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Oferdinger Drittklässler schaffen Kunstwerk für die Ausstellung »Lifeline«

Ein Flüchtlingszelt auf der Wiese vor dem Schulhaus, schwarz bemalte Hände und eifrige kleine Künstler: Wie die Oferdinger Drittklässler Teil des Kunstprojekts »Lifeline« geworden sind.

24 Oferdinger Drittklässler haben gemeinsam mit Künstler Dieter Mammel ein Kunstwerk gestaltet, das Teil der Ausstellung "Lifeli
24 Oferdinger Drittklässler haben gemeinsam mit Künstler Dieter Mammel ein Kunstwerk gestaltet, das Teil der Ausstellung »Lifeline« ist. Diese wird am 16. Mai im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm eröffnet. Foto: Anja Weiß
24 Oferdinger Drittklässler haben gemeinsam mit Künstler Dieter Mammel ein Kunstwerk gestaltet, das Teil der Ausstellung »Lifeline« ist. Diese wird am 16. Mai im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm eröffnet.
Foto: Anja Weiß

REUTLINGEN-OFERDINGEN. Warum gerade Oferdingen? Schließlich lebt der Künstler Dieter Mammel in Berlin, seine neueste Ausstellung »Lifeline« ist am 16. Mai im Donauschwäbischen Zentralmuseum (DZM) in Ulm zu sehen. Wieso also hat er sich ausgerechnet Drittklässler der Oferdinger Grundschule ausgesucht, um mit ihnen ein Kunstwerk dafür zu gestalten? Dieter Mammel lächelt und zeigt Richtung Achalmsteige: »Ich bin nur 300 Meter von hier aufgewachsen«, erzählt er - als Schüler hat er das Rommelsbacher Bildungszentrum Nord (BZN) besucht. Seine Mutter lebt noch immer in Oferdingen. Die Vorbereitungen für die dritte Station von »Lifeline« verbindet er gleich mit einem Besuch seiner einstigen Heimat.

Und mit einem Kunstprojekt für Grundschüler. Umtriebig und turbulent geht es zu an diesem Morgen vor der Oferdinger Grundschule. Auf der Wiese hat Dieter Mammel ein Zelt aufgebaut. Es ist genau so ein Zelt, wie sie in den großen Lagern auf griechischen Inseln Flüchtlinge beherbergen, die den Weg übers Mittelmeer gewagt haben, um in ein besseres, ein sicheres Leben zu gelangen. Am Abend zuvor hat Mammel die Zeltplane in der Schulaula aufgehängt und die schwarzweißen Schemen eines Flüchtlingszuges darauf gezeichnet. Eine Mutter, die einen Säugling auf dem Arm trägt, Kleinkinder, Alte: Die Porträts sind scherenschnitthaft, aber die Personen klar zu erkennen.

Eine Hand wird schwarz bemalt: Die Handabdrücke der Grundschüler kommen dann auf das Zelt.
Eine Hand wird schwarz bemalt: Die Handabdrücke der Grundschüler kommen dann auf das Zelt. Foto: Anja Weiß
Eine Hand wird schwarz bemalt: Die Handabdrücke der Grundschüler kommen dann auf das Zelt.
Foto: Anja Weiß

Ein nie endender Kreislauf

Die Bilder auf den beiden Seitenwänden des Zeltes ähneln sich - es scheint so, als laufen die Menschen im Kreis. »Die Geschichte von Flucht und Vertreibung ist ein nie endender Kreislauf«, sagt Mammel. Es sind Lebenslinien, die sich durch ganze Nationen und durch Familien ziehen. Auch Mammels Familienhistorie ist geprägt von Flucht - sie war der Auslöser für das Projekt (siehe Bericht auf der Kulturseite). Dieser Weg hat ihn nun auch in seine Heimatgemeinde Oferdingen geführt. Zu einer Schar quirliger Achtjähriger, die an diesem Morgen nichts lieber tun, als Mitwirkende eines Kunstprojektes zu sein. Aufgeregt stehen sie in einer Reihe und warten, bis sie dran sind. Einer nach dem anderen hält den Lehrerinnen eine Hand hin, die mit schwarzer Farbe bemalt wird. Dann geht es zum Zelt, wo Handabdruck um Handabdruck unter die Füße der Flüchtenden kommt.

Die Abdrücke kleiner Kinderhände bilden am Ende des Schaffensprozesses den Weg der Menschen auf der Flucht. Es ist ein Symbol dafür, dass auf den Rücken der Kinder Kriege ausgetragen werden - sie sind die größten Leidtragenden von Not und Elend. Immer mal wieder kommt der ernste Hintergrund an diesem Vormittag zur Sprache. »Krieg ist einfach blöd«, sagt eine Drittklässlerin, während sie ihre Hand auf das Zelt presst. »Die armen Menschen, die von daheim wegmüssen«, erzählt eine andere. Ein Mädchen ergänzt die Malerei mit ihrem Handabdruck. »Sie hat der Flüchtenden quasi ihre eigene Hand gegeben - wie schön«, schwärmt Mammel.

Sich emotional und kreativ mit dem Thema Flucht beschäftigen

»Wir haben die ernste Thematik mit den Schülern im Vorfeld kindgerecht aufgearbeitet«, erklärt Rektorin Anna Istler. Das Thema Flucht und Migration beherrscht oft die Nachrichtenlage - und das beschäftigt die Kinder. Immer wieder brauchen sie Unterstützung dabei, Dinge einzuordnen, die sie im Fernsehen oder Internet gesehen haben. Auch, wenn in der Oferdinger Grundschule selbst keine Flüchtlinge sind, es keinen direkten Kontakt zu Flüchtlingskindern gibt - Flucht und Migration ist präsent. Durch das Projekt »beschäftigen sich die Kinder nicht nur kreativ, sondern auch emotional und gedanklich mit dem Thema Flucht«, erläutert Istler.

Für Dieter Mammel sind Kunstprojekte wie »Lifeline« heute wichtiger denn je. In Zeiten, in denen humanitäre Aspekte mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt werden, vergesse man auch schnell einmal, »dass diese Menschen wirklich aus der Not heraus zu uns kommen«, wie Mammel betont. Bereits 2015 hat er mit Kindern ein großes Projekt gestartet, mit Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan.

Kinder sind zugänglich und aufgeschlossen

»Kinder«, sagt der Künstler, »sind einfach zugänglicher und aufgeschlossener als Erwachsene«. Sie lassen sich von Kunst und Malerei begeistern und scheuen sich nicht, selbst zu Pinsel oder Stift zu greifen. Wenn Worte zur Verständigung fehlten, habe man sich über gemalte Bilder ausgetauscht, blickt Mammel zurück. Die Kinder zeigten ihm in Bildern ihre Heimat und was sie auf der Flucht erlebten.

Dass Kunst eine internationale Sprache ist, beweisen auch die Oferdinger Schüler. Unermüdlich färben sie ihre Handflächen, um das Zelt-Bild zu fertigen - bis es nach gut einer Stunde für den Künstler perfekt ist. Ab 16. Mai wird es vor dem DZM aufgebaut, als erster Teil der Wanderausstellung - nach der Finissage wird es versteigert. Der Erlös kommt der Flüchtlingshilfe zu Gute. (GEA)

So sehen die großen und kleinen Künstler in Aktion aus.
So sehen die großen und kleinen Künstler in Aktion aus. Foto: Anja Weiß
So sehen die großen und kleinen Künstler in Aktion aus.
Foto: Anja Weiß