REUTLINGEN-MITTELSTADT. »Ich bin Karl-Heinz im Plus, Landesbeauftragter für Fantasiereisen und Meditation«, lispelte Peter Brändle am Freitagabend auf der Bühne der Mittelstädter Festhalle. Er nahm das Publikum besinnlich-ruhig, mit weit ausgebreiteten Armen auf eine Reise »in unser Inneres, doch riechen wir zunächst mal nach links und dann nach rechts und dann fühlen wir, dass wir alle in dieser Halle zusammengehören, wir sind eine einzige große Nudelsuppe«.
Was für ein Abend. Die Festhalle in Mittelstadt platzte bei der Veranstaltung der VHS Mittelstadt gewissermaßen aus allen Nähten. Anette Bauer hatte Peter Brändle für einen kabarettistischen Auftritt eingeladen. Der hatte sich zwischen 2001 und 2008 das Pfarramt in dem Reutlinger Teilort am Neckar mit seiner damaligen Frau Ursula Pelkner geteilt. Zuvor war das Paar 2,5 Jahre in Pliezhausen, Mittelstadt war die erste feste Stelle für beide. Schon in dieser Zeit betätigte sich Brändle hin und wieder kabarettistisch.
Dass er in Mittelstadt nachhaltig Spuren hinterlassen hatte, stellte sich nun unter Beweis: Die 300 Karten für seinen Auftritt waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Nach 17 Jahren also wieder zurück, sehr zur Freude des Publikums. Auf der Bühne wechselte Brändle in fast ein Dutzend unterschiedliche Rollen. So gab er etwa den Sozialarbeiter Robert Sechziger, der im Schlabberpulli nun für die aufsuchende Jungseniorenarbeit tätig sei.
Als Rikscha-Fred bot Brändle verschiedene Touren durch Mittelstadt an. Als Megges, Chef des Harley-Clubs Neckartal-Angels, wollte er mal so richtig die Kirche im Ort aufmischen. Doch Brändle kann auch Frauen. Eine ältere etwa, die sich massiv beschwerte, dass es den »Bazzzar« von vor 40 Jahren nicht mehr gebe. Oder Marianne Herzschmerz, ehemalige Pfarrerin, die nun als Organisationsberaterin mit Trommeln und Tanzen dafür sorge, »dass alle lockerer werden«.
Zum Brüllen waren die jeweiligen Personen wie auch ihre Klamotten, die Brändle passend zu jeder Figur trug. Doch der Pfarrer hat auch sein eigenes Leben mit in die verschiedenen Figuren eingeflochten, denn: Auch er wechselte vom Pfarrer in die Industrie. Zunächst war er aber mit seiner Frau von Mittelstadt zur nächsten Pfarrstelle nach Weilheim/Teck gewechselt. Dort trennte sich das Paar, Brändle ging für ein Jahr zum Diakonischen Werk Württemberg – und dann zu Würth.
»Ich wollte mal was ganz anderes machen«, sagte Peter Brändle auf Nachfrage. Durch einen Kontakt aus Mittelstadt wurde er Bezirksleiter bei der Firma Würth. Zwei Jahre blieb er dabei, »a bissle mehr Fachwissen wäre schon gut gewesen«, gestand er. Dann stieg er bei einem Weinimporteur ein, machte zahlreiche Reisen in fremde Länder. »Das war schon reizvoll, aber irgendwann auch Routine.«
Ein Anruf half weiter: »Ich wurde vom Nürtinger Dekan gefragt, ob ich eine Pfarrstelle in Wendlingen übernehmen will«, so Brändle. Schwierig sei die Aufgabe, weil die alte Kirche abgerissen und eine neue entstanden war. »Das Angebot war spannend, ich bin sehr froh, dass ich mich dafür entschieden habe.« Das war vor 5,5 Jahren.
Nun also wieder Mittelstadt, wenn auch nur für einen Abend. Und mitten hinein in die Nudelsuppe. »Wie geht’s euch da so als Nudel«, fragte Brändle das Publikum. »Die einen sind schon a bissle schlonzig, andere noch al dente.« Und dann die alles entscheidende Frage: »Wie geht’s euch denn so als Fleischbollen in der Supp‘ oder als Schnittlauch – außen grün und innen hohl?« Das Publikum war hellauf begeistert.
»Die Menschen, die ich darstelle, sind mir tatsächlich begegnet«, sagte Peter Brändle nach der Vorstellung. Er habe für den Auftritt die Figuren natürlich überzeichnet, etwas hinzugefügt. Den 300 Zuschauerinnen und Zuschauern hat der Auftritt auf jeden Fall bestens gefallen.
Darunter war auch Reutlingens Oberbürgermeister, der nach Brändles Darbietung zum Mikrofon griff: »Sie haben mein Leben verändert, ich werde künftig nie mehr eine Nudelsuppe essen können, ohne an Ihre Meditation zu denken«, gestand Thomas Keck.
Keck war im Übrigen auch Teil von Brändles Auftritt: In der Rolle als Luigi, einem italienisch-stämmigen Arbeiter in Mittelstadt, sagte der Pfarrer: »Tomasino Keckino – du müsse mache die Neckarbrück hier zu ‚Ponte d’Amore‘.« Luigi wolle auf der Brücke einen Kiosk eröffnen. Keck werde dann auch zum ersten Heiligen von Reutlingen ernannt, denn – »der lache immer, obwohl er nix zu lache habe«, so Luigi alias Peter Brändle.






