Und Paul Henes hatte den Erstnachweis für seine Existenz in Oferdingen erbracht.

Dr. Gorthner vermutet, dass dieser vom Neckar in den Reichenbach gekommen ist. Ob der Biber dort dauerhaft bleibt und sogar Nachwuchs bekommt, ist zurzeit noch unklar. Die Jungtiere verlassen mit zwei bis drei Jahren die Eltern und suchen sich ein eigenes Revier. Das ist an machen Stellen des Landkreises mitunter gar nicht mehr so einfach, denn die Biber erobern nach und nach sämtliche Flüsse und Bäche in der Region. So auch den Reichenbach, der durch Sondelfingen, Oferdingen und Reicheneck fließt.

Plötzlich ist der Damm verschwunden

Das Bächlein wurde denn auch zum Namensgeber für den Biber, der von Familie Henes »Richie« getauft wurde, abgeleitet vom englischen »rich« für reich, nach dem Wohnort »Reichenbach«. Paul Henes freute sich an seinem neuen Mitbewohner, »Biber sind einfach tolle Tiere«, sagt er. Binnen weniger Tage sei es Richie gelungen, den Wasserpegel um mehrere Zentimeter zu erhöhen und die Fließgeschwindigkeit zu verringern. Etwas, von dem auch Fische und Wasservögel profitieren. Aber: Allzu lange blieb Richie nicht in seinem neuen Wohnsitz. Nach nur wenigen Wochen war plötzlich alles weg: der Damm und der Bau mitsamt dem ganzen Holz. »Dabei hat es zu diesem Zeitpunkt gar nicht geregnet«, sagt Henes. Es könne eigentlich nicht sein, dass der Damm komplett weggespült wurde. Also wurde er eingerissen? Für Henes durchaus im Bereich des Denkbaren, auch wenn er keine Beweise hat.

Paul Henes, der den Erstnachweis für den Oferdinger Biber Richie erbracht hat, auf seinem Gütle.
Paul Henes, der den Erstnachweis für den Oferdinger Biber Richie erbracht hat, auf seinem Gütle. Foto: Anja Weiß
Paul Henes, der den Erstnachweis für den Oferdinger Biber Richie erbracht hat, auf seinem Gütle.
Foto: Anja Weiß

Er besorgte sich eine Wildkamera, um den Bach auf seinem Grundstück zu überwachen. Denn normalerweise bauen Biber ihre Dämme wieder auf. Zudem hängte Paul Henes Infoblätter auf, dass das Zerstören eines Biberdammes verboten ist und mit einer Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro belegt werden kann. Auf den Videos war tatsächlich vieles zu sehen. »Es ist unglaublich, wie viel hier los ist«, erklärt Henes. Vor allem nachts tummeln sich etliche Tiere auf seinem Gütle. Nicht nur Fischreiher und Füchse wurden von der Kamera eingefangen, sondern auch Waschbären und Waldiltisse. Und Richie, der gemächlich durch den Reichenbach schwimmt und am Uferrand hochklettert, um nach Baumrinde zu suchen. Andere Spuren am Uferrand stammen von einer »Biberrutsche« - auf der der Biber mach Landausflügen zurück ins Wasser rutscht.

Die Tiere und ihre Bauwerke sind streng geschützt

Allerdings hat Richie keinen weiteren Versuch unternommen, an derselben Stelle erneut einen Damm zu bauen, zum großen Bedauern von Paul Henes. Dafür wurde er weiter flussabwärts aktiv. Aber auch dieser Damm war kurz darauf wieder verschwunden. Zu diesem Zeitpunkt habe es Niederschläge gegeben, sagt Henes, es könne also sein, dass der Damm weggespült wurde. Ihm kommt die Sache aber dennoch etwas dubios vor, er will Sabotage nicht ausschließen. Denn das verbaute Holz fehlte komplett. Biber-Experte Gorthner berichtet jedoch, dass er im Ermstal schon mehrfach erlebt habe, dass nach Hochwasser alles Material weggespült worden ist. Beweis für eine Zerstörung gebe es nicht.

Die Wildkamera hat ein Video von Biber Richie aufgenommen, wie er durch den Reichenbach schwimmt.
Die Wildkamera hat ein Video von Biber Richie aufgenommen, wie er durch den Reichenbach schwimmt. Foto: Privat
Die Wildkamera hat ein Video von Biber Richie aufgenommen, wie er durch den Reichenbach schwimmt.
Foto: Privat

Paul Henes hat trotzdem vorsorglich zu den Fischern und dem Jäger Kontakt aufgenommen: Alle halten die Augen auf und sind gespannt, wo und wann Richie erneut baut. Paul Henes selbst läuft den Reichenbach immer wieder ab. Und entdeckt dabei regelmäßig Biss-Spuren des Bibers. Das heißt er ist noch in der Gegend. »Der Biber wohnt nicht im Damm und kann von seiner unbekannten Burg aus immer wieder neu bauen, wandert also nicht ab«, erklärt Gorthner.

Auch die Stadt Reutlingen weist auf den Schutz-Status des Bibers hin: »Der Biber ist laut Gesetz streng geschützt. Dieser Schutz beinhaltet insbesondere ein Verbot von Tötung, Fang und Störung der Tiere - explizit auch die Zerstörung ihrer Lebensstätten, wie Dämme und Bauten«. So die Antwort der Stadtentwässerung Reutlingen (SER) auf eine Nachfrage des GEA. »Durch die Bau- und Fraßaktivitäten des Bibers kann es immer wieder zu Nutzungskonflikten mit dem Menschen kommen«, so die SER weiter. Um dem vorzubeugen, habe man Gehölze im Umfeld der Brücken im Rahmen der Verkehrssicherung entnommen. Mit größeren Problemen in diesem Bereich wird momentan jedoch nicht gerechnet, erst kürzlich gab es eine städtische Begehung, die kein Konfliktpotenzial aufzeigte. (GEA)