REUTLINGEN-MITTELSTADT. Wenn sie so lebendig und lecker präsentiert wird wie am Tag der Kreisgeschichte, dann macht die Vergangenheit in der Gegenwart richtig Spaß. Zu seinem 50. Geburtstag hat der Landkreis Reutlingen in die Alte Weberei gebeten. Der Ort passt mit seinen Oldtimern wie der Deckel auf den Topf eines Programmes, mit dem Kreisarchivar Dr. Marco Birn und seine Mitarbeiter Geschichte geschmackvoll präsentieren. Das dürfen die rund 600 Besucher gerne wörtlich nehmen.
Alle sind eingeladen beim reichhaltigen Frühstücksbüfett zuzugreifen, sich dazu Getränke zu holen, oder Eiskugeln zu vernaschen. Der Kreis ist ein großzügiger Gastgeber, dem wohl klar ist: Auch ein leerer Bauch studiert nicht gerne. Dazu gibt es reichlich Gelegenheit mit einem Vortragsprogramm vom Feinsten. Kreisarchivar Birn hat Menschen in die Alte Weberei geholt, die etwas zu sagen haben: über Kelten und Burgen oder die Reichsstadt sowie natürlich die Kreisreform von 1973 als Geburtsstunde des heutigen Landkreises. Draußen vor der Türe wird Geschichte noch lebendiger.
Richtige römische Legionäre
Tatsächlich, da stehen zwei Römer in der Sonne. Es sind Alexander Zimmermann und Markus Kleinmann von der »Legio VIII Augusta«, die in der originalgetreu nachgebauten Ausrüstung von Legionären daran erinnern, dass eine Römerstraße einstmals am Neckar verlaufen ist. In ihrem Kettenhemd mit dem kurzen Schwert »Gladius« wirken die Männer wie eine Zeitmaschine. »Wir machen Wissensvermittlung, holen tote Sachen aus dem Museum in die Wirklichkeit«, sagt Kleinmann. Nur wenig weiter beginnt das 13. Jahrhundert.
»Wir stellen ein schwäbisches Adelsgeschlecht dar, das um 1270 im Echaztal gelebt hat«, sagt Tim Gerbert, der ein Ringpanzerhemd Stück für Stück »biegt«. Falls jemand denken sollte, das sei schnell erledigt, bekommt er folgende Antwort: 40.000 Ringe gehören zu einem Hemd. Dann vielleicht lieber ein schickes rotes Wollkleid aus dieser Epoche? Das trägt Rebecca Gadge, während sie ein kleines Stoffstück bearbeitet. Die junge Frau ist im richtigen Leben Krankenpflegerin, aber hier pflegt sie den »kreativen und handwerklichen« Umgang in der »Gruppe Grifenstain 1270«. Sehr sehenswert, obschon die Kinder den Eiswagen in Sichtweite viel attraktiver finden – schlau gemacht vom Landkreis. Ebenso anschaulich wird historische Kampfkunst dargeboten.
WO LEBENDIGE GESCHICHTE(N) ZU FINDEN SIND
Vorträge und andere Kostbarkeiten als Pixel oder auf Papier
Wer den Tag der Kreisgeschichte verpasst hat, braucht sich nicht zu grämen. Sämtliche Vorträge wurden gefilmt, und sollen in ungefähr zwei Wochen auf der Website des Landkreises mit dem passenden Titel »Kultur machen« zu sehen sein. Dort stehen auch viele andere Veranstaltungen, die noch kommen. Die meisten Freundinnen und Freunde von »lebendiger Geschichte« wie etwa die Römerfreunde der »Legio VIII Augusta« sind im Internet vertreten. Auch zur Archäologie und Geschichte der edelfreien Herren von Greifenstein im oberen Echaztal finden sich viele Seiten. Ebenso über die lebendige Schwertkunst. Auf gea.de bietet sich eine Suche nach Berichten über diese Geschichtsfreunde an, denn sie haben auch digital viele Spuren hinterlassen. Das Kreisarchiv empfiehlt darüber hinaus zwei neue Bücher, die beide im Silberburg-Verlag erschienen sind: »Burgen und Schlösser im Landkreis Reutlingen«, sowie »Der Landkreis Reutlingen von oben«. Einen Artikel zu diesem Buch finden Sie in dieser Zeitungsausgabe auf Seite 13. (zen) www.kultur-machen.de https://legio8.jimdofree.com/ www.greifenstein- projekt.de www.lebendige- schwertkunst.de
»Lebendige Schwertkunst« vermittelt ganz friedlich, aber sehr feinsinnig, wie einstmals der gekonnte Umgang mit Waffen wie dem Langschwert zum guten Ton gehörte. Auch hier steht eine weitere Sehenswürdigkeit direkt daneben: Es ist ein Feuerwehrauto Baujahr 1954 aus Neuhausen, das sehr selten ein Ford Fahrgestell mit einem Magirus-Aufbau kombiniert. Alle Mädchen und Jungen wollen da mal reinsitzen. (GEA)