REUTLINGEN-BETZINGEN. Frau E. (Name geändert) lebt seit sieben Jahren in der Seniorenanlage Hepp- und Borsigstraße. Sie fühlte sich dort gut aufgehoben, war hochzufrieden mit der Hausverwaltung. »Das lief einwandfrei.« Damit war Schluss, als Anfang des Jahres die Immobilie an die ZBI Fondsgesellschaft GmbH verkauft wurde. Frau E. sollte plötzlich nicht nur tausende Euro Nebenkostenvorauszahlungen nachzahlen, die ZBI wollte für die 50-Quadratmeter-Wohnung auch noch astronomische 2.139,85 Euro Gesamtmiete. »Ich hab doch keine Villa«, ärgerte sich die Seniorin, die bisher 853 Euro Miete gezahlt hatte. Sie wandte sich an den Mieterbund, der wiederum an die Öffentlichkeit.
Auf GEA-Nachfrage räumt die neue Hausverwaltung Fehler ein: Ursache seien falsche Daten, die man vom Voreigentümer übernommen habe. Alles sei korrigiert, eine entsprechende Mitteilung sei am 13. September an Mieterbund und Mieterin gegangen. Dieses Schreiben ging deutlich später bei Frau E. ein, berichtet diese - was ihre Verwunderung über ein Geschäftsgebaren verstärkt, das ihr von Anfang an undurchsichtig vorkam. Die Sache ist für sie dennoch erledigt, denn inzwischen überweist sie der neuen Hausverwaltung den alten Mietbetrag.
»Ich hab doch keine Villa«
Rückblick: Vor dem Besitzerwechsel wurde die Reutlinger Seniorenwohnanlage von der Immo Hyp mit Sitz in Ravensburg verwaltet, Eigentümerin war seit 2017 der Immobilienfonds Real Estate. »Wie hatten Ansprechpartner vor Ort, die haben das super gemacht«, sagt Frau E. über den Ravensburger Dienstleister. Auch mit der Miete habe es keine Probleme gegeben. Das änderte sich, als nach dem Verkauf das ZBI-Tochterunternehmen ZBVV (Zentral Boden Vermietung und Verwaltung GmbH) die Verwaltung übernahm - und erst mal für Unruhe und Ärger in der Seniorenanlage sorgte.
Beunruhigt war Frau E. zunächst deshalb, weil sie zwar eine Einzugsermächtigung ausgestellt hatte, aber keine Miete abgezogen wurde. Nachfragen gingen ins Leere. Mal landete sie in einem Callcenter in Duisburg, mal in Frankfurt oder Berlin. Die Bitte um Weiterleitung der Daten versandete offensichtlich. Also überwies Frau E. von sich aus die Miete in der bisherigen Höhe. Andere Bewohner berichten ähnliches: Manche überwiesen irgendwann in Eigeninitiative Geld an den neuen Vermieter, andere mussten sich erstmal auf die Suche nach einer entsprechenden Bank-Verbindung begeben. Anrufe blieben unbeantwortet, wurden barsch abgewimmelt oder brachten keine neue Erkenntnis.
»Das war nicht versehentlich oder einmalig«
Im Juli dann der Schock für Frau E. Die ZBVV forderte in einem Schreiben nicht nur 9.049 Euro Nebenkostennachzahlung, sondern auch noch eine monatliche Betriebskostenvorauszahlung von 1.516 Euro. Die Gesamtmiete hätte sich damit auf 2.139 Euro erhöht. Frau E. wandte sich umgehend an den Mieterbund Reutlingen-Tübingen, in dem sie Mitglied ist. In einem Schreiben stellte Beratungsanwältin Rosemarie Schlüntz klar, dass alle Mieten beglichen seien, die geforderte Gesamtmiete in Höhe von 2.139,85 Euro mietvertraglich nicht geschuldet und deshalb nicht zu bezahlen sei. Für die Nebenkostenerhöhung liege keine Abrechnung vor, die verlangte Vorauszahlung sei »vollständig unangemessen, nicht nachvollziehbar und in keiner Weise geschuldet«. Eine Vorauszahlungserhöhung dürfe im übrigen nie für abgelaufene Monate verlangt werden.
Das Schreiben ging im Juli an die ZBVV. Wochenlang herrschte Funkstille, erst im September reagierte die ZBVV auf das Schreiben. In der Mail an die Mieterbund-Anwältin geht die »neue Ansprechpartnerin in allen Belangen« mit keinem Wort auf die juristischen Argumente ein, sondern wiederholt die alten Forderungen - mehr noch: Es wird auf ein neues Saldo von 11.581,56 Euro auf dem Mieterkonto verwiesen, das Frau E. ausgleichen solle. Mit dabei sind Auszüge aus dem Mieterkonto, die aber, so Mieterbund-Geschäftsführer Marc Roth, »nichts belegen«. Auf Anraten von Anwältin Schlüntz geht Frau E. nicht auf die Mahnung ein, sondern überweist weiter ihre 853 Euro Miete.
