REUTLINGEN-BETZINGEN.Drei Varianten für den Betzinger Streckenabschnitt der Gomaringer Spange waren im Rennen, eine ist nach der ersten Voruntersuchungs-Phase übrig geblieben: die Alte Bahntrasse. Das Ergebnis war schon vor der jüngsten Sitzung des Betzinger Bezirksgemeinderates bekannt, dem der Tagesordnungspunkt Regional-Stadtbahn dennoch ein volles Haus bescherte: Die Besucher, vorwiegend Anlieger, wollten aus erster Hand erfahren, warum die Alte Bahntrasse das Rennen gemacht hat und die anderen Varianten über die Julius-Kemmler-Straße und Wildermuthsiedlung auf dem Abstellgleis gelandet sind. Und sie wollten ihre kritischen Fragen los werden.
Lena Höneß, Referentin der Geschäftsführung des Zweckverbands und zuständig für strategische Steuerung, machte eingangs den Verfahrensstand deutlich. Nachdem die vielversprechendsten Trassenvarianten mit Beteiligung von Ortschaftsrat und Bürgern ausgemacht waren, hatten die beauftragten Gutachter anhand verschiedenster Kriterien geprüft, welche am besten abschneidet. Klare Empfehlung für Betzingen: die Alte Bahntrasse mit zweigleisiger Streckenführung nördlich und als Alternativtrasse südlich der Neckar-Alb-Bahn sollen weiter verfolgt werden.
Brückenbauwerk gefährdet
Nicht aber die Variante über den Bahnhof und die Julius-Kemmler-Straße. Denn da, erklärte Marius Strähle, Infrastrukturplaner beim Zweckverband, wäre der erste Knackpunkt die 2016 gebaute Brücke über den Breitenbach samt Kurve. Die Fliehkräfte der Bahn wären so stark, dass das Bauwerk gefährdet wäre. Die Konsequenz: Die Brücke müsste entweder neu gebaut oder die Bahnstrecke in einem größeren Bogen von ihr »weggerückt« werden, was gravierende Grundstückseingriffe notwendig machen würde.
Die wären auch im weiteren Verlauf der Julius-Kemmler-Straße erforderlich: Weil aus Sicherheitsgründen Radwege vorgeschrieben sind, müsste bis zu zwei Meter tief in 20 Privatgrundstücke eingegriffen werden. Auch Hofeinfahrten wären nicht mehr nutzbar. Viele Nachteile also, weshalb die Gutachter die Kemmlerstraßen-Variante ausschließen.
Topografie macht Probleme
Das gilt auch für die bei der Bürgerbeteiligung vorgeschlagene Streckenführung über die Wildermuthsiedlung. Hier müsste insbesondere im Dammweg ebenfalls in Privatgrundstücke eingegriffen und sogar ein Haus abgerissen werden. Außerdem macht hier die Topografie ordentlich Probleme. Wegen der Höhenunterschiede wäre ein Brückenneubau notwendig, auch die Anordnung der Haltestellen gestaltet sich schwierig. Weil die im Bereich Wildermuthsiedlung aber von den Betzingern »sehr gewünscht« seien, so Marius strähle, sollen die Gutachter jetzt prüfen, ob hier ein zusätzlicher Haltepunkt an der bestehenden Bahnstrecke machbar ist, der für die künftige S 5 Richtung Tübingen genutzt werden könnte. Mit Bahnhof, Haldenäckerweg Höhe Rainlenstraße hätte Betzingen dann drei Stadtbahn-Haltestellen.
Bei der von den Gutachtern als Vorzugsvariante empfohlenen Alten Bahntrasse wäre zwar auch Grunderwerb nötig, allerdings nur moderat, kam Marius Strähne zu der Streckenführung, die laut Experten-Gutachten die meisten Vorteile hat. Der alte Bahnkörper kann hier für die zweigleisige neue Trasse genutzt werden, die deshalb am einfachsten zu realisieren ist. Die Alternativvariante südlich der Neckar-Alb Bahn wäre möglich, so Marius Strähle, hat aber einen Haken: Ein Streckenabschnitt müsste neu gebaut werden, was kostspielig sei. Bevor die endgültige Trassen-Entscheidung getroffen werden kann, müssen die Gutachter zusätzliche Details prüfen. Und es wird wieder eine Bürgerbeteiligung geben, erläuterte Lena Höneß das weitere Verfahren.
Nicht genehmigungsfähig
Man sei zwar enttäuscht, dass die Bahnhof- beziehungsweise Kemmlerstraßen-Variante nicht weiter verfolgt wird, so Dagmar Krause zum Varianten-Ergebnis. »Aber warum es nicht geht, wurde eindrücklich geschildert.« Lothar Richter wollte wissen, warum auf der Julius-Kemmler-Straße keine eingleisige Trasse möglich ist. »Da müsste man nicht solche Eingriffe machen.« Klare Antwort des Infrastrukturplaners: Bei straßenbündiger Streckenführung ist Eingleisigkeit nicht genehmigungsfähig.
Zur Sprache kamen auch die eingangs in der Bürgerfragestunde von den Anliegern der Alten Bahntrasse in kritischen Statements formulierten Themen, wobei Einiges schon in Strähles Vortrag beantwortet worden war. Etwa die Frage nach den Haltepunkten. Die Anlieger hatten vermutet, es gebe nur einen einzigen »am Ortsrand«. Moniert wurde außerdem, dass es keine Vernetzung mit dem Mobilitätspunkt am Bahnhof gibt »Der Mobilitätspunkt am Bahnhof bleibt, aber für das Modul 1, die Regionalstadtbahn von Reutlingen nach Tübingen«, stellte Bezirksbürgermeister Friedemann Rupp klar.
Anlieger unzufrieden
Fragen gab es auch zu den Bahnübergängen bei der Alten Bahntrasse, die »Hoch-Risikobereiche mit maximaler Immissionsbelastung« seien. Gesichert sind sie laut Marius Strähle mit Signalanlagen, die pro Durchfahrt 30 Sekunden Rot zeigen, was bei acht Zügen pro Stunde vier Minuten ausmache: »Das ist nicht extrem viel.« Bei der Alten Bahntrasse werde ein gewidmetes Industriegleis genutzt, das auch Güterverkehr zulasse, so ein Anlieger: »Wieso wird nicht alles nach der Betriebsordnung Straßenbahn gebaut?« Wird es, so Strähle: »Wir sind durchgängig auf der Rechtsgrundlage Straßenbahn unterwegs.«
Damit gaben sich die Kritiker nicht zufrieden. Ihre Fragen seien nicht beantwortet worden, machten sie nach der Sitzung ihrem Unmut Luft. Die Expertise der Gutachter konnte sie offenbar auch nicht überzeugen. Ernst Wittel nannte das Argument der Fliehkraft: »Das ist technisch falsch.« (GEA)