»Ich denke, der Gesellschaft geht es darum, möglichst viel Geld aus dem Objekt rauszuziehen«
Für den Mieterbund ist der Fall so eklatant, dass er sich an die Öffentlichkeit wendet. Auch an den GEA, dem auf Anfrage die ZBVV-Pressestelle mitteilt, dass man bei einer Überprufung der Forderungen festgestellt habe, »dass die von der Voreigentümerin an die ZBVV übermittelten Daten zum bez. Mietkonto tatsächlich fehlerhaft waren«. Diesen Fehler bedaure die ZBVV ausdrücklich, weitere vergleichbare Fälle mit fehlerhafter Datenlage seien nicht bekannt. Am 13. September habe man »die Korrekturen vollzogen«, Frau E. mitgeteilt, dass ihr Konto ausgeglichen und die Betriebskostenvorauszahlung »auf nun 229,16 Euro« korrigiert sei. »Mitteilungen dazu an Mieterbund und die Mieterin«, heißt es weiter. Doch sowohl Mieterbund als auch Mieterin sagen, dass bei ihnen am 13. September keine Mitteilung einging, sondern erst einen Monat später, nach dem ersten Bericht über den Fall in der Stuttgarter Zeitung.
Für Rosemarie Schlüntz, die seit 38 Jahren Mieterberatung für den Mieterbund macht, ist der Fall klar. Ihr Fazit: »Das war nicht versehentlich oder einmalig.« Sie habe der ZBVV mehrfach und ausführlich begründet, warum die Forderungen juristisch nicht haltbar seien. »Doch die Schreiben wurden ignoriert, stattdessen, hat die ZBVV weitere Mahnungen rausgeschickt.« Ihre Mandantin sei wie andere Mieter, die mit so hohen Forderungen konfrontiert gewesen seien, entsetzt gewesen. Und zu den »fehlerhaften Daten«: Nebenkostenerhöhungen, so die Anwältin, dürften grundsätzlich nicht für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Und auch nicht ohne Abrechnungen, die bis heute nicht vorliegen würden. Im Übrigen wisse eine erfahrene Vermietungsgesellschaft wie die ZBVV, wie hoch Nebenkosten sind. Ihre Mandantin habe vor der Übernahme 250 Euro gezahlt und immer noch Guthaben gehabt. »Eine Erhöhung auf 1.516 Euro ist doch absurd.«
»Für alte Menschen ist es schwierig, mit einer Hotline zurechtzukommen.«
Die horrenden Forderungen sind zwar aus der Welt, mit einer Kaltmiete von 623,85 Euro kommt Frau E. wieder wie vor der Übernahme auf einen Gesamtmietbetrag von 853 Euro. Wirklich beruhigt sind aber weder sie noch ihre Anwältin. »Ich fürchte, das wird nicht beendet sein«, meint Rosemarie Schlünz. Und nennt als Grund für ihre Skepsis: »Ich denke, der Gesellschaft geht es darum, möglichst viel Geld aus dem Objekt rauszuziehen.« Diese Befürchtung hegen auch andere Bewohner. Sie haben Angst, dass ihnen die bislang so anonym und nicht greifbar agierende ZBVV womöglich das Mietverhältnis kündigt, dass sie ihren Alterswohnsitz verlieren. Manche haben es nur durch die Hilfe ihrer Kinder oder Enkel geschafft, irgendwann einen Ansprechpartner zu bekommen und ihre offenen Fragen zur Miete und zum Wohnverhältnis zu klären.
Bestätigt sieht Anwältin Schlünz ihre Vermutung durch die vielen negativen Bewertungen der ZBVV. »Das hat mich sofort misstrauisch gemacht.« Die ZVBB verwaltet laut einem NDR-Bericht bundesweit rund 60.000 Wohnungen. Auf Google berichten Mieter, wie sie im Callcenter landen, keine Auskunft bekommen. Es gibt Medienberichte über ausgefallene Fahrstühle, kaputte Heizungen und fehlenden Strom in ZBVV-Immobilien. In vielen Fällen habe die ZBVV gar nicht oder sehr spät reagiert, wird berichtet. »Die Abarbeitung von Mängeln ist nach unserem Eindruck sehr zeitverzögert«, sagt Mieterbund-Anwalt Thomas Adam im NRD-Beitrag. Auf Beschwerden, die das Mietverhältnis betreffen, werde oft nicht reagiert.
»Die Abarbeitung von Mängeln ist nach unserem Eindruck sehr zeitverzögert«
Birgit Fischer, Pflegedienstleiterin des Einrichtungsträgers KBF, bewertet die Sache anders. Sie müsse die ZBVV in Schutz nehmen, sagt sie auf GEA-Anfrage. Die Hausverwaltung habe auf Klagen reagiert, die überhöhten Forderungen hätten sich als Missverständnis herausgestellt. In den Fällen, bei denen sie sich eingeschaltet habe, sei alles zurückgenommen worden. »Für alte Menschen ist es schwierig, mit einer Hotline zurechtzukommen.« Inzwischen habe sich die Situation verbessert. Es gebe auch neue Strukturen, drei ZBVV-Ansprechpartner seien wie von der Geschäftsführung gewünscht zuständig für Reutlingen. »Wir wollten eine gute Zusammenarbeit für die Bewohner. Das haben wir erreicht.« (GEA